RÖMER

Römer Kapitel 8 Teil III

Römer 8.9-11

Ihr aber seid nicht fleischlich, sondern geistlich, so anders Gottes Geist in euch wohnt. Wer aber Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein. So aber Christus in euch ist, so ist der Leib zwar tot um der Sünde willen, der Geist aber ist Leben um der Gerechtigkeit willen. So nun der Geist des, der Jesum von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird auch derselbe, der Christum von den Toten auferweckt hat, eure sterblichen Leiber lebendig machen um deswillen, dass sein Geist in euch wohnt.

 

Ihr aber seid nicht fleischlich, sondern geistlich. – Den bisher entwickelten allgemeinen Grundsatz wendet der Apostel nun auf seine Leser an. Dadurch soll die persönlich zugespitzte Rede nicht bloß eindrücklicher werden, die Leser sollen auch einen Maßstab in die Hand bekommen, um festzustellen, ob sie zu der Zahl derer gehören, welche Christus vom Fluch des Gesetzes entlastet hat. Die Darlegung dessen, was Gottes Geist in den Auserwählten schafft und zeitigt, wird zugleich zu einer Mahnung, in einem neuen Leben zu wandeln.

So anders Gottes Geist in euch wohnt. – Diese Einschränkung der soeben vernommenen persönlichen Ansprache soll die Leser erinnern, sie möchten sich selbst prüfen, ob sie nicht Christi Namen vergeblich tragen. Hier steht nun das sicherste Kennzeichen, an welchem man die Kinder Gottes von den Kindern der Welt unterscheiden kann: Gottes Kinder sind durch Gottes Geist zu einem neuen, heiligen Leben wiedergeboren. –

Weiter lehrt unsere Stelle vollends deutlich, was wir schon mehrfach anmerkten, dass Paulus unter „Geist“ nicht Verstand oder Vernunft versteht, die vorzüglichste Seelenkraft im Menschen, welche vermöge des freien Willens die niederen Triebe beherrscht, sondern eine besondere göttliche Gabe. „Geistlich“ sind nicht, die aus eigenem Antrieb der Vernunft gehorchen, sondern welche Gott mit Seinem Geist regiert. Beachtenswert erscheint endlich, dass es hier nicht heißt: Welche vom Geist Gottes erfüllt sind (was in diesem Leben von niemandem gesagt werden kann), sondern: In welchen der Geist Gottes wohnt. Dabei mögen die Überbleibsel fleischlichen Wesens sich noch genug spürbar machen: Wo Gottes Geist wohnt, besitzt er doch die höhere Macht und bringt den Menschen in Seine Gewalt.

Wer aber Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein. – Dieser Zusatz soll zeigen, wie nötig für den Christen Verleugnung des Fleisches ist. Herrschaft des Geistes bedeutet den Untergang für das Fleisch. Leute, in welchen der Geist Gottes nicht regiert, gehören Christus nicht an. Wer dem Fleische dient, ist kein Christ. Wenn man den Herrn Christus von Seinem Geist trennen will, so macht man Ihn zu einem toten Schatten oder zu einem Leichnam. Des Apostels Absicht ist dagegen, die Vergebung der Sünden nie ohne die Erneuerung durch den Geist zu denken: Wer beides trennen will, zerreißt den Herrn Christus. Freilich erklären es manche Leute für Hochmut, wenn wir zu sagen wagen, dass Christi Geist in uns wohne. Aber entweder muss man Christus verwerfen, oder bekennen, dass man durch Seinen Geist ein Christ ist. Wie entsetzlich weit sind doch die Menschen von Gottes Wort abgekommen, dass sie behaupten, Christen zu sein, und wagen doch nicht zu sagen, dass sie den Heiligen Geist haben! Ja, sie verlachen uns gar, wenn unser Glaube sich dazu bekennt. –

Übrigens will bemerkt sein, dass der Heilige Geist einmal als Geist Gottes, unmittelbar danach aber als Geist Christi bezeichnet wird. Dies geschieht nicht bloß deshalb, weil auf Christus als unsern Mittler und unser Haupt die ganze Fülle des Heiligen Geistes ausgegossen ward, um von Ihm aus auf jeden von uns in Seinem Maße weiter zu fließen, sondern auch, weil derselbe Geist dem Vater und dem Sohne gehört, welche ja eines Wesens sind und die gleiche ewige Gottheit besitzen. Weil aber nur durch Christus uns ein Zugang zum Vater eröffnet ward, geht die Rede des Apostels sehr geschickt von dem Vater, der uns zunächst ferne zu stehen scheint, zu Christus über.

So aber Christus in euch ist. – Was soeben vom Geist gesagt wurde, gilt jetzt auch von Christus. So wird deutlich, in welcher Weise Christus in uns wohnt. Wie Er uns nämlich durch den Geist zu Seinem Tempel heiligt, so wohnt Er auch durch denselben in uns.

So ist der Leib zwar tot um der Sünde willen. – Was wir schon mehrfach angedeutet fanden, steht hier mit ausdrücklichen Worten: Die Kinder Gottes sind nicht deshalb „geistlich“, weil sie etwa schon in ausgereifter Vollkommenheit dastünden, sondern nur weil ein neues Leben in ihnen seinen Anfang genommen hat. Dies spricht der Apostel geflissentlich aus, um jedem Zweifel zuvorzukommen, der uns sonst leicht beunruhigen könnten. Denn wenn auch der Geist in uns Wohnung gemacht hat, so sehen wir doch einen andern Teil unseres Wesens noch immer unter der Gewalt des Todes. So prägt uns der Apostel ein: Der Geist aber ist Leben um der Gerechtigkeit willen, und dieses Leben wird unseren Tod verschlingen. Wir dürfen geduldig warten, bis die Reste der Sünde vollends schwinden. Natürlich ist unter diesem „Geist“ wiederum nicht unsere Seele zu verstehen, sondern Gottes Geist, welcher die Erneuerung wirkt. Derselbe ist Leben: Nicht bloß, weil Er in uns lebt und webt, sondern weil Seine Lebenskraft auch uns Leben schafft und uns endlich vollkommen erneuern wird, nachdem wir das sterbliche Fleisch ausgezogen. Im Gegensatz dazu bezeichnete Paulus als „Leib“ die noch unerneuerte gröbere Masse, welche der Geist Gottes noch nicht vom Erdenschmutz gereinigt hat. Denn dem Leibe im gewöhnlichen Sinne die Schuld der Sünde aufzubürden, wäre doch eine Torheit. Andererseits trägt auch die Seele nicht ein solches Leben in sich, dass sie an und für sich „Leben“ heißen dürfte. Der Sinn des Apostels ist also der: Wenn auch die Sünde uns noch an den Tod bindet, sofern ja die Verderblichkeit der alten Natur uns noch anhaftet, so wird doch Gottes Geist den Sieg behaupten. Haben wir auch nur die Erstlinge des Geistes empfangen, so ist doch schon ein Fünklein desselben ein Samenkorn des Lebens.

So nun der Geist des, der Jesum von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird auch derselbe, der Christum von den Toten auferweckt hat, eure sterblichen Leiber lebendig machen um deswillen, dass sein Geist in euch wohnt. – Eine Bestätigung des vorigen Satzes, die auf der beobachteten Kraft des Geistes fußt: Wenn durch die Macht des Geistes Gottes Christus auferweckt ward, und der Geist solche Macht in Ewigkeit behält, so wird Er diese auch an uns beweisen. Dabei darf der Apostel ohne weiteres voraussetzen, dass in Christi Person ein Beweis der Kraft gegeben ward, welche dem ganzen Leibe der Gemeinde zugutekommen soll.

Der Jesus von den Toten auferweckt hat. – Diese Umschreibung passt besser für den vorliegenden Gedankengang, als wenn der Apostel einfach geschrieben hätte: Gottes. Ebenso wird die Kraft, Christus aufzuwecken, dem Vater zugeschrieben, nicht Christus selbst; so erforderte es die Absicht des Gedankens. Wäre von Christi eigener Kraft die Rede, so würde der Einwurf nahe liegen: Christus besaß eine Fähigkeit der Auferstehung, welche allen andern Menschen abgeht. Heißt es aber: Gott hat Christus auferweckt durch Seinen Geist und hat von diesem Geist auch uns mitgeteilt, so kann gegen diesen gewissen Grund der Auferstehungshoffnung kein Einwand mehr erhoben werden. Daneben behält Christi Wort (Johannes 10.18) seine volle Wahrheit: „Ich habe Macht, mein Leben zu lassen, und habe Macht, es wieder zu nehmen.“ Denn Christi Auferstehung erfolgte sicher durch die Ihm eigene Kraft. Aber wie überhaupt der Sohn alles auf den Vater zurückführt, was von göttlicher Kraft in Ihm ist (zum Beispiel Johannes 5.26), so schreibt auch der Apostel hier nicht mit Unrecht dem Vater zu, was in Christus das am meisten kennzeichnende Werk des göttlichen Wesens war.

Als sterbliche Leiber bezeichnet Paulus, wie wir schon oft bemerkt haben (vergleiche 7.24), den Teil unseres Wesens, der noch dem Tode unterworfen bleibt. Daraus lässt sich abnehmen, dass er nicht kurzweg nur an die letzte Auferstehung denkt, welche in einem Augenblick geschieht, sondern an das fortwährende Wirken des Geistes, welches die Reste des Fleisches allmählich tötet und das himmlische Leben in uns wirken lässt.