RÖMER

Römer Kapitel 8 Teil IX

Römer 8.28-30

Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach dem Vorsatz berufen sind. Denn welche er zuvor ersehen hat, die hat er auch verordnet, dass sie gleich sein sollten dem Ebenbilde seines Sohnes, auf dass derselbe der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern. Welche er aber verordnet hat, die hat er auch berufen; welche er aber berufen hat, die hat er auch gerecht gemacht, welcher er aber hat gerecht gemacht, die hat er auch herrlich gemacht.

 

Wir wissen aber. – Jetzt zieht der Apostel die Folgerung aus den vorangehenden Sätzen: Die Leiden dieses Lebens hemmen unsern Lauf zu Seligkeit so wenig, dass sie ihn ganz im Gegenteil fördern müssen. Dabei bedient sich indessen die Rede der merkwürdigen Fortsetzung mit einem „aber“: Das ist ein Zeichen, dass sie sich zugleich gegen einen geheimen Einwurf richtet. Klagt doch ein fleischlicher Sinn nur zu leicht darüber, dass Gott unsere Gebete nicht zu erhören scheint, weil alle unsere Leiden bleiben wie zuvor. Demgegenüber behauptet der Apostel: wenn Gott den Seinen auch nicht sofort äußerlich hilft, so verlässt Er sie doch nicht. Denn Seine verborgene Weisheit wendet zum Heil, was ein Schaden scheint. Mögen, äußerlich betrachtet, die gleichen Übel ohne Unterschied die Auserwählten wie die Verworfenen treffen, so besteht dennoch ein gewaltiger Gegensatz, denn Seine Gläubigen erzieht Gott durch die Trübsal und führt sie dadurch zum Heil.

Wir müssen nämlich festhalten, dass der Satz: Alle Dinge müssen uns zum Besten dienen – lediglich an Missgeschick und Widrigkeiten erinnern will. Gott lenkt alle Geschicke der Heiligen so, dass, was die Welt für Schaden achtet, doch in Seinem Ausgang Nutzen und Segen sein muss. Augustinus geht freilich darüber noch hinaus, wenn er sagt, dass auch ihre Sünden nach Gottes Vorsehung den Heiligen so wenig schaden können, dass sie sogar ihr Heil fördern müssen. Dieser an sich richtige Gedanke passt aber nicht hierher, wo nur vom Kreuz die Rede ist. Wenn der Apostel sagt: Denen, die Gott lieben, so wollen wir daraus entnehmen, dass die Liebe zu Gott den Hauptinhalt der Frömmigkeit ausmacht. Sie ist der beherrschende Mittelpunkt alles Strebens nach Gerechtigkeit.

Denen, die nach dem Vorsatz berufen sind. – Diesen Satz fügt der Apostel offensichtlich zur Abwehr eines Missverständnisses hinzu. Dass den Gläubigen eine so herrliche Frucht aus dem Unglück erwächst, wie sie soeben beschrieben wurde, haben sie nämlich nicht ihrer Liebe als einem eignen Verdienst zu verdanken. Wir wissen ja, dass in den Fragen des Heils die Menschen den Anfang nur zu gern in sich selbst suchen und an Vorbereitungen aus ihrem eignen Entgegenkommen glauben, auf welche Gottes Gnade sich dann gründen soll. Im Gegensatz dazu lehrt Paulus, dass die, welche Gott lieben, zuvor von Ihm erwählt sind. Dass den Heiligen alles zum Besten dienen muss, dafür ist die erste und letzte Ursache ihre Annahme zur Gotteskindschaft aus freier Gnade. Die Heiligen können Gott nicht lieben, ehe sie nicht von Ihm berufen sind. Wie es an einer andern Stelle (Galater 4.9) heißt: Die Christen konnten Gott erkennen, weil sie von Ihm erkannt sind. Gewiss ist es wahr, dass nur denen alle Dinge zum Besten dienen, die Gott lieben. Aber ebenso wahr ist auch das Wort des Johannes (1. Johannes 4.19), dass wir dann erst Gott lieben, wenn Er uns zuvor geliebt hat. An unserer Stelle erinnert Paulus auch aus dem Grunde an Gottes ewige Erwählung, auf welcher unser ganzes Heil ruht, um den Übergang zu dem zu gewinnen, was er alsbald sagen will, dass nämlich der gleiche ewige Ratschluss Gottes auch die Leiden für uns bestimmt habe, die uns Christus gleich machen sollen. Denn es ist des Apostels Absicht, eine innerlich notwendige Verknüpfung zwischen unserer Seligkeit und dem Kreuze herzustellen, welches wir zu erdulden haben.

Denn welche er zuvor ersehen hat. – Jetzt muss also die zusammenhängende Kette der ewigen Gnadentaten Gottes den Beweis dafür liefern, dass alle Trübsal der Gläubigen nichts anderes ist als die Außenseite des verborgenen Gotteswirkens, welches uns in Christi Bild gestaltet. Dass wir durchaus in Christi Bild gestaltet werden müssen, hatte ja der Apostel schon früher gesagt (siehe Vers 17). So dürfen wir über der Bitterkeit und Last der Trübsal nicht müde werden. Oder wollten wir uns beklagen, dass Gott uns erwählt und zum ewigen Leben bestimmt hat? Wollen wir uns darüber betrüben, dass uns das Bild des Sohnes Gottes aufgeprägt werden soll, welches doch die Vorstufe der himmlischen Herrlichkeit bedeutet? Gottes „Zuvor-Ersehung“, von welcher Paulus hier spricht, ist nun nicht ein bloßes Zuvor-Wissen, wie einige unerfahrene Geister behaupten, sondern der ewige Willensentschluss Gottes, kraft dessen Er uns zu Seinen Kindern ausersieht und für immer von den Verworfenen absondert. In demselben Sinne sagt Petrus (1. Petrus 1.1-2), dass die Gläubigen erwählt seien zur Heiligung des Geistes „nach der Vorsehung Gottes“. Daraus zieht man vielfach den törichten Schluss, dass Gott diejenigen erwählt habe, von denen Er voraussah oder voraus wusste, dass sie Seiner Gnade würdig sein würden. Aber Petrus wollte doch unmöglich den Gläubigen eine Schmeichelei sagen, als ob sie auf Grund ihres eignen Verdienstes erwählt wären! Er wollte vielmehr ihnen alles Verdienst nehmen und sie auf den ewigen Gnadenrat Gottes weisen.

Wenn Paulus nun fortfährt: Die hat er auch verordnet, so wollen diese Worte zunächst nicht für eine allgemeine Theorie verwertet, sondern im engsten Zusammenhange mit ihrem Nachsatz verstanden sein: Dass sie gleich sein sollten dem Ebenbilde seines Sohnes. Der Apostel will sagen: Gott hat beschlossen und verordnet, dass, die Er zu Seinen Kindern machen will, auch das Bild Christi, Seines Sohnes, tragen sollen. Darum heißt es auch nicht kurzweg: „Christus gleich“, sondern: „Dem Bilde seines Sohnes“. So tritt Christi lebensvolle Gestalt anschaulich vor unsere Seele, wie sie allen Kindern Gottes zum Urbilde dienen soll. In Summa: Die gnädige Annahme zur Gotteskindschaft, in welcher unser Heil besteht, ist untrennbar mit dem andern Ratschluss Gottes verbunden, welcher bestimmt, dass wir das Kreuz tragen sollen. Niemand kann ein Himmelserbe werden, er wäre denn zuvor dem eingeborenen Sohne Gottes gleich gestaltet worden.

Auf dass derselbe der Erstgeborene sei. – Ist Christus unter allen Kindern Gottes der Erstgeborene, so müssen wir auf Sein Vorbild schauen und dürfen uns nicht weigern, alles auf uns zu nehmen, was Er doch willig getragen hat. Das folgt aus dem Recht und der Würdestellung, welche der himmlische Vater Seinem Sohne übertragen hat. Mag nun die besondere Lage der Frommen eine durchaus verschiedene sein, wie ja auch die Glieder eines Leibes gar mannigfaltig sind, so hat doch jedes einzelne Glied seinen Zusammenhang mit dem Haupte. So ist auch Christus unser Haupt und hält uns unter seiner Herrschaft als Bruderschaft zusammen.

Welche er aber verordnet hat, die hat er auch berufen. – Der Apostel will mit vollster Deutlichkeit beweisen, dass tatsächlich die Gleichgestalt mit Christi Niedrigkeit uns zur Seligkeit führen muss. Deshalb führt er uns von diesem Tiefpunkte die Stufen zur Höhe empor. So müssen wir einsehen, dass mit der Berufung, Rechtfertigung und endlich mit der Verherrlichung die Genossenschaft des Kreuzes untrennbar verbunden ist. Um aber den Sinn unseres Satzes richtig zu verstehen, dürfen wir wiederum nicht vergessen, dass das Wort „verordnen“ nicht auf die Erwählung im Allgemeinen zielt, sondern auf jenen Rat und Beschluss Gottes, welcher den Seinen das Kreuz auferlegte. Wenn der Apostel sagt, dass die zum Tragen des Kreuzes bestimmten Auserwählten nun auch von Gott berufen seien, so sehen wir daraus, dass Gott Seinen Ratschluss über sie nicht in sich verschlossen, sondern geoffenbart hat, damit sie nun das ihnen auferlegte Los mit ruhigem Gleichmut tragen könnten. Die Berufung wird nämlich mit der verborgenen Erwählung zusammengefasst und zugleich als ein von ihr abhängiges Stück von derselben unterschieden. Damit also niemand sagen könne, man wisse ja überhaupt nicht, welches Los Gott jedem Menschen zugedacht habe, so lehrt der Apostel, dass Gott durch die Berufung eine öffentliche Auskunft über Seinen geheimen Ratschluss gibt. Dies Zeugnis besteht aber nicht bloß darin, dass Gott das Wort äußerlich predigen lässt, vielmehr begreift die „Berufung“ auch ein inneres Wirken des Geistes in sich. Denn hier ist von den Auserwählten die Rede, welche Gott nicht nur mit Seinem Worte zu sich ruft, sondern auch innerlich zu sich zieht.

Welche er aber berufen hat, die hat er auch gerecht gemacht. – Dieses „Gerechtmachen“ ließe sich dem Zusammenhange nach recht wohl auf die gesamte Gnadenwirkung Gottes deuten, welche unser Leben von der Berufung bis zum Tode durchzieht. Weil aber Paulus das betreffende Wort im ganzen Brief für die gnädige Zurechnung der Gerechtigkeit braucht, so werden wir auch hier schwerlich von diesem Sinne abgehen dürfen. Ist doch die Absicht der ganzen Ausführung, uns einen kostbareren Ersatz zu bieten, um dessen willen wir die Leiden nicht mehr fliehen dürfen. Was aber ist kostbarer und wünschenswerter, als mit Gott versöhnt zu werden, so dass nun unser Elend nicht mehr ein Zeichen der Verdammnis ist und nicht mehr zum Verderben führt?

Welche er aber hat gerecht gemacht, die hat er auch herrlich gemacht. – Das gilt von denen, welche jetzt das Kreuz drückt! Sorge und Schande bedeutet also keinen Verlust mehr für sie. Diese Verherrlichung ist uns zwar nur erst in Christus, unserm Haupte, geschenkt; weil wir aber in Ihm gewissermaßen die Erbschaft des ewigen Lebens schon wie mit Augen sehen, so erwächst daraus eine solche Gewissheit unserer Herrlichkeit, dass unsere Hoffnung schon als ein gegenwärtiger Besitz zu achten ist. So darf Paulus von der Zukunft bereits reden, als wäre sie Gegenwart. Mag vor der Welt mancherlei Leid den Glanz unserer Herrlichkeit verdunkeln, vor Gott und Seinen Engeln strahlt er hell und klar. Diese ganze Steigerung will uns also einprägen, dass die Anfechtungen des Glaubens, welche uns jetzt demütigen, nur dazu dienen, uns zur Herrlichkeit des Himmelreichs und zum Auferstehungsleben des Christus hinanzuführen, mit welchem wir jetzt gekreuzigt werden.