DIE DORDRECHTER LEHRSÄTZE

Fünftes Lehrstück der Dordrechter Lehrsätze - Artikel 10 - 15

 

Artikel 10

Demzufolge entsteht diese Gewissheit nicht aus irgendeiner besonderen Offenbarung, ohne oder außer dem Worte Gottes ergangen, sondern aus dem Glauben an die Verheißungen Gottes, die er in seinem Worte so reichlich zu unserem Troste offenbart hat, aus dem ihr Zeugnis des Heiligen Geistes, der unserem Geiste Zeugnis gibt, dass wir Gottes Kinder und Erben sind (Röm. 8.16 – 17), und endlich aus dem ernsten und heiligen Streben nach einem guten Gewissen und guten Werken. Und wenn die Auserwählten Gottes diesen festen Trost, dass sie den Sieg behalten werden, wie auch dies untrügliche Unterpfand der ewigen Herrlichkeit in dieser Welt nicht hätten, so wären sie die elendsten unter allen Menschen.

 

Artikel 11

Indessen bezeugt die Schrift, dass die Gläubigen in diesem Leben mit verschiedenen Zweifeln des Fleisches kämpfen und dass sie, schweren Anfechtungen ausgesetzt, diese völlige Zuversicht des Glaubens und Gewissheit der Beharrung nicht immer empfinden. Aber Gott, der Vater allen Trostes, lässt sie nicht über ihr Vermögen versucht werden, sondern gibt mit der Versuchung auch die Errettung (1.Kor. 10.13) und erweckt in ihnen durch den Heiligen Geist wieder die Gewissheit der Beharrung.

 

Artikel 12

Diese Gewissheit der Beharrung ist aber so weit davon entfernt, die wahren Gläubigen stolz und fleischlich sicher zu machen, dass sie im Gegenteil eine rechte Wurzel der Demut, kindlichen Furcht, wahrer Gottseligkeit, der Geduld in allem Streit, inbrünstiger Gebete, der Standhaftigkeit im Kreuz und im Bekennen der Wahrheit, wie auch einer beständigen Freude in Gott ist. Und die Betrachtung dieser Wohltat ist ihnen ein Ansporn zu ernsthafter und fortwährender Übung in der Dankbarkeit und in  guten Werken, wie aus den Zeugnissen der Schrift und den Beispielen der Heiligen hervorgeht.

 

Artikel 13

Auch wenn die Zuversicht der Beharrung wieder lebendig wird in denen, die vom Fall wieder aufgerichtet werden, so erzeugt dies in ihnen keinerlei Übermut oder ein Nachlassen in der Gottseligkeit, sondern eine weit größere Sorge, die Wege des Herrn, die zuvor bereitet sind, mit Fleiß zu beobachten, damit sie – darin wandelnd –  die Gewissheit ihrer Beharrung behalten mögen und damit das Antlitz des versöhnten Gottes (dessen Anschauung den Gottesfürchtigen lieber denn das Leben, und dessen Entziehung ihnen bitterer ist denn der Tod) wegen des Missbrauchs seiner väterlichen Güte sich nicht wieder von ihnen abwende und sie so in größere Seelenqualen verfallen.

 

Artikel 14

Wie es aber Gott gefallen hat, das Werk seiner Gnade durch die Predigt des Evangeliums in uns zu beginnen, so erhält, begleitet und vollendet Er es durch das Hören, Lesen und Betrachten desselben, wie auch durch Ermahnungen, Drohungen und Verheißungen und durch den Gebrauch der heiligen Sakramente.

 

Artikel 15

Dieser Lehre von der Beharrung der wahren Gläubigen und Heiligen, wie auch von der Gewissheit dieser Beharrung, welche Gott zu seines Namens Ehre und zum Trost der gottesfürchtigen Seelen in seinem Wort überreichlich offenbart hat und den Herzen der Gläubigen einprägt, lässt sich vom Fleisch nicht begreifen, wird vom Satan gehasst, von der Welt bespottet, von den Unerfahrenen und Heuchlern missbraucht, und von den Schwärmern bekämpft – aber die Braut Christi hat sie zu aller Zeit als einen Schatz von unvergleichlichem Wert aufs zärtlichste geliebt und standhaft verteidigt. Und dass sie dies auch hinfort tue, dafür wird Gott sorgen, gegen den kein Rat gilt und keine Gewalt etwas vermag. Ihm, dem einigen Gott, Vater, Sohn und Heiligen Geist, sei Ehre und Herrlichkeit in Ewigkeit, Amen.