ABRAHAM-PREDIGTEN

2. Predigt über Melchisedek - TEIL IV

 

TEIL IV

Statt dass nun die Papisten und alle, die sich Christen nennen, aus dieser Stelle bei Mose die Lehre ziehen, dass Jesus Christus der einzige König und Priester ist, der uns mit Gott, Seinem Vater, vereint hat, und der auch bewirkt, dass der Vater uns in Seinem Schutz bewahrt, haben sie alles hier Gesagte in sein Gegenteil verkehrt, und dieser Irrtum hat nicht bei den Papisten angefangen. Man muss ihnen nicht mehr zuschreiben, als sie haben, denn ihre Lästerungen genügen, sie hundertmal zu verdammen. Aber es ist ein Jammer, dass der Teufel so regiert hat, dass er die, die sich Christen nannten, schon vor 1400 Jahren [Anmerkung: mittlerweile sind weitere 500 Jahre vergangen] so verblendet hat, dass sie dahin gekommen sind, ein Märchen zu erfinden: Jesus Christus sei in der Person Melchisedeks dargestellt gewesen, und sein Leib sei das himmlische Brot und sein Blut der Wein zur Nahrung der Seelen, und Er habe beides dargebracht. Nun wird diese Allegorie zunächst denen gefallen, die sich gerne die Ohren kitzeln lassen, da Jesus Christus Seinen Leib Brot und sein Blut Wein nennt; dass Melchisedek Brot und Wein dargebracht hat, scheint also recht gut zu passen, da ja der Leib Jesu Christi die Kraft in sich haben muss, uns zu ernähren, und Sein Blut auch unsere Seelen lebendig machen kann. Aber es ist hier nicht die Rede von einem Gott dargebrachten Opfer. Mose sagt, Melchisedek, der König von Salem, habe Brot und Wein dargebracht, d. h. er habe es Abram angeboten. Abram müsste hier Gott sein, da ja die Darbietung seiner Person gilt; und dann geschah das nicht nur für ihn allein, sondern für seine ganze Begleitung. Abram wurde also von Melchisedek mit königlicher Freigebigkeit aufgenommen. Das auf Gott zu beziehen, heißt, wie wir sehen, alles verderben. Übrigens hat unser Herr Jesus Christus auch Seinen Leib und Sein Blut dargebracht. Sie sind vorher nicht Brot und Wein gewesen, sondern wegen des Opfers, das Er damit gebracht hat, werden sie Brot und Wein genannt, d. h. sie haben die Kraft und die Natur von Brot und Wein für uns. Warum werden wir an unserer Seele durch den Leib und das Blut unseres Herrn Jesus Christus erhalten, und warum bekommen wir unser ganzes Leben von Ihm? Deswegen, weil das einmal dargebrachte Opfer die Summe und die Vollendung alles Guten ist. Wenn also Jesus Christus nicht zuvor geopfert worden wäre, so wäre Sein Leib heute nicht Fleisch, Sein Blut nicht Getränk für uns. Deshalb sagt auch Paulus im 1. Korinther 5.7, Jesus Christus sei als unser Passahlamm geopfert worden: Also wollen wir jetzt essen! Diese Ordnung müssen wir einhalten: Das Opfer geht voraus, danach werden wir Kraft desselben durch den Leib und das Blut unseres Herrn Jesu Christi genährt und gesättigt. So sehen wir auf jede Weise, dass diese armen Phantasten, die diese Moses-Stelle verderbt haben, von unserem Herrn Jesus Christus keine Ahnung hatten.

Nun haben sich die Papisten - da sie vom Satan besessen sind und ihr Sinn verstockt worden ist, so dass sie nicht zwischen weiß und schwarz unterscheiden können und sich sogar, infolge einer gerechten Rache Gottes, so lächerlich gemacht haben, dass die kleinen Kinder ihnen ins Gesicht spucken könnten - mit diesem einen Irrtum nicht begnügt, sondern sie haben noch mehr Unflat herbeigeführt. Sie haben darüber hinaus gesagt, man müsse täglich Brot und Wein darbringen, da das Priesteramt Jesu Christi dem Melchisedeks entspreche. Dabei werden sie zunächst durch ihren eigenen Mund einer mehr als großen Torheit überführt, denn sie sagen, bei ihrer Messe gebe es weder Brot und Wein, wenn sie ihre Hostie, wie sie das nennen, verzaubert haben, sondern dann sei sie ein Gott. Mag man auch Brot sehen und mag der Wein tropfen, sie sagen, das seinen bloß Formen, d. h. Erscheinungen ohne Substanz. Sie wollen also glauben machen, das sei weder Brot noch Wein, die Augen seien verblendet, und ebenso der Geschmack und alle Sinne; dabei geben sie vor, dass alles zunichtewird, wenn sie die Worte aussprechen, die sich ‚sakramental‘ nennen. Wenn man nun Brot und Wein darbringen müsste, -wo ist das? Denn sie behaupten ja, es sei nichts dergleichen vorhanden! Dabei führen sie diese Stelle an und sagen, man müsse Brot und Wein opfern! Wir sehen, ihre Dummheit ist so groß, dass kleine Kinder darüber lachen und ihre Richter sein können. Und wenn sie im Übrigen finden wollen, dass Melchisedek und unser Herr Jesus Christus sich entsprechen, so muss dabei das unangetastet bleiben, was wir aus dem Psalm angeführt haben: Das es bloß einen Priester gibt, da er durch einen besonderen Eid eingesetzt worden ist. Er muss also sein Amt allezeit behalten. Aber sie stellen sich als Priester an die Stelle unseres Herrn Jesu Christi! So ist also die Entsprechung zunichte gemacht! Doch braucht es keine anderen Widerlegungen oder Beweise, um ihre Torheit zu widerlegen, als dass man den Text so nimmt, wie er dasteht, und dann immerfort ihr eigenes Bekenntnis dagegen hält, das ihnen den Hals bricht. Wie dem auch sein mag, wir sehen: Wie diese Stelle eine einzigartige Lehre und Ermahnung  enthält, so hat der Teufel sich bemüht, sie zu verdunkeln, zu vernebeln, zu fälschen, ja sie ganz zunichte zu machen; um so mehr müssen wir unsererseits alle unsere Sinne wach halten, um das hier Gesagte unserem Gedächtnis recht einzuprägen, und wir müssen dazu angetrieben werden durch den feierlichen Eid, den zu schwören es Gott gefallen hat. Denn es hat, wie wir gesagt haben, seinen guten Grund, dass Er so bei Seinem Namen geschworen hat. Das ist geschehen, um uns eine unfehlbare Bekräftigung unseres Glaubens zu geben, damit wir nicht daran zweifeln, dass uns in der Person Seines einzigen Sohne alles bis zum himmlischen Reich zukommt, was zu unserer Gerechtigkeit, zu unserem Frieden und zu unserem Schutz erforderlich ist.