RÖMER

Römer Kapitel 8 Teil XI

Römer 8.35-37

Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Fährlichkeit oder Schwert? wie geschrieben steht: „Um deinetwillen werden wir getötet den ganzen Tag; wir sind geachtet wie Schlachtschafe.“ Aber in dem allem überwinden wir weit um deswillen, der uns geliebt hat.

 

Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes? – Nun überträgt sich die Gewissheit des Heils auch auf das irdische Leben. Denn wer gewiss sein darf, in Gottes Gnade geborgen zu sein, kann unter dem schwersten Druck aufrecht stehen. Nur darum ist ja das Unglück für die Menschen eine so entsetzliche Qual, weil sie nicht daran denken, dass Gottes Vorsehung es ihnen schickt oder weil sie es für ein Anzeichen des göttlichen Zornes halten, oder weil sie glauben, von Gott verlassen zu sein, oder weil sie kein gutes Ende absehen oder weil sie nicht nach einem besseren Leben trachten usw. Lässt aber die Seele alle solche Verkehrtheiten fahren, so wird bald Ruhe und Friede bei ihr einkehren. Paulus will also sagen: Mag geschehen was will, so sollen wir in diesem Glauben feststehen, dass der Gott, der uns einmal Seine Liebe zugewandt hat, nie aufhören wird für uns zu sorgen. Dabei heißt es nicht einfache: Es gibt nichts, was Gott von Seiner Liebe zu uns abbringen könnte. Nein, Er will, dass die lebendige Empfindung Seiner Liebe in uns solche Kraft habe, dass sie in aller Finsternis der Trübsal als ein helles Licht Bestand behält. Wie der Nebel uns den klaren Anblick der Sonne entzieht, aber uns doch des Sonnenlichtes nicht ganz beraubt, so sendet Gott in Widerwärtigkeiten mitten durch das Dunkel die Strahlen Seiner Gnade, damit die Anfechtung uns nicht in Verzweiflung stürze. Ja, unser Glaube hat gewissermaßen Gottes Verheißungen zu Flügeln zu nehmen und soll so durch allen Widerstand aufwärts bis in den Himmel dringen. Das Unglück, an sich betrachtet, ist gewiss ein Anzeichen des Zornes Gottes, aber wenn wir Verzeihung und Versöhnung empfangen haben, wird Gott ohne Zweifel Seiner Gnade nicht vergessen, auch wenn Er uns züchtigt. Er erinnert uns durch die Trübsal daran, was wir wohl verdient hätten, aber Er zeigt doch zugleich, dass Er für unsere Seligkeit besorgt ist, indem Er uns zur Buße leitet.

Der Apostel redet von der Liebe Christi, weil in Ihm der Vater uns Sein Herz erschlossen hat. Außer Christus ist die Liebe Gottes nicht zu suchen. Darum führt uns der Apostel an die rechte Quelle: In den Strahlen der Gnade Christi soll unser Glaube das freundliche Angesicht des Vaters schauen. Die Hauptsache ist also, dass in keinerlei Unglück der Glaube erschüttert werden kann: Ist Gott uns gnädig, so ist uns nichts zuwider! – Einige Ausleger verstehen unter der „Liebe Christi“ unsere Liebe zu Christus; sie meinen also, Paulus wollte uns hier zu unüberwindlicher Tapferkeit anspornen. Aber der Zusammenhang macht dies Hirngespinst zunichte, und bald beseitigt Paulus jeden Anstoß, indem er noch deutlicher zeigt, was diese Liebe ist.

Trübsal oder Angst oder Verfolgung. – Lauter unpersönliche Dinge, und doch hatte vorher die Frage persönlich gelautet: Wer (nicht was) will uns scheiden? Diese Redeweise birgt einen eignen Nachdruck. Die Dinge, die wider uns stehen, werden gewissermaßen Personen: Soviel Anfechtungen sich wider unsern Glauben erheben, soviel starke Helden wappnen sich gegen uns. Übrigens unterscheiden sich die drei genannten Stücke folgendermaßen: „Trübsal“ sind alle Beschwerden und Mühen. „Angst“ dagegen ist ein inneres Leiden, das quälende Gefühl der vollendeten Ratlosigkeit. Solche Angst war es zum Beispiel, welche den Abraham dazu trieb, sein Weib, den Lot dazu brachte, seine Töchter preiszugeben (1. Mose 12.11 ff., 19.8): denn sie sahen in der Verwirrung und Not keinen andern Ausweg. „Verfolgung“ ist die tyrannische Gewalt, welche die Gottlosen den Kindern Gottes ungerechterweise antun.

Wie geschrieben steht. – Dieses Schriftzitat aus Psalm 44 ist keineswegs überflüssig, sondern sehr treffend: Es gibt uns zu verstehen, dass solche Schrecken des Todes uns nichts Überraschendes sein dürfen, denn es ist überall das Geschick der Knechte Gottes, dass sie den Tod immer vor Augen haben müssen. Damit streitet nicht, wenn die bedrängten Heiligen in jenem Psalm darüber klagen, dass eine ganz ungewöhnliche und unerhörte Verfolgung sie bedrückt. Denn dieselben Heiligen bezeugen auch, dass alle diese Leiden sie unschuldig treffen (Psalm 44.18 ff.). Daraus ergibt sich doch der Schluss, dass es uns nicht überraschen darf, wenn Gott Seine Heiligen ohne ihre Schuld der Wut der Gottlosen ausliefert. Es geschieht dies aber ohne Zweifel zu ihrem Besten. Denn die Schrift lehrt, dass es nicht die Weise des gerechten Gottes ist, den Gerechten mit dem Gottlosen zu töten (1. Mose 18. 25), sondern dass es vielmehr bei Gott recht ist, zu vergelten Trübsal denen, die Trübsal auferlegen, denen aber, die Trübsal leiden, Ruhe zu geben (2. Thessalonicher 1.6-7). Und des Weiteren sagen die Heiligen im Psalmspruch: Um deinetwillen – also sie leiden für den Herrn. Christus aber preist selig, die um der Gerechtigkeit willen leiden (Matthäus 5.10). Die Wendung: Wir werden getötet will sagen, dass der Tod ihnen fortwährend droht, so dass dies Leben schon fast dem Tode gleichkommt.

Aber in dem allem überwinden wir weit um deswillen, der uns geliebt hat. – Das heißt, wir siegen ob im Streit und tauchen empor aus der Flut. Es geschieht ja zuweilen, dass die Gläubigen zu unterliegen und ganz zerschmettert zu Boden zu sinken scheinen. Denn Gott schickt ihnen nicht bloß Übungen, sondern tiefe Demütigungen. Aber der Ausgang bleibt immer, dass sie den Sieg gewinnen. Woher diese unbesiegliche Kraft stammt, sagen die Worte: Um deswillen, der uns geliebt hat. Die Liebe Christi, in welcher Gottes väterliches Erbarmen zur Erscheinung kommt, prägt sich so tief in unsere Herzen ein, dass sie uns aus der Unterwelt ans Licht des Lebens zieht und mit ihrer unverzehrbaren Kraft uns stetig aufrecht hält. Hier wird nun (vergleich Vers 35) völlig deutlich, dass der Apostel nicht von der Liebe redet, die uns hinreißt, Gott zu lieben. sondern von Gottes bzw. Christi Liebe zu uns.