DIE DORDRECHTER LEHRSÄTZE

Erstes Lehrstück der Dordrechter Lehrsätze - Verwerfung der Irrtümer

 

Die Verwerfung der Irrtümer, durch welche die niederländischen Kirchen eine zeitlang beunruhigt wurden

Nach Darlegung der rechtgläubigen Lehre von der Erwählung und Verwerfung verwirft die Synode die Irrtümer derer:

 

1.

Die lehren: „Der Wille Gottes, diejenigen, welche glauben und im Glauben und Gehorsam des Glaubens beharren würden, selig zu machen, sei der ganze und vollständige Ratschluss der Erwählung zur Seligkeit, und es sei nichts anderes über diesen Ratschluss im Worte Gottes geoffenbaret.“ – Denn diese betrügen die Einfaltigen und widersprechen offenbar der Heiligen Schrift, welche bezeugt, dass Gott nicht nur die, welche glauben würden, selig machen wolle, sondern dass Er auch bestimmte Menschen von Ewigkeit her erwählt hat, die Er vor anderen in der Zeit mit dem Glauben an Christum und der Beharrlichkeit in demselben beschenken wolle; wie geschrieben steht: Ich habe deinen Namen geoffenbaret den Menschen, die du mir von der Welt gegeben hast (Joh. 17.6) Und: Es wurden gläubig, wie viele ihrer zum ewigen Leben verordnet waren (Apg. 13.48). Und: Er hat uns erwählet in Ihm, ehe der Welt Grund gelegt war, dass wir sollten heilig sein usw. (Eph. 1.4).

 

2.

Die lehren: „Die Erwählung Gottes zum ewigen Leben sei mehrfach: die eine allgemein und unbestimmt, die andere eine besondere und bestimmte, und diese wiederum entweder unvollständig, widerruflich, nicht entscheidend und unbedingt.“ Ebenso: „Es gebe eine Erwählung zum Glauben und eine andere zur Seligkeit, so dass die Erwählung zum rechtfertigenden Glauben ohne die entscheidende Erwählung zur Seligkeit stattfinden könne.“ – Denn dies ist eine Erdichtung des menschlichen Gehirns, unabhängig von der Schrift ersonnen, welche die Lehre von der Erwählung verdirbt und diese goldene Kette unserer Seligkeit löst: Welche er zuvor verordnet hat, die hat er auch berufen, welche er aber berufen hat, die hat er auch gerecht gemacht; welche er aber gerecht gemacht hat, die hat er auch herrlich gemacht (Röm. 8.30).

 

3.

Die lehren: „Gottes Wohlgefallen und Vorsatz, von welchem die Schrift bei der Lehre von der Erwählung redet, bestehe nicht darin, dass Gott bestimmte Menschen von anderen auserwählet habe, sondern darin, dass Gott aus allen möglichen Bedingungen (unter denen auch die Gesetzeswerke sind) oder aus der ganzen Reihe aller Dinge die an sich geringe Tat des Glaubens und den unvollkommenen Gehorsam des Glaubens zur Bedingung der Seligkeit auserwählt habe, welchen Er aus Gnaden für eine vollkommenen Gehorsam halten und der Belohnung des ewigen Lebens für wert erachten wolle.“ – Denn durch diesen verderblichen Irrtum wird das Wohlgefallen Gottes und das Verdienst Christi seiner Kraft beraubt, und die Leute werden durch unnütze Fragen von der Einfalt der Schrift abgebracht, und jene Worte des Apostels der Unrichtigkeit geziehen: Gott hat uns berufen mit einem heiligen Ruf, nicht nach unseren Werken, sondern nach seinem Vorsatz und Gnade, die uns gegeben ist in Christo Jesu vor der Zeit der Welt (1. Tim. 1.9).

 

4.

Die lehren: „Bei der Erwählung zum Glauben werde als Bedingung vorher verlangt, dass der Mensch das Licht der Natur recht gebrauche, fromm, gebeugt, demütig und zum ewigen Leben geeignet sei, als ob davon die Erwählung gewissermaßen abhinge.“ – Denn dies riecht nach der Lehre des Pelagius und widerstreitet der Lehre des Apostels, der da schreibt: Wir haben weiland unsern Wandel gehabt in den Lüsten unseres Fleisches und taten den Willen des Fleisches und der Vernunft und waren auch Kinder des Zorns von Natur, gleichwie auch die anderen. Aber Gott, der da reich ist an Barmherzigkeit, hat uns durch seine große Liebe, damit er uns geliebt hat, da wir tot waren in den Sünden, samt Christo lebendig gemacht – denn aus Gnaden seid ihr selig geworden – und hat uns samt ihm auferwecket und samt ihm in das himmlische Wesen versetzt, in Christo Jesu, auf dass er erzeigte in den zukünftigen Zeiten den überschwänglichen Reichtum seiner Gnade durch seine Güte über uns in Christo Jesu. Denn aus Gnaden seid ihr selig geworden durch den Glauben – und dasselbe nicht aus euch: Gottes Gabe ist es, nicht aus den Werken, auf dass sich nicht jemand rühme (Eph. 2.3-9).

 

5.

Die lehren: „Die unvollständige und nicht entscheidende Erwählung bestimmter Personen zur Seligkeit sei geschehen wegen vorhergesehenen Glaubens, vorhergesehener Bekehrung, Heiligkeit oder Gottseligkeit, sei es, dass dies alles erst angefangen habe oder auch schon eine Zeitlang gewährt habe; die vollständige und entscheidende Erwählung aber wegen der vorhergesehenen, bis zum Ende andauernden Beharrlichkeit im Glauben, in der Bekehrung, Heiligkeit und Gottseligkeit: und dies sei die durch Gnade erlangte evangelische Würdigkeit, um derentwillen derjenige, der erwählte werde sei würdiger als der, der nicht erwählt werde. So seien also der Glaube, der Gehorsam des Glaubens, die Heiligkeit, Gottseligkeit und Beharrlichkeit nicht Früchte der unveränderlichen Erwählung zur Herrlichkeit, sondern vorausverlangte und als vollbracht vorhergesehene Bedingungen in denen, die entscheidend erwählt werden sollen, und Ursachen ohne welche die unveränderliche Erwählung zurHerrlichkeit nicht stattfindet.“ – Dies widerstreitet der ganzen Schrift, welche diese und ähnliche Ansprüche uns immer wieder zu hören und zu beherzigen gibt: Die Erwählung ist nicht aus Verdienst der Werke, sondern aus Gnaden des Berufers (Röm. 9.12). Es glaubten ihrer so viele, als zum ewigen Leben verordnet waren (Apg. 13.48). Er hat uns erwählet in Ihm, auf dass wir heilig seien (Eph. 1.4). Ihr habt mich nicht erwählet, sondern ich habe euch erwählet (Joh. 15.16). Ist es aus Gnaden, so ist es nicht aus Verdienst der Werke (Röm. 11.6). Darinnen stehet die Liebe nicht, dass wir Gott geliebt haben sondern dass er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn (1.Joh. 4.10).

 

6.

Die lehren: „Nicht jede Erwählung zur Seligkeit sei unabänderlich, sondern einige Erwählte könnten, ohne dass ein Beschluss Gottes dem entgegenstände, verloren gehen, und gingen auch ewig verloren.“ – Durch diesen groben Irrtum machen sie Gott veränderlich und stoßen den Trost der Frommen um, den sie aus der Festigkeit ihrer Erwählung schöpfen. Sie widersprechen auch der Heiligen Schrift, welche lehrt: Dass die Auserwählten nicht können verführet werden (Matth. 24.24); dass Christus diejenigen, die ihm vom Vater gegeben sind, nicht verliert (Joh. 6.39); und dass Gott diejenigen, die er zuvor verordnet, berufen und gerecht gemacht hat, auch herrlich gemacht hat (Röm. 8.30).

 

7.

Die lehren: „Es gebe in diesem Leben keine Furcht, kein Gefühl von der unveränderlichen Erwählung zur Herrlichkeit, auch keine Gewissheit als die, welche abhängig sei von einer veränderlichen und gewissen Bedingung.“ – Denn abgesehen davon, dass es sinnwidrig ist, eine ungewisse Gewissheit anzunehmen, so widerstreitet dies auch der Erfahrung der Heiligen, welche Kraft des Gefühles ihrer Erwählung mit dem Apostel frohlocken und diese Wohltat Gottes rühmen (Eph. 1), die nach der Ermahnung Christi sich freuen mit den Jüngern, dass ihre Namen im Himmel angeschrieben sind (Luk. 10, 20), welche endlich das Gefühl ihrer Erwählung den feurigen Geschossen der Versuchungen des Teufels entgegenstellen, indem sie fragen: Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? (Röm. 8.33).

 

8.

Die lehren: „Gott habe über niemanden, einzig Kraft seines gerechten Willens, beschlossen, ihn in dem Falle Adams und in dem allgemeinen Zustande der Sünde und der Verdammnis zu belassen, oder bei der Mitteilung der zum Glauben und zur Bekehrung notwendigen Gnade zu übergehen.“ – Denn das steht fest: Er erbarmet sich, welcher er will und verstocket, wen er will (Röm. 9.18). Und: Euch ist gegeben, das ihr das Geheimnis des Himmelreichs vernehmet; diesen aber ist es nicht gegeben (Matth. 13.11). Ebenso: Ich preise dich, Vater und Herr des Himmels und der Erde, dass du solches den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen geoffenbart. Ja Vater; denn es ist also wohlgefällig gewesen vor dir (Matth. 11.25 – 26).

 

9.

Die lehren: „Die Ursache, weshalb Gott eher zu diesem als zu einem anderen Volke das Evangelium schicke, sei nicht, das ein Volk besser und würdiger sei als das andere, dem das Evangelium nicht mitgeteilt werde.“ – Denn das verneint Moses, indem er das israelitische Volk so anredet: Siehe der Himmel und aller Himmel Himmel, die Erde und alles, was drinnen ist, das ist des Herrn, deines Gottes. Noch hat er alleine zu deinen Vätern Lust gehabt, dass er sie liebte, und hat ihren Samen erwählet nach ihnen, euch, über alle Völker, wie es heutigen Tages stehet (5.Mose 10.14 – 15). Und Christus: Wehe dir, Chorazin! Wehe dir, Bethsaida! Wären solche Taten zu Tyrus und Sidon geschehen, als bei euch geschehen sind, sie hätten vor Zeiten im Sack und in der Asche Buße getan (Matth. 11.21).