ABRAHAM-PREDIGTEN

3. Predigt über Melchisedek - TEIL VI

 

TEIL VI

Im Übrigen haben wir noch darauf zu achten, dass er sagt, er habe die Hand zum allmächtigen Gott erhoben, der Himmel und Erde besitzt. Auch Melchisedek hatte bei dem Segen eine ähnliche Form gebraucht. Denn Abram hat sich nicht damit begnügt, den Namen Gottes aufzuführen, sondern hat auch zum Ausdruck bringen wollen, welchen Gott er anbetete. Wir wissen, dass die Welt damals schon voll Götzendienerei und Aberglauben war. Jeder führt wohl den Namen Gottes im Munde, wie die Ungläubigen sich heute noch oft rühmen, dass sie Gott anbeten. Die Türker, die Juden, die Papisten missbrauchen diesen heiligen Namen. Aber sie beflecken ihn bloß, da die Türken das anbeten, was sie in ihrem Verstand ersonnen haben und damit den lebendigen Gott lästern. Denn wer den Sohn nicht hat, hat auch den Vater nicht, wie es bei Johannes heißt (Johannes 5.32; 1. Joh. 2.23), und wenn der Sohn nicht geehrt wird, so rechnet der Vater sich das als Schimpf an, denn man kann Sein lebendiges Bild nicht verachten, ohne Seine Majestät damit zu beschimpfen. So beten denn die Türken unter dem Namen Gottes nur einen Teufel an. Wenn man bei den Papisten davon spricht, dass Jesus Christus unser Fürsprecher ist, so ist ihnen das unerträglich, und doch wagen sie die Heilige Schrift nicht ganz zu leugnen! Aber so viel steht fest, dass das für sie eine ketzerische und ärgerliche Stellung ist, da man damit sagt: Die Heiligen, Männer wie Frauen, treten nicht für uns ein. Wenn man von der Vergebung unserer Sünde aus Gnade spricht und sagt, man dürfe sich nicht mehr bei dem Götzendienst ihrer Messe amüsieren, einem mehr als höllischen Missbrauch, so werden sie so aufgebracht, als ob es nicht so schlimm wäre, den lebendigen Gott hundertmal zu lästern, als ein einziges Wort gegen diesen Abgott zu sagen. Wir sehen also nun, dass die Religion der Papisten nichts als Teufelei ist. Was die Juden betrifft: Sie haben unseren Herrn Jesus Christus verleugnet. Nun haben wir schon gezeigt, dass der Sohn nicht vom Vater getrennt werden kann. Wenn sie Ihn also verworfen haben, so haben sie sich damit die Türe verschlossen und den Grund des Bundes verlassen, den Gott mit ihnen geschlossen hatte, weil sie nämlich des Heils nicht teilhaftig werden sollten, das ihnen durch unseren Herrn Jesus Christus gebracht worden ist. Auf diese Weise missbraucht man den Namen Gottes überall. So ist es auch zur Zeit Abrams gewesen. Deshalb nennt er Ihn den Ewigen und danach den Allmächtigen. Er unterscheidet Ihn damit von den Götzen. Denn die Heiden haben wohl gewusst, dass es eine höchste Gottheit gibt, aber sie wollten immer noch ein Gehege von kleinen Göttern für sich. Abram scheidet sich davon und sagt, nur der Ewige sei der Herr.

Darauf fügt er hinzu: Der Himmel und Erde besitzt. Er zeigt damit, dass Gott nicht im Himmel ist, wie die Phantasten sich Ihn vorstellen, um zu sagen, Er sitze dort und sehe auf das herab, was auf der Welt geschehe; es sei Ihm genug, einmal die Dinge geschaffen zu haben, und Er lasse uns jetzt hienieden unsere Sprünge machen wie die Frösche. Abram zeigt also, dass er keine so plumpe Meinung von Gott hat, sondern dass er Ihm eine unendliche Kraft zuschreibt, die sich überallhin erstreckt. Damit sollen wir dazu veranlasst werden, in der Furcht Gottes zu wandeln, und darauf aufmerksam gemacht zu werden, dass wir über alle Worte und Gedanken vor Ihm Rechenschaft ablegen müssen. Denn Gott besitzt den Himmel und die Erde nicht dazu, um sich davon zu ernähren. Er braucht sie nicht. Er besitzt sie nicht, um sich zu zeigen, denn Er genügt sich mit Seiner unendlichen Majestät allein und hat alles Gute in sich selbst. Selbst wenn Er nicht geschaffen hätte, so wäre Er darum nicht kleiner und nicht größer. Wenn Er also genannt wird, so soll dadurch gezeigt werden: Alles ist Ihm untertan, und wir müssen vor Ihm Rechenschaft ablegen; Er regiert die Welt; nicht ist vor Ihm verborgen; Er hat die Macht, die Gedanken zu erkennen und alle unsere Worte und Taten zu prüfen; Er ist, weil Himmel und Erde Ihm gehören, zugleich unser Richter. Darauf also bezieht sich dieser Ausdruck, dass wir hier als vor Gott wandeln sollen. Wir mögen versuchen, uns zu verstecken, es kommt doch alles ans Licht, und wenn wir Ihn heute durch unseren Scharfsinn zu täuschen wähnen, so muss alles das einmal auf uns zurückfallen. Andererseits soll uns die Tatsache, dass Gott sich den Eigentümer des Himmels und der Erde nennt, dazu mahnen, Ihn als unseren Vater und Ernährer zu lieben und als unseren Richter zu fürchten, denn der Himmel und die Erde sind Sein, sofern Er unumschränkte Gewalt über uns hat, und sofern wir vor Seinem Richterstuhl erscheinen müssen, um zu empfangen, was wir getan haben bei Leibesleben, es sei gut oder böse (2. Korinther 5.10).

Nun behält Er diesen Besitz nicht bloß für Sich, denn Er teilt uns durch Seine unermessliche Güte alles mit, was wir brauchen, da Er alles zu unserem Gebrauch geschaffen hat. So sind wir schlecht und undankbar, wenn so von der Kraft und von der unermesslichen Güte unseres Gottes gesprochen wird, und wir sie sogar aus Erfahrung kennen, aber nicht auch danach streben, Ihn zu lieben und uns Ihm zu weihen. Durch dieses Wort ‚Himmel‘ werden wir nicht bloß an die Wohltaten erinnert, die Er uns durch die Sonne und die Sterne erweist, sondern auch der Engel wird hier gedacht, damit wir lernen sollen, ihnen gleich zu werden. Wenn so edle Geschöpfe kein anderes Bestreben kennen, als sich dem Dienst Gottes zu widmen, wohin soll es dann führen, wenn wir armen Erdenwürmer uns gegen Ihn empören, oder wenn jeder von uns, obgleich wir bloß wie arme, in die Irre geratene Tiere sind, seinen Lüsten und Begierden nachstrebt? Bedeutet es nicht eine übergroße Beschämung für uns, wenn die Engel so demütig sind, und wenn wir unsererseits so voll Hochmut und Auflehnung sind?

Das ist also der wesentliche Inhalt dessen, was wir festhalten müssen. Wenn wir von Gott sprechen, so ist keine Kraft eins mit Seinem Wesen. Das Wort Gott soll uns nicht, wie vielen Leuten, über die Lippen gehen, sondern wir sollen wissen: Wie Er der Ewige ist, wie Er alle Dinge geschaffen hat, so hat Er Sich auch die Herrschaft und die Gewalt über uns, über alle unsere Güter und über alle Kreaturen vorbehalten. Wir müssen erkennen, dass wir vor Ihm Rechenschaft ablegen müssen, aber so, dass wir dabei trotzdem ermahnt werden, Ihn wahrhaftig zu lieben und uns im Gehorsam vor Ihm zu neigen. Denn Er will uns nicht bloß mit Gewalt und Zwang unter den Namen Seiner Majestät beugen, sondern vornehmlich durch die Gnadengaben und Wohltaten, die Er über uns ausgießt, damit wir dadurch gleichsam zu Ihm gelockt werden, so dass wir unseren Worten, unseren Gedanken und unseren Werken immer darauf bedacht sein sollen, Seinen heiligen Namen zu verherrlichen.