ABRAHAM-PREDIGTEN

2. Predigt über Melchisedek

Die zweite Predigt über Melchisedek,
in der gezeigt wird, dass er ein Bild Jesu Christi, des ewigen Königs und Priesters, gewesen ist.

 

1. Mose 14. 18-20

Aber Melchisedek, der König von Salem, trug Brot und Wein hervor. Und er war ein Priester Gottes des Höchsten und segnete ihn und sprach: Gesegnet seist du, Abram, dem höchsten Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat; und gelobt sei Gott der Höchste, der deine Feinde in deine Hand beschlossen hat. Und demselben gab Abram den Zehnten von allem.

 

 

TEIL I

Wir haben zu zeigen begonnen, dass der hier genannte Melchisedek ein Bild unseres Herrn Jesu Christi gewesen ist. Damit wir nun dieser Lehre größere Aufmerksamkeit schenken, müssen wir uns an das gestern schon betonte erinnern, dass Gott mit einem feierlichen Eid geschworen hat, der zukünftige König über das Volk werde auch Priester sein. Nun ist es gewiss, dass Gott Seinen Namen nicht unnütz braucht und Ihn nicht bloß so von ungefähr ausspricht. Wie Er will, dass wir Ihn in Ehren halten und Ihn nur gebrauchen, wenn es nötig ist und wo Sein Gebrauch Seiner Heiligkeit angemessen ist, so gibt Er uns auch seinerseits das Beispiel dafür. Es folgt also notwendig, dass es bedeutsam und für uns von großem Nutzen ist, zu wissen, inwiefern dem Erlöser des Volkes auch der Titel des Königs und des Priesters zukommt. In der Tat, wenn wir das eine vom andern trennen würden, so wäre unser Glaube an unseren Herrn Jesus Christus sehr schwach und hätte keinen gewissen und festen Grund. Denn zwei Dinge sind zu unserem Heil erforderlich: Einerseits, dass Gott uns als Gerechte aufnimmt und uns als Seine Kinder anerkennt; zweitens, dass wir von Seiner Hand geführt werden, dass wir durch Seine unüberwindliche Kraft erhalten und beschützt werden. Wenn wir nur eins von beiden annehmen wollten, so würde es bloß zur Hälfte genügen. Der Grund dafür ist folgender: Setzen wir den Fall, dass Gott uns gnädig wäre und dass Er uns unsere Sünden nicht zurechnete; wenn der Teufel dabei Macht über uns hätte, und wir allen Angriffen, die er gegen uns richtet, ungeschützt ausgesetzt wären, – was hieße das anders, als dass wir arme verlorene Menschen wären? Wenn wir anderseits Gott Seine Macht bloß zu unserem Schutz entfalten würden, und wir nicht mit Ihm versöhnt wären und nicht für gerecht gehalten und geachtet würden, so müssten wir immer wieder Rechenschaft ablegen, und wehe uns, wenn wir ohne Barmherzigkeit gerichtet würden! Aber wir wissen, dass unsere Gerechtigkeit darin besteht, dass Gott Erbarmen mit uns hat, dass Er alle unsere Fehler begräbt. Also musste unser Herr Jesus Christus als König und als Priester erscheinen, d. h. Er musste einerseits den Bund zwischen Gott und uns schließen, damit wir erhobenen Hauptes kommen können, wenn es sich darum handelt, unsere Zuflucht zu nehmen, und damit wir dessen sicher sein können, dass Er uns als seine Kinder anerkennt. Nun haben wir all das durch die Wohltat des Todes und des Leidens unseres Herrn Jesu Christi. Denn dass Er Sein Blut vergossen hat, das ist geschehen, um uns von allen Sünden zu waschen und zu reinigen. Er ist zum Sühneopfer gemacht worden, so dass wir aller unserer Schuld ledig sind, und die Handschrift, die wider uns war, ist zerrissen und ausgetilgt worden, wie Paulus im Kolosserbrief sagt (Kolosser  2.14). Das wurde vollbracht, indem die Person des Sohnes Gottes auf die Welt gesandt wurde; Er hat für die Vergebung unserer Sünden gelitten und hat uns gerecht gemacht. Nicht als ob wir es in Wirklichkeit wären, daran fehlt vieles; aber sofern Gott uns nicht danach richten will, was wir gefehlt haben. Er hilft uns im Gegenteil durch Seine unendliche Güte; und der Gehorsam, den Jesus Christus geleistet hat, hat uns gereinigt. Wie wenn einer unsere Schuld bezahlen würde, - ich bin nun frei! - so hat unser Herr Jesus Christus sich zum Hauptschuldner hergegeben und uns dadurch vor Gott frei gemacht; selbst der Teufel kann uns nicht verklagen, wenn wir unser Vertrauen auf die Sühne setzen, die uns durch den Sohn Gottes als Priester bezeichnet. Aber wir müssen wohl erwägen, welche Frucht wir von diesem Seinem Amt empfangen sollen, denn nicht bloß für sich, sondern zu unserem Nutzen und Heil hat Ihm der Vater diesen Stand und diese Würde mit feierlichem Eid übertragen.