JONA-PREDIGTEN

2. Jona-Predigt - Jona 2.4-5

 

Jona 2.4 – 5:

Du warfst mich in die Tiefe mitten im Meer, dass die Fluten mich umgaben; alle deine Wogen und Wellen gingen über mich, dass ich gedachte, ich wäre von deinen Augen verstoßen, ich würde deinen heiligen Tempel nicht mehr sehen.

So geht es her in der Seele, wenn sie in solcher Not steckt, dass sie meint, es käme die ganze Not von Gott – nicht um ihr zu helfen und sie daraus zu erretten, sondern sie darin liegen zu lassen. Es ist ihr fast unglaublich, dass Gott noch ein Herz für sie habe in solcher Not, da sie nichts als Zorn und Ungnade sieht von Seiten Gottes. So spricht denn auch Jona: Du warfst mich in diese Tiefe mitten im Meer. Denn ob es zwar die Schiffsleute getan hatten, so würden sie es ja doch nicht haben tun können, hätte Gott es sie nicht tun lassen! Und war auch die Sünde, dass er sich unter das Wort der Gnade nicht hatte beugen wollen, die nächste Ursache seiner Todesnot, so hätte doch Gott es wohl anders fügen können und ihm die Sünde mit einmal vergeben. Weil er nun aber in solche Not gekommen war, so hatte Gott solches getan. Und weil er das Ende der Wege Gottes nicht sah, darum sprach er: ‚Du warfst mich, du ließest mich fahren und aus deiner Hand gleiten, du schicktest mich von dir fort in den Wasserwirbel hinein, wo man wohl grade aufzustehen kommt, aber nicht um stehen zu bleiben, sondern um desto tiefer zu sinken, wo man wohl mit fortgerissen wird, aber nicht nach dem Trocknen zu, sondern ganz hinein in das volle und tiefe Meer. Ja mitten im Meer, dass nicht Hilfe war weder zur Rechten, noch zur Linken! Die Fluten umgaben mich – es war alles Verlorenheit, ich lag da ganz rettungslos. Ich schrie, ich schrie, aber statt mir zu helfen, ließest du die eine Woge und Welle nach der anderen über mich hergehen. Und wenn ich dachte: Diese Welle da ist über mich hergegangen, nunmehr werde ich eben bleiben, so ließest du bald eine noch stärkere Welle auf mich heranrollen und über mein Haupt fahren, also dass es geschehen war um mein Leben. Und ich gedachte: Es gibt keine Seligkeit mehr für dich, Gott will nicht mehr dich sehen, dich nicht mehr zu sich lassen, nicht mehr hören. Ach, Er will nicht mehr leuchten mit Seinem Angesicht über mich: Ich bin ganz von Ihm verstoßen. – So weit hast du es mit deinen Sünden gebracht, dass Gott sich nun nicht mehr um dich kümmern will. Er hat dieses Übel selbst über dich kommen lassen, um sich zu rächen über alle deine Bosheit, nun mußt du sterben, Gott wird hier kein Wunder tun dich zu erretten. – Er hat auch den letzten Schimmer der Hoffnung verschwinden lassen: Da muß ich nun ringen mit dem Tode und dem Verderben, ohne je Gott wiederzusehen mit der Hilfe Seines Angesichts, wie es mir doch vormals oft widerfahren ist. Es ist ja alles jetzt aus und vorbei.’

Das sind so unsere Gedanken mitten im Meer der Leidenschaften, der Sünde, der tiefen Not des Leibes und der Seele, in schweren Prüfungszeiten, wenn Gott auch das letzte Rind von dem Stall nimmt und gar noch den Stall dazu, und wir auch nicht mehr antworten können auf die Frage: Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben. Sünden sehen wir genug – gräßliche Sünden! Not sehen wir und Tod von allen Seiten, Verderben und Untergang von allen Ecken und Enden – was wir gestern wussten: Ich habe einen gnädigen Gott und treuen Vater in den Himmeln – ist heute dahin! Es donnert oben schrecklich, Feuerflammen wollen uns verzehren, der Abgrund sich auftun, uns zu verschlingen, Posaunen hören wir, die zum Gericht erschallen! – Oder aber es schweigt alles oben und wir sehen und hören nichts anderes, als dass die Not sich häuft, Gott schlägt uns mit Seinen zehn Plagen, wie vormals die Ägypter, und auch das Geliebteste, was uns wie die Erstgeburt ist, entsinkt uns in solchen Wogen und Wellen. In solchem Zustande nun, wo man nicht anders denken kann als: Ich bin von deinen Augen, ich bin ganz von dir verstoßen –wie hält es da ein Mensch, ein Kind Gottes, aus?

Vernehmt es, was der Heilige Geist dem Jona auszusprechen gab, wodurch er in solcher schweren Anfechtung und Not der Seele den Sieg davon getragen hat über sein Fleisch, über Not, Tod und Hölle, und wodurch er mitten in den Wogen, mitten im Bauch des Fisches sich auf einmal wieder bei dem Herrn befand: Jedoch – denn so muss es nach dem Hebräischen heißen – jedoch werde ich den Tempel deiner Heiligkeit wieder sehen.

Dieses Jedoch – jedoch werde ich den Tempel deiner Heiligkeit wiedersehen, war von jeher eine wahre Herzensstärkung für jedes angefochtene Gemüt! Es sei über alle Hoffnung hinaus – Erfahrung aber bringt Hoffnung! Und wenn der Glaube ohnmächtig da liegt, richtet die Hoffnung ihn wieder auf. Es fehlt einem Kinde Gottes in der schrecklichen Not, wenn auch alle Erwartung abgeschnitten ist, dennoch nie an heiligem Geiste, von welchem der Apostel bezeugt, dass Er unseren Schwachheiten aufhilft. Ein Toter kann nicht klagen. Wo aber die Liebe Gottes in dem Herzen ist, da ist der Klage viel, wenn man in Not steckt, und es erhebt sich ein Zank der Liebe in Gedanken eher in lautem Schreien, weil man Gottes Wege nicht begreift. Und wo dann die Übermacht des Unglaubens Gott die Ehre Seines Werkes rauben will, und die Gedanken der Hoffnungslosigkeit, rege gemacht durch die Hölle, nur auf Zorn und Verwerfung hinweisen, da hört man, wo nur immer Leben ist, inmitten der Verlorenheit und der tiefsten Klagen das Siegeslied: Jedoch werde ich den Tempel deiner Heiligkeit wiedersehen. So war es auch bei Jona. Obwohl er in der schrecklichsten Lage sich befand, wurde er mit einmal inne, dass er nicht darin umkam, sondern dass er erhalten wurde! Darum sprach er es aus, obschon er nichts sah: Jedoch werde ich wiedersehen den Tempel deiner Heiligkeit. Die Not ist wohl arg, aber dennoch werde ich darnach trachten, dass ich den Tempel deiner Heiligkeit schauen werde. Unter dem Tempel verstand er nun nicht das Zedernhaus zu Jerusalem an und für sich, sondern was der Gläubige darin sah mit Augen des Geistes, denn er sagt: Den Tempel deiner Heiligkeit. Er meinte demnach das wundervolle Gebäude des Heils, welches Gott gebaut hat für Sein Volk. Jona will sagen: Ich will dennoch nicht ablassen zu harren auf dein Heil, welches du aus der Fülle deines Christus mir verheißen hast. So sprach auch Hiob: Sollte Er mich auch töten, so will ich dennoch auf Ihn hoffen. Das Wort ‚Heiligkeit’ – Gottes Heiligkeit – hat für alle, die sich selbst noch heiligen, und wie sie das Wort auch rühmen mögen, etwas Schreckliches, etwas Unausstehliches. Aber in der Not lernt einer die Lieblichkeit und Süßigkeit dieses Wortes. Denn wenn ich ganz unrein bin, freue ich mich, dass der Herr der Heiligkeit genug hat, mich darin zu reinigen. Erst in der Not lernt man es einsehen, dass Gott sich für Seine Heiligkeit ein Haus gegründet und gebaut hat. Dieses Haus ist der ganze Rat Gottes in Christus Jesus zur Seligkeit dessen, was verloren ist. Nach diesem Rat thront die Heiligkeit Gottes auf dem Gnadenstuhl. Und Er teilt Seine Heiligkeit dem Verlorenen mit in dem Blute der Versöhnung, durch den Geist der Gnade in dem Worte von Sündenvergebung. Und wer nur erst einmal etwas von dieser Heiligung gegen seine Unreinigkeit als ein wahrhaftig Verlorener geschmeckt hat, dessen Augen können nicht zurücksehen, sondern in der tiefsten Not lassen sie doch nicht ab, wie auch angefochten, zu hoffen über Hoffnung hinaus – ja zu glauben trotz des Widerspiels: Jedoch werde ich den Tempel seiner Heiligkeit wiedersehen und zu schreien: Lass mich leben, auf dass ich dich lobe, und deine Rechte mir helfen. – Wie wir solches auch in dem 119. Pslam und in dem 42. Psalm ausgesprochen finden.

Dieses: Jedoch werde ich den Tempel deiner Heiligkeit wiedersehen, lautet fast eben so, wie der Apostel Paulus für die ganze Gemeinde angesichts der tiefsten Tiefe des Verderbens und der Verlorenheit sich ausspricht in dem 8. Kapitel seines Briefes an die Römer, wo er die Gewißheit bezeugt, dass uns nichts wird scheiden können von der Liebe Gottes, welche in Christus Jesus ist.

So gibt uns der liebe Prophet Jona in wenigen Worten das ganze Geheimnis des Glaubens zu verstehen. An ihm ist es auch offenbar geworden, dass das Evangelium von Jesus Christus eine Macht Gottes zur Seligkeit ist. Freilich ist es uns in der Not eigen, auch so zu gedenken, wie Luther es in seiner Übersetzung hat: Ich gedachte, ich würde deinen heiligen Tempel nicht mehr sehen. – ‚Ich gedachte, für mich sei keine Errettung, keine Heiligung, kein Heil, Ehre und Durchkommen mehr da; für mich sei es ein Garaus mit der Seligkeit. Ich kann nicht mehr erneuert werden zur Buße, ich habe den Sohn Gottes für Spott gehalten, ich habe zu sehr mutwillig gesündigt und den Geist der Gnade verschmäht; es geht mir wie Esau, ich kann mit allen meinen Tränen den Segen nicht wieder bekommen; ich habe es zu arg gemacht mit meinen Sünden, und Gott kann meiner nicht mehr gedenken! Er hat mich gar verstoßen müssen, darum lässt Er auch alle Seine Wogen und Wellen über mich hergehen! – Ach warum habe ich doch einmal in Seinen heiligen Tempel hineinschauen dürfen, besser wäre es, ich wäre nie geboren, als dass ich in eine solche Lage gekommen bin. Wenn von zweien, beide auf einem Bett liegen oder in derselben Not liegen, einer angenommen wird, so werde ich verworfen. Alle diese Dinge sind wider mich.’

Hingegen haben wir auch an Jona einen Beweis, dass alle Sprache der Hoffnungslosigkeit bei den Kindern Gottes den Geist der Gnade reizt und stachelt, um eben in der verzweifelten Lage Glaube, Hoffnung und Liebe rege zu machen; dass Liebe der Hoffnung, Hoffnung dem Glauben die Handreichung tut, und Liebe, Glaube und Hoffnung sich aufmachen in der Seele, so dass der Bedrückte die Wellen und Wogen nicht ansieht, nicht an der Verheißung Gottes zweifelt, sondern stark wird im Glauben, Gott die Ehre gibt und es aufs allergewisseste weiß: Was Gott verheißt, das kann er auch tun. Und ergriffen von dem lieblichen Evangelium, von dieser Macht Gottes zur Seligkeit, wie auch eingeschlossen und vermauert, und obwohl kein Licht gesehen wird, bricht der Umkommende in das Siegeslied aus: Jedoch werde ich den Tempel deiner Heiligkeit wiedersehen. Denn wo einmal von der Hand Gottes die Verheißung in die Seele gepflanzt und geglaubt wurde: Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar (Psalm 23.6), da wird es auch wohl unerwartet heißen, wenn die Flut heran kommt, und alle Wogen Gottes über einen stürzen: Der Herr hat des Tages verheißen Seine Güte, und des Nachts singe ich Ihm und bete zu dem Gott meines Lebens. Was betrübst du dich meine Seele und bist so unruhig in mir? Harre auf den Herrn, denn ich werde Ihm noch danken, dass Er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist.

Das ist aber ein trefflicher Geist, der sich durch das Widerspiel nicht niederhalten lässt, sondern trotz aller Wogen, Wellen und Fluten Gottes, die über den Elenden hergehen, das ‚jedoch’, das ‚dennoch’ des Glaubens nicht drangibt, auch wenn solche Gedanken ihn bestürmen, dass er von dem Herrn ganz verstoßen sei. Wenn er auch selbst erschrecken möchte vor solchem Mut, sich so auszusprechen, er wird es wohl erfahren, dass ein solches ‚jedoch’ stehen bleiben wird, wie auch Hiob es erfuhr, da er, obschon auf dem Aschenhaufen, es ausrief mitten in seinen Schmerzen: Ich weiß, daß mein Erlöser lebt!