ABRAHAM-PREDIGTEN

2. Predigt über Melchisedek - TEIL II



TEIL II

Nun achten wir darauf, dass Er ein ewiger Priester genannt wird, damit diese Ehre Ihm vorbehalten bleibe und auf niemand sonst übertragen werde. Wenn dieser Punkt in der gebührenden Weise beachtet worden wäre, wie ihn auch der Apostel in dem Brief an die Hebräer aufs schönste ausführt (Hebräer 7.11 ff), so wäre der Gräuel nie geschehen, der in die Welt gekommen ist und noch heute herrscht. Denn der Papst weiht seine Priester dazu, dass sie Gott zufriedenstellen sollen. So lauten die Worte, die er gebraucht, wenn er sie verzaubert, d. h. wenn er sie durch seine Zaubersprüche weiht: "Wir geben die Macht, Gott das Opfer darzubringen, das dazu dient, ihn zu befriedigen." Das ist eine abscheuliche Lästerung, denn das ist so viel, als ob sie Gott zum Lügner und den feierlichen Eid zunichtemachen wollten, den Er selbst ausgesprochen hat, und von dem im 110. Psalm gesprochen wird. Dort sagt Gott, Jesus Christus, nämlich Er allein, werde ewiger Priester sein, d. h. Priester nach der Weise Melchisedeks, dem keiner gleich oder ähnlich sei. Die Priester des Papsttums indessen brüsten sich, Jesus Christus als Opfer darzubringen und dazu Priester Gottes zu sein, um Vergebung der Sünden, sogar für Lebende und Tote, zu schaffen. Denn sie sind nicht damit zufrieden, Erlöser derer zu sein, die sich aus ihren Händen, wie aus Räuberhänden, loskaufen, sondern sie wollen auch noch, dass ihre Zauberei sich über die Toten erstrecke! Wir sehen, es besteht ein mehr als offenkundiger Gegensatz zwischen dem Urteil, das der heilige Mund Gottes ausgesprochen hat, und dem, was dieser Antichrist erfunden hat und noch heute vertritt. Achten wir also wohl darauf, dass nicht nur Jesus Christus sich bloß einmal dargegeben hat, um den Zorn Gottes, Seines Vaters, gegen uns zu stillen und für alle unsere Fehler aufzukommen, sondern dass auch die Kraft dieses von Ihm geleisteten Opfers für immer anhält und ewig sein wird. Deswegen benützt der Apostel auch das Gleichnis (Römer 5.2), der Zugang sei uns durch das Blut Jesu Christi, unseres Herrn, gleichsam neu geöffnet worden. Er will damit sagen, das einmal zu unserem Heil vergossene Blut versiege und vertrockne niemals, sondern ergieße sich durch die Kraft des Heiligen Geistes täglich über unsere Seelen, wie Petrus im 1. Kapitel seines 1. Briefes davon sagt. Deswegen sagt auch Jesus Christus bei Seinem Abendmahl: Das ist das Blut des neuen Testaments; und es heißt ewig, als ob Er sagen wollte, wir sollen nicht denken, Er habe eine bloß für einen Tag oder ein Jahr gültige Versöhnung ohne Dauer vollbracht. Sondern heute noch übt Er das Amt des Priesters aus, da Er in Kraft des Todes und des Leidens, das Er einmal erlitten hat, der Mittler bei Gott, Seinem Vater, ist und so für uns eintritt, dass wir dessen sicher sein können, dass wir Gott angenehm sind, wenn wir im Namen unseres Fürsprechers zu Ihm kommen, und damit wir uns auf das Opfer gründen und stützen, das Er einmal geleistet hat, um uns dadurch heute und bis ans Ende der Welt zu dienen.

Nun habe ich gesagt, es würde nicht genügen, dass wir so Kraft der Vergebung unserer Sünden mit Gott im Reinen wären, wenn wir nicht immerfort unter der Hand Gottes und unter Seinem Schutz behütet und bewahrt würden. Deswegen musste Jesus Christus auch König sein, denn alles Heil, das wir von Gott erhoffen, müssen wir bei unserem Herrn Jesus Christus suchen. Wir brauchen nicht in die Luft emporzufliegen, um das, was wir brauchen, in weiter Ferne zu holen, denn Er schenkt sich uns und bietet sich uns dar. Wir müssen also in der Person dieses Erlösers die ganze Fülle dessen finden, was zu unserem Heil nötig ist. Deswegen wird unser Herr Jesus Christus als König bezeichnet. Die Salbung, die Ihm erteilt wurde, gehört zu Seinem Königtum. Wir werden dadurch reich gemacht an all Seinen Gütern; wir werden gegen alle unsere Feinde geschützt und haben eine unbesiegliche Festung. So bleibt uns, wie sehr wir auch angegriffen werden, doch immer der Sieg. Die Reichtümer des Himmels werden also über uns ausgegossen, da Jesus Christus sie in aller Vollkommenheit in sich getragen hat. Wir andererseits besitzen nichts davon; wir haben bloß Armut. Wir müssen also als Bettler zu Ihm kommen, und Er muss freigebig sein und uns helfen. Das geschieht, wenn Er die Gaben Seines Heiligen Geistes an uns austeilt, damit wir nach Seinem Bilde neu geschaffen werden. Dann muss der Teufel zurückgestoßen werden. Und welche Kraft haben wir unsererseits? Die allerkleinste Versuchung schon schlägt uns zurück, und unser eigener Schatten schon bringt uns gleichsam zu Fall. Aber es ist uns gesagt: Wenn Jesus Christus uns in Seine Hut genommen hat, so werden wir in solcher Kraft stehen, dass alle unsere Feinde keine Macht über uns haben. Jetzt sehen wir viel besser, dass Gott nicht ohne Grund einen feierlichen Eid gebraucht hat, indem Er unseren Herrn Jesus Christus zum König und zum Priester nach der Weise Melchisedeks einsetzte.

Nun verfolgt der Apostel das noch weiter und betont die Namen (Hebräer 7.2); denn Melchisedek bedeutet König der Gerechtigkeit. Er zeigt uns also, dass das Königtum des Sohnes Gottes kein gewöhnliches ist und nicht nach der Art anderer Herrschaften beurteilt werden darf. Es birgt das Besondere in sich, dass es uns gerecht macht. Denn die irdischen Könige mögen wohl auch gerecht sein, sofern sie sich treulich ihren Ämtern widmen, sich von Schandtaten, von Tyrannei, von Grausamkeit fernhalten und jedermann Gerechtigkeit widerfahren lassen; insofern mag man sie gerecht nennen. Aber dem Sohne Gottes kommt eine ganz andere Gerechtigkeit zu: Die, derer wir teilhaftig gemacht werden! Ein Mensch könnte wie ein Engel alle Tugenden haben, aber das würde dann nur ihm selbst dienen. Er mag wohl den andern mit guten Beispiel vorangehen; die, die gefehlt haben, züchtigen; ein Auge darauf haben, dass man ordentlich und in geordneten Verhältnissen lebt; aber dass er die andern gerecht machen könnte, das übersteigt jedes menschliche Vermögen. Doch unser Herr Jesus Christus hat eine Gerechtigkeit, die nicht auf Ihn beschränkt ist, und die Er nicht bloß für sich allein hat; sondern Er hat sie dazu, um sie uns mitzuteilen, so dass wir durch Ihn vor Gott gerecht gemacht werden. Und wie soll das geschehen? Wir haben schon gezeigt, dass Gott uns für gerecht und unschuldig achtet, wenn es Ihm gefällt, unsere Übertretungen und unsere Missetaten zu begraben. Wenn Er uns andererseits durch den Geist unseres Herrn Jesu Christi wiedergeboren hat, so bekleidet Er uns damit auch wieder mit Seiner Gerechtigkeit. Zwar geschieht das gewiss bloß teilweise; solange wir auf dieser Welt leben, sind uns unsere Sünde wohl ganz und ohne Ausnahme vergeben, aber wir sind nicht so neu geschaffen, dass es nicht immer noch viel Schwachheit und viele Laster bei uns gäbe, und so müssen wir unsere Zuflucht zu dieser Gerechtigkeit nehmen, d. h. zu der Vergebung unserer Sünden! Aber wie dem auch sein mag, wir sehen, wie unser Herr Jesus Christus uns auf diese Weise Seiner Gerechtigkeit teilhaftig macht. Das ist also der erste Punkt, den wir zu beachten haben.