RÖMER

Römer Kapitel 7 Teil VIII

Römer 7.21-23

So finde ich mir nun ein Gesetz, der ich will das Gute tun, dass mir das Böse anhangt. Denn ich habe Lust an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen. Ich sehe aber ein ander Gesetz in meinen Gliedern, das da widerstreitet dem Gesetz in meinem Gemüte und nimmt mich gefangen in der Sünde Gesetz, welches ist in meinen Gliedern.

 

Hier ist in vierfachem Sinne vom „Gesetz“ die Rede. Im eigentlichen Sinne gebührt dieser Titel nur dem Gesetz Gottes als der allein wahren Regel der Gerechtigkeit, nach welcher unser Leben sich gestalten soll. Damit verknüpft der Apostel das Gesetz im Gemüte, das heißt die Hinneigung der gläubigen Seele zum Gehorsam gegen das göttliche Gesetz, die eine gewisse Anpassung unseres Wesens an das Gesetz Gottes bedeutet. Auf der andern Seite steht ein Gesetz der Ungerechtigkeit, welches aus der Herrschaft des verkehrten Wesens sowohl im unwiedergeborenen Menschen als auch im Fleische des wiedergeborenen entspringt. Heißen doch auch die Rechtsordnungen der Tyrannen, so ungerecht sie sein mögen, missbräuchlicherweise „Gesetze“. Diesem Gesetz der Sünde entspricht das Gesetz in den Gliedern, das heißt die böse Lust, die an unsern Gliedern ihre beste Anknüpfung findet.

Denn ich habe Lust an Gottes Gesetz. – Hier tritt uns die innerliche Zerteilung im Gläubigen deutlich vor Augen, aus welcher jener Kampf zwischen Geist und Fleisch hervorgeht, welchen Augustinus einmal sehr schön „das Ringen der Christenseele“ nennt. Gottes Gesetz ruft den Menschen zu wahrer Frömmigkeit, seine verkehrte Art aber, die wie ein tyrannisches Gesetz Satans ihn regiert, treibt zu nichtswürdigen Taten. Der Geist zieht zum Gehorsam gegen das göttliche Gesetz, das Fleisch zieht nach der entgegen gesetzten Seite. So wird der Mensch zwiespältig, zwischen verschiedenen Strömungen des Willens umgetrieben. Aber weil der Geist das Übergewicht behalten soll, so betrachtet sich Paulus nach diesem vorzüglichsten Teile seines Wesens: Er fühlt sich von seinem Fleische gefangen, weil er die noch immer wirksamen bösen Lüste im Hinblick auf den ganz anders gerichteten Geistestrieb als einen fremdartigen Zwang empfindet. –

Als inwendigen Menschen bezeichnet der Apostel nicht etwa einfach die Seele, sondern den von Gott geistlich erneuerten Teil des Menschenwesens. Für den übrig bleibenden Teil sagt er dann: Glieder (Vers 23). Denn wie die Seele der vorzüglichere Teil des Menschen ist, der Leib der mehr untergeordnete, so ist der „Geist“ mehr als das „Fleisch“. Unter diesem Gesichtspunkte, dass der Geist die Stelle einnimmt, welche die Seele im Menschen hat, das Fleisch aber, das heißt die verderbte und sündig-verkehrte Seele, die Stelle des Leibes; unter diesem Gesichtspunkte heißt der erstere „der inwendige Mensch“, der letztere „die Glieder“. In einem ganz andern Sinne ist 2. Korinther 4.16 vom äußerlichen Menschen die Rede. Hier aber führt der Zusammenhang notwendig auf unsere Auslegung. Der Geist ist der inwendige Mensch, weil in seinem Besitze sich das Herz und die tiefsten Willensregungen befinden, während die Neigungen des Fleisches keine bleibende Wurzel schlagen können und mehr an der Außenseite des Menschen hängen. Hier ist ein Unterschied wie zwischen Himmel und Erde. „Glieder“ sagt der Apostel etwas verächtlich zur Beziehung alles dessen am Menschen, was äußerlich sichtbar ist. Im Gegensatz dazu entgeht die verborgene Erneuerung unsern Sinnen und übersteigt alle unsere Begriffe; man muss sie im Glauben fassen. Wenn nun unter dem „Gesetz im Gemüte“ eine gute Ausrichtung unserer Willensregungen verstanden wird, so merken wir von neuem an, dass dergleichen im noch unwiedergeborenen Menschen keinen Raum findet; dieser hat nach der Lehre des Paulus die rechte Gesinnung verloren, weil seine Seele die Bahn der Vernunft verließ.