RÖMER

Römer Kapitel 7 Teil I

Römer 7.1-4

Wisset ihr nicht, liebe Brüder (denn ich rede mit solchen, die das Gesetz wissen), dass das Gesetz herrscht über den Menschen, solange er lebt? Denn ein Weib, das unter dem Manne ist, ist an ihn gebunden durch das Gesetz, solange der Mann lebt; so aber der Mann stirbt, so ist sie los vom Gesetz, das den Mann betrifft. Wo sie nun eines andern Mannes wird, solange der Mann lebt, wird sie eine Ehebrecherin geheißen; so aber der Mann stirbt, ist sie frei vom Gesetz, dass sie nicht eine Ehebrecherin ist, wo sie eines andern Mannes wird. Also seid auch ihr, meine Brüder, getötet dem Gesetz durch den Leib Christi, dass ihr eines andern seid, nämlich des, der von den Toten auferweckt ist, auf dass wir Gott Frucht bringen.

 

Obgleich die Frage von der Abschaffung des Gesetzes hinreichend, wenn auch kurz, behandelt schien, so greift Paulus dieselbe doch noch einmal ausführlicher an. Denn sie ist an sich schwierig und birgt mancherlei weitere Fragen in sich. Des Weiteren zeigt der Apostel, wie das Gesetz zu unserm Besten abgeschafft ward; denn solange es uns, ohne Christi Gemeinschaft, gebunden hält, kann es nur Verdammnis bringen. Damit nun daraus dem Gesetz selbst kein Vorwurf erwachse, werden die entsprechenden fleischlichen Einwürfe abgewehrt. Bei dieser Gelegenheit empfangen wir eine ausgezeichnete Abhandlung über den rechten Gebrauch des Gesetzes.

Wisset ihr nicht, liebe Brüder, dass das Gesetz herrscht über den Menschen, solange er lebt? – Als feststehende Voraussetzung des Beweises gilt, dass das Gesetz lediglich gegeben sei, um das gegenwärtige Leben zu regeln, dass es also auf die Toten kein Anrecht mehr besitze. Darauf gründet sich dann der Untersatz: Wir aber sind durch den Leib Christi dem Gesetze abgestorben. Diesen Beweis hat der Apostel in die Form der Frage gekleidet, um die Zustimmung der Leser desto sicherer zu gewinnen. Kann er doch andeuten, dass, was er sagt, keinem unter ihnen etwas Neues und Unerhörtes, sondern etwas ganz Selbstverständliches ist: Ich rede mit solchen, die das Gesetz wissen. Paulus kann voraussetzen, dass Kenner des Gesetzes ihm ohne weiteres Recht geben werden. Dabei könnte man an jegliches Gesetz denken; wirklich gemeint ist aber das Gesetz Gottes, um welches sich ja die ganze Frage dreht. Einige meinen nun, Paulus schreibe den Römern eine Kenntnis des Gesetzes zu, weil ihre Herrschaft und ihr Recht fast den ganzen Erdkreis umspannte; doch das ist töricht. Denn Paulus redet teils zu Juden und andern Fremden, teils zu niedrig gestellten und unbekannten Leuten. Hier nimmt er nun vornehmlich Rücksicht auf die Juden, mit denen die Frage nach der Abschaffung des Gesetzes natürlich in erster Linie zur Verhandlung kommen musste. Sie sollen nicht durch irgendeine undurchsichtige Beweisführung gefangen, sondern auf den Grund eines allgemein bekannten und ihnen von Kindheit an geläufigen Satzes gestellt werden.

Denn ein Weib, das unter dem Manne ist, ist an ihn gebunden durch das Gesetz, solange der Mann lebt; so aber der Mann stirbt, so ist sie los vom Gesetz, das den Mann betrifft. Wo sie nun eines andern Mannes wird, solange der Mann lebt, wird sie eine Ehebrecherin geheißen; so aber der Mann stirbt, ist sie frei vom Gesetz, dass sie nicht eine Ehebrecherin ist, wo sie eines andern Mannes wird. – Dies Gleichnis soll beweisen, dass wir vom Gesetz so völlig frei sind, dass seine Herrschaft und sein Anrecht uns weiter nicht bindet. Dafür passte das Bild der Ehe vortrefflich. Freilich könnte man sich daran stoßen, dass die einzelnen Glieder des Gleichnisses und seiner Deutung nicht scharf aufeinander passen. Streng genommen hätte es heißen müssen: Das Weib wird durch den Tod des Mannes vom Bande der Ehe frei; nun ist das Gesetz, an welches wir wie an einen Ehegatten gebunden waren, für uns gestorben, also stehen wir nicht mehr unter seiner Macht. Aber diesen harten Ausdruck, das Gesetz sei gestorben, wollte der Apostel den Juden lieber ersparen. So wendet er in etwas die Redeweise und sagt: Wir sind dem Gesetz gestorben. Demgemäß ergibt sich folgende Beweiskette:

Die Frau ist gesetzmäßig an den Mann gebunden, solange derselbe lebt, und darf sich nicht einem andern ergeben. Nach dem Tode des Mannes ist sie von der gesetzlichen Pflicht gegen ihn frei und darf mit einem beliebigen andern Mann eine neue Ehe schließen.

Daraus die Anwendung:

  • Das Gesetz war unser Ehemann, unter dessen Joch wir gehalten wurden, bis es uns endlich starb.
  • Nach dem Tode des Gesetzes hat Christus uns angenommen. Er hat mit uns eine neue Ehe geschlossen, nachdem wir vom Gesetz frei waren.
  • Also müssen wir dem von den Toten erweckten Christus, unserm Ehegemahl, allein anhängen. Und da Christi Leben nach der Auferstehung ein ewiges ist, so gibt es mit dieser Ehe in Zukunft keine Veränderungen mehr.

Wenn übrigens Paulus von Abschaffung des Gesetzes redet, so denkt er nur an diejenige Seite desselben, welche mit dem Dienste des Mose im eigentlichen Sinne zusammenhängt. Insofern Gott in den 10 Geboten unserm Leben eine Regel gab, kann von Abschaffung des Gesetzes keine Rede sein. Von der Gerechtigkeit, welche das Gesetz lehrt, werden wir unter keinen Umständen frei, sondern nur von der drohenden Forderung und dem darauf folgenden Fluch. Vom Gesetz fällt nur, was der in Christus geschenkten Freiheit zuwider ist.

Durch den Leib Christi. – Christus hat durch das hocherhobene Siegeszeichen des Kreuzes über die Sünde triumphiert. Dies konnte aber nur so geschehen, dass die Handschrift, die uns verschuldet hielt, zerrissen ward. Diese Handschrift ist das Gesetz, welches, solange seine Herrschaft währt, uns in der Schuldhaft der Sünde festhält. Deshalb heißt es die Kraft der Sünde (1. Korinther 15.56). Diese Handschrift ist nun vernichtet, und wir sind frei; sie wurde mit Christi Leib ans Kreuz geheftet (Kolosser 2.14). – Doch der Gedanke des Apostels vollzieht noch einen weiteren Fortschritt: Nicht deshalb ward das Band des Gesetzes gelöst, damit wir nun nach unserm eignen Willen leben könnten, wie die Witwe ihre eigne Herrin ist, solange sie ehelos bleibt. Vielmehr sind wir bereits an einen andern Mann gebunden; wir sind von einer Hand in die andere gegangen, vom Gesetz zu Christus gekommen. Auf diese Weise mildert sich die Härte des Gedankens: Frei vom Joch des Gesetzes hat uns Christus doch nur deshalb gemacht, um uns als Glieder in seinen Leib zu pflanzen. Nun hat Christus sich zwar dem Gesetz auf Zeit freiwillig unterworfen, aber das Gesetz konnte nicht in Wirklichkeit sein Herr werden. So teilt Er die Ihm eigne Freiheit auch seinen Gliedern mit. Es begreift sich leicht, dass Er diejenigen dem Joche des Gesetzes entnimmt, welche Er durch ein heiliges Band an sich bindet, damit sie mit Ihm zusammen ein Leib seien.

Der von den Toten auferweckt ist. – Dass Christus an die Stelle des Gesetzes tritt, haben wir schon gesagt; außerhalb Seiner Gemeinschaft darf man keine Freiheit suchen, und den Ehebund mit dem Gesetz darf niemand brechen, der sich selbst noch nicht gestorben ist. Übrigens stellt uns der Apostel durch eine Umschreibung die Ewigkeit des Lebens vor Augen, welches Christus durch die Auferstehung erlangt hat. So sollen die Christen wissen, dass ihr Ehebund in Ewigkeit währt. Ausführlicher handelt Epheser 5.22 ff. über die geistliche Ehe Christi mit der Gemeinde.

Auf dass wir Gott Frucht bringen. – Immer wieder bringt Paulus den Zweck der Erlösung zum Ausdruck, damit niemand die Befreiung von der Knechtschaft des Gesetzes zum Anlass nehme, der Zügellosigkeit des Fleisches und den Begierden nachzugeben. Denn Christus hat uns mit sich dem Vater geopfert, und Er schenkt uns deshalb ein neues Leben, damit wir Gott Frucht bringen. Wir kennen die Früchte, welche der himmlische Vater an uns sucht, nämlich die der Heiligkeit und Gerechtigkeit. Dass wir dem Herrn dienen, schmälert unsere Freiheit nicht. Vielmehr, wenn wir den vollen Genuss von Christi Wohltat erleben wollen, muss unser ganzer Sinn auf die Förderung der Ehre Gottes gerichtet sein, um derentwillen Christus uns zu eigen genommen hat. Sonst bleiben wir Knechte, nicht bloß des Gesetzes, sondern der Sünde und des Todes.