RÖMER

Römer Kapitel 10 Teil IV

Römer 10.14-17

Wie sollen sie aber den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger? Wie sollen sie aber predigen, wo sie nicht gesandt werden? Wie denn geschrieben steht: „Wie lieblich sind die Füße derer, die den Frieden verkündigen, die das Gute verkündigen!“ Aber sie sind nicht alle dem Evangelium gehorsam. Denn Jesaja spricht: „Herr, wer glaubt unserm Predigen?“ So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Gottes.

 

Dass Gott den Heiden das Heil zugedacht hat, beweist Paulus dadurch, dass sein eignes Predigtamt unter ihnen Frucht schaffte. Der Gedanke schreitet Stufe für Stufe vorwärts: Heiden und Juden offenbaren ihren Glauben damit, dass sie den Namen des Herrn anrufen. Denn niemand wird dies tun, wenn er nicht die rechte Erkenntnis Gottes besitzt. Solche Erkenntnis oder solcher Glaube erwächst aus dem Wort Gottes. Und wiederum lässt Gott sein Wort nur predigen, wo Sein besonderer Rat und Seine Vorsehung es haben will. Also wo man Gott anruft, da ist Glaube. Wo die Frucht des Glaubens wächst, da ward zuvor die Saat des Wortes ausgestreut. Wo das Wort erschallt, da ist Gottes Berufung. Und wo diese Berufung sich wirksam und fruchtbar zeigt, haben wir ein helles und zweifelloses Zeugnis von Gottes Gnade. Demgemäß steht fest, dass die Heiden in Gottes Reich gehören, da ihnen ja Gott die Tür des Heils aufgetan hat. Ihr Glaube ruht auf der Predigt des Evangeliums, die Predigt ruht auf Gottes Sendung; und damit wollte Gott ihre Seligkeit schaffen. Nunmehr können wir zur Betrachtung der einzelnen Stücke übergehen.

Wie sollen sie aber den anrufen, an den sie nicht glauben? – Anrufung Gottes und Glaube gehören unzertrennlich zusammen. Wer Gott anruft, flieht damit zum einzigen Hafen seines Heils, will wie ein Kind im Schoße des besten und liebsten Vaters sich bergen, sucht unter Seiner Obhut eine Schutz, bei Seiner Verzeihung und Liebe eine Ruhestätte, bei Seiner Güte eine Hilfe, bei Seiner Kraft eine Stütze. Das kann aber niemand, er hätte denn zuvor in seinem Gemüt eine feste Zuversicht zu Gottes Gnade gefasst, so dass er nun wagt, von Ihm etwas zu bitten und zu hoffen. Wer Gott anruft, muss gewisslich glauben, dass bei Ihm seine Hilfe steht. Natürlich denkt Paulus hier nur an eine solche Anrufung, welche dem Herrn wohlgefällig ist. Denn auch die Heuchler rufen Gottes Namen an, aber nicht zu ihrem Heil, weil sie es ohne Glauben tun. Hier aber handelt es sich nicht um ungewisse Ahnungen und Vermutungen, sondern um eine völlige Gewissheit über Gottes Gnade, welche das Gemüt aus dem Evangelium schöpft, mit welchem Gott uns die Versöhnung und Kindschaft anbietet. Ohne diese Gewissheit kann man nicht richtig beten, ohne sie steht der Zugang zu Gott nicht offen (Epheser 3.12). Umgekehrt ergibt sich auch der Schluss: Der Glaube ist erst echt, wenn er zur Anrufung Gottes wird. Wer Gottes Güte wirklich geschmeckt hat, kann nicht anders, als mit allen seinen Anliegen stetig zu Ihm kommen.

Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger? – Solange nicht Gottes Gnadenzusage uns den Mund zum Gebet öffnet, müssen wir stumm bleiben. Diese Ordnung enthüllt auch das Prophetenwort (Sacharja 13.9): „Ich will sagen: Es ist mein Volk; und sie werden sagen: Herr, mein Gott!“ Wir selbst können uns keinen gnädigen Gott machen, wenn es uns beliebt. Nur die Erkenntnis, welche Er uns in Seinem Worte erschließt, ist zuverlässig und echt. Solange bloß unsere eignen Gedanken Gott für gut halten möchten, entsteht kein fester und ungezweifelter Glaube, sondern nur eine unsichere und schwankende Einbildung. Zur rechten Erkenntnis Gottes bedürfen wir Seines Wortes. Unter diesem Worte versteht der Apostel die mündliche Predigt des Evangeliums: Sie ist das Mittel, durch welches Gott Seine Erkenntnis mitzuteilen beschlossen hat. Wollte aber jemand daraus schließen, dass Gott den Menschen diese Erkenntnis überhaupt auf eine andere Weise nicht mitteilen könne, so wäre dies nicht im Sinne des Apostels: Paulus wollte hier lediglich die ordentliche Weise ins Auge fassen, wie Gott Gnade austeilt, nicht aber Seiner Gnade ein Gesetz vorschreiben.

Wie sollen sie aber predigen, wo sie nicht gesandt werden? – Wo Gott irgendein Volk der Predigt Seines Evangeliums würdigt, da ist dies ein Zeichen und Unterpfand Seiner Liebe. Denn es würde keinen Prediger des Evangeliums geben, wenn Gottes besondere Vorsehung ihn nicht erweckt hätte. So will ohne Zweifel Gottes Gnade das Volk heimsuchen, welchem Er das Evangelium predigen lässt.

Wie denn geschrieben steht: „Wie lieblich sind die Füße derer, die den Frieden verkündigen, die das Gute verkündigen!“ – Das Wort, welches der Apostel hier aus Jesaja 52.7 anführt, handelt in seinem ursprünglichen Zusammenhang von der Befreiungshoffnung des Volkes Israel: Solcher Freudenruf klingt den Boten entgegen, welche die frohe Kunde von der Befreiung aus der Gefangenschaft bringen. Darin liegt aber doch, dass das apostolische Predigtamt keine geringere Würde besitzt, bringt es uns doch die Kunde vom ewigen Leben. Daraus folgt, dass es von Gott stammen muss. Denn alles Gute und Lobenswerte in der Welt hat seinen Ursprung aus Gott. Wie lieb und wert muss uns also die Predigt des Evangeliums sein, welcher der Mund Gottes ein solches Zeugnis gibt! Die Füße derer, die den Frieden verkündigen bezeichnen die Ankunft jener Boten.

Aber sie sind nicht alle dem Evangelium gehorsam. – Dieser Vers gehört nicht zu der bisherigen Gedankenkette, sondern bildet eine Nebenbemerkung. Paulus will damit der falschen Annahme zuvorkommen, als ob überall das Wort den Glauben mit sich bringe. Diese Annahme schien ja nahe zu liegen, weil wir hörten, das Wort sei die regelmäßige und ordentliche Grundlage des Glaubens und gehe diesem voraus, wie der Same der sprießenden Saat. Würde nun der Glaube notwendig aus dem Wort folgen, so hätte sich Israel wohl rühmen mögen, denn das Wort hatte es stets besessen. Also musste der Apostel im Vorbeigehen auch die Tatsache anrühren, dass viele äußerlich berufen werden, welche doch nicht zu den Auserwählten gehören (Matthäus 22.14). Dabei führt er eine Stelle aus Jesaja 53.1 an, wo der Prophet soeben beginnen wollte, seine herrliche Weissagung über Christi Tod und Königreich auszusprechen, wo ihm aber zuvor im Geiste klar ward, wie wenige daran gläubig sein werden: „Herr, wer glaubt unserm Predigen?“ Und der Prophet hat auch alsbald den Grund angeführt, weshalb so wenige glauben: „Wem wird der Arm des Herrn offenbart?“ Damit will er zu verstehen geben, dass das Wort nur Frucht schafft, wo Gott mit dem Lichte Seines Geistes die Herzen erleuchtet. So steht hinter dem äußeren, von Menschen gepredigten Worte die innere Berufung: Sie allein ist wirksam; selbstverständlich beschränkt sie sich auf die Auserwählten. Daraus lässt sich abnehmen, wie ungereimt die Rede ist, dass alle Menschen ohne Unterschied auserwählt seien. Man glaubt diese Ansicht daraus ableiten zu dürfen, dass die Heilslehre eine allumfassende ist und dass Gott unterschiedslos alle Menschen zu sich einlädt. Aber die allgemeine äußere Predigt an sich schafft noch nicht das Heil; dazu gehört vielmehr noch jene besondere Offenbarung an die Auserwählten, an welche der Prophet erinnert.

So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Gottes. – Jetzt folgt der eigentliche Schluss, welchen der Apostel ziehen will. Und der ganze Beweis zielt darauf, dass, wo Glaube ist, Gott eben damit ein Zeichen Seiner Erwählung gegeben hat. Hat nun Gott solche Gnadengabe des Glaubens vermittelst der Predigt des Evangeliums verliehen, und hat der Glaube jene Anrufung des Namens Gottes geschenkt, in der nach Gottes Verheißung alle das Heil finden sollen (vergleiche Vers 12), so hat Er damit das Zeichen gegeben, dass die Heiden an der Erbschaft des ewigen Lebens teilhaben sollen. Wir haben hier übrigens eine sehr bemerkenswerte Aussage über die Kraft der Predigt, den Glauben zu wirken. Freilich haben wir soeben gehört, dass die Predigt an sich nichts ausrichten kann; aber wo es Gott gefällt, durch sie zu wirken, da ist sie ein Werkzeug Seiner Macht. Menschenwort würde vermöge eigner Kraft nicht bis in die Seele dringen, und man würde einem sterblichen Menschen zu viel Ehre geben, wenn man sagen wollte, er könne unsere Wiedergeburt vollbringen. Das Licht des Glaubens ist ein höheres Gut, als dass Menschen es zu verleihen vermöchten. Aber das alles hindert nicht, dass Gott eines Menschen Stimme als wirksames Mittel gebraucht, um durch dessen Dienst Glauben in uns zu schaffen. Dabei müssen wir merken, dass nur Gottes Lehre Glauben begründet. Denn Paulus sagt nicht, dass aus jeglicher Lehre Glaube erwächst, sondern beschränkt seine Aussage ausdrücklich auf das Wort Gottes. Diese Einschränkung wäre ja überflüssig, wenn der Glaube auf Menschenfündlein ausruhen könnte. Wenn wir Gewissheit des Glaubens suchen, müssen wir alle Menschengedichte fahren lassen.