RÖMER

Römer Kapitel 8 Teil X

Römer 8.31-34

Was sollen wir nun hierzu sagen? Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein? Welcher auch seines eigenen Sohnes nicht hat verschont, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben, wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der da gerecht macht. Wer will verdammen? Christus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferweckt ist, welcher ist zur Rechten Gottes und vertritt uns.

 

Was sollen wir nun hierzu sagen? – Jetzt ist die zur Verhandlung stehende Frage vollständig erörtert. Da drängen sich dem Apostel Freudenrufe auf die Lippen. Solche Geistesgröße ziemt den Frommen, wenn Widrigkeiten sie zur Verzweiflung treiben wollen! Hier lässt sich lernen, dass der Glaube an Gottes Gnade eine unbesiegliche Tapferkeit verleiht, welche alle Anfechtungen überwindet. Bilden sich die Menschen ihr Urteil über Gottes Liebe oder Hass gewöhnlich nur nach dem Befunde ihrer gegenwärtigen Erfahrungen, werden sie also im Unglück von Traurigkeit erfüllt und verlieren alle Zuversicht und jeden Trost, so erhebt Paulus dagegen seine Stimme: Höher empor! Es ergeben sich verkehrte Folgerungen, wenn wir unsere Gedanken bei dem Schauspiel des gegenwärtigen traurigen Kampfes verweilen lassen. Mag man mit Recht Gottes Züchtigungen sonst als Zeichen seines Zorns betrachten, weil aber Christus alles in Segen wandelt, darum sollen die Gläubigen doch vor allem andern Gottes Liebe darin greifen. Durch diesen Schild gedeckt, werden sie aller Übel spotten. Hier ist unsere eherne Mauer: Ist Gott uns gnädig, so sind wir gegen alle Gefahren geschützt. Dabei sagt der Apostel nicht, dass kein Übel uns treffen werde, aber er verheißt uns den Sieg über jeglichen Feind.

Ist Gott für uns. – Das ist die wesentlichste, ja die einzige Stütze, die uns in jeder Versuchung aufrechterhält. Denn wenn wir keinen gnädigen Gott haben, so kann uns das größte Glück nicht zu fröhlicher Zuversicht verhelfen. Dagegen ist Gottes Gnade ein unerschöpflicher Trost in aller Trübsal, ein starker Schutz, der jedes Ungewitter aushält. Zahlreiche Sprüche der Schrift zeugen von diesem kühnen Vertrauen der Heiligen allein auf Gottes Kraft, welches ihnen Mut gibt, alles Widerstandes dieser Welt zu spotten. Psalm 23.4: „Ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir.“ Psalm 56.5: „Auf Gott will ich hoffen, und mich nicht fürchten; was sollte mir Fleisch tun?“ Psalm 3.7: „Ich fürchte mich nicht vor viel Tausenden, die sich umher wider mich legen.“ Dazu viele andere Sprüche mehr. Es gibt ja keine Macht im Himmel und auf Erden, welche dem Arm des Herrn widerstehen könnte. Darum, wenn Gott für uns kämpft, so zittern wir vor keinem Angriff. Das eigentliche Zeichen wahren Gottvertrauens ist, dass wir, zufrieden mit Seinem Schutze, nichts fürchten und nie den Mut verlieren. Erschüttert mag der Mut der Gläubigen oft werden, aber nie gebrochen. Alles in allem: Der Apostel will uns einprägen, dass ein gläubiger Sinn sich am inneren Zeugnis des Heiligen Geistes aufrichtet und nicht von äußeren Widerfahrnissen abhängig macht.

Welcher auch seines eigenen Sohnes nicht hat verschont. – Weil der Apostel uns eine völlige Liebe zu Gott und ein unerschütterliches Zutrauen zu seiner väterlichen Barmherzigkeit einflößen will, erinnert er an den Preis unserer Erlösung. So muss es ja wohl feststehen, dass wir einen gnädigen Gott haben. Welch einziger und leuchtender Beweis unermesslicher Liebe, dass Gott sich nicht bedacht hat, seinen Sohn für unser Heil zu opfern! Und hat Gott dies Teuerste, Kostbarste und Größte dahingegeben -, sollten wir nicht das viel Geringere von ihm erwarten dürfen, dass er auch in allen großen und kleinen Anliegen des Lebens für uns sorgt? Dieser Spruch stellt uns den ganzen Reichtum vor die Seele, welchen unser Herr Christus mit sich führt. Er ist das Unterpfand der unergründlichen Liebe Gottes gegen uns: darum hat ihn Gott nicht bloß und leer zu uns gesandt, sondern beladen mit allen Schätzen des Himmels. Wer ihn hat, dem wird nichts an seinem Glücke fehlen. Dahingegeben hat aber Gott seinen Sohn, nämlich in den Tod.

Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? – Der entscheidende Grund, auf welchem Geduld und Sicherheit in allen Widerwärtigkeiten des Lebens ruht, ist die Gewissheit des Heils. Diesen Grund festzulegen schickt sich der Apostel nunmehr an, um die Gläubigen wider alle Fährlichkeit zu rüsten. Nun stürmen gegen unser Heil zuerst allerlei Anklagen an, und dann wird es durch die nachfolgende Verurteilung vollends vernichtet. Deshalb wendet sich die Rede zuerst gegen die gefährlichen Anklagen. Sie stellt uns vor Gottes Gericht; spricht Er uns nun frei, so haftet keine Anklage mehr. – Übrigens zeigt unsere Stelle mit unwidersprechlicher Klarheit, dass im Sinne des Paulus Gott die Sünder „gerecht macht“, wenn Er sie mit richterlichem Urteil freispricht und für gerecht erklärt. Denn dieses „gerecht sprechen“ ist hier der Gegensatz zum „verdammen“ (Vers 34). Gott schlägt also alle Anklagen wider uns nieder, weil Er uns von der Schuld freispricht. Der Teufel, ja auch Gottes Gesetz und unser eigenes Gewissen klagen uns an; aber vor dem Richter, der uns freispricht, wird uns das alles nichts schaden. Kein Widersacher kann unser Heil in Frage stellen, geschweige denn uns völlig rauben. Dabei redet Paulus von den „Auserwählten Gottes“. Seine Leser sollen nicht zweifeln, dass sie zur Zahl dieser Auserwählten gehören. Das gehört zum Inhalt des Glaubens, wie ihn jeder Fromme haben soll. Gott begräbt den Erwählungsratschluss nicht in Seinem Herzen, sondern tut ihn kund und lässt ihn lebendig werden: Jeder berufene Gläubige darf und soll gewiss sein, dass er ein Auserwählter ist.

Wer will verdammen? – Wie keine Anklage mehr haftet, wo der Freispruch des Richters vorliegt, so erfolgt keine Verurteilung weiter, wo dem Gesetz Genüge geschehen und die Strafe gezahlt ist. Christus aber hat den Tod auf sich genommen, den wir zu sterben schuldig waren. Er ist an unsere Stelle getreten; so sind wir frei. Wer nun uns noch verdammen will, müsste Christus wieder in den Tod zurückversetzen. Er aber ist nicht bloß gestorben, ja vielmehr, Er ist auch auferweckt, hat durch seine Auferstehung sich als Sieger erwiesen und hat einen Triumph gefeiert über den Tod. Und der Apostel sagt noch mehr: Welcher ist zur Rechten Gottes. Also Er hat das Regiment über Himmel und Erde angetreten und besitzt Gewalt und Macht über alle Dinge (vergleiche auch Epheser 1.20). Zuletzt heißt es: Und vertritt uns. Deshalb sitzt Er zur Rechten des Vaters, um in alle Ewigkeit für unser Heil ein Fürsprecher zu sein und uns zu vertreten. Wer also uns verdammen will, muss nicht bloß Christi Tod ungeschehen machen, sondern auch den Kampf aufnehmen mit Seiner unvergleichlichen Kraft, welche der Vater Ihm geschenkt hat, als Er Ihn in die Herrschaft über den Weltkreis einsetzte. Daher die fröhliche Heilsgewissheit der Frommen, mit welcher sie des Teufels, des Todes, der Sünde und der Pforten der Hölle spotten dürfen! Unser Glaube ist nichts, wenn wir nicht ganz gewiss sind, dass Christus uns gehört und wir durch Ihn einen gnädigen Vater haben. Nichts ist also verderblicher und so tödlich für den Glauben, wie die weit verbreitete Lehre, dass man Seiner Seligkeit nicht gewiss werden könne und dürfe. Dass Christus für uns eintritt, verscheucht alles Zittern vor Seiner göttlichen Majestät. Der auf Gottes Thron sitzt und alles unter Seine Füße tritt, ist doch unser Mittler und freundlicher Fürsprecher. Warum sollten wir uns fürchten? – Übrigens muss man sich von dieser Fürbitte Christi keine fleischlichen Vorstellungen machen. Wir dürfen uns nicht vorstellen, dass Christus mit ausgebreiteten Händen etwa vor dem Vater auf den Knien läge. Wir haben hier nur eine anschauliche Form für den Gedanken: Christus steht vor Gottes Angesicht mit Seinem Tod und Seiner Auferstehung; damit tritt Er für uns ein und erzielt die Wirkung, dass wir nun einen versöhnten Gott haben, der unsere Gebete erhört.