RÖMER

Römer Kapitel 6 Teil VIII

Römer 6.20-23

Denn da ihr der Sünde Knechte waret, da waret ihr frei von der Gerechtigkeit. Was hattet ihr nun zu der Zeit für Frucht? Welcher ihr euch jetzt schämet; denn ihr Ende ist der Tod. Nun ihr aber seid von der Sünde frei und Gottes Knechte geworden, habt ihr eure Frucht, dass ihr heilig werdet, das Ende aber das ewige Leben. Denn der Tod ist der Sünde Sold; aber die Gabe Gottes ist das ewige Leben in Christo Jesu, unserm Herrn.

 

Denn da ihr der Sünde Knechte waret. – Der Apostel wiederholt den bereits beschriebenen Unterschied zwischen dem Joch der Gerechtigkeit und der Sünde. Beide stehen in so scharfem Gegensatz, dass, wer der einen sich hingibt, der andern notwendig den Rücken kehren muss. Die Einzelbetrachtung, welche die Natur der Sünde und der Gerechtigkeit gesondert ins Auge fasst, lässt nun ein besonders scharfes Licht darauf fallen, was man von einer jeden erwarten kann und was aus ihr erwächst. Dabei wollen wir im Gedächtnis halten, dass der Beweis des Apostels sich auf die Hinstellung des Gegenteils gründet: Solange ihr der Sünde Knechte waret, da waret ihr frei von der Gerechtigkeit; jetzt aber seid ihr in umgekehrter Lage, ihr müsst der Gerechtigkeit dienen, weil ihr vom Joch der Sünde frei geworden seid.

Da waret ihr frei von der Gerechtigkeit.Frei von der Gerechtigkeit ist, wer jeden Zügel des Gehorsams gegen die Gerechtigkeit abgeworfen hat. Solche Freiheit des Fleisches entfernt uns von Gottes Reich und lässt uns zum Eigentum des Satans werden. Elende und Fluch-würdige Freiheit, welche mit zügellosen, rasenden Sprüngen in Verderben stürmt!

Was hattet ihr nun zu der Zeit für Frucht? – Eindrücklicher konnte der Apostel nicht sagen, was ihm am Herzen lag. Er greift seinen Lesern ans Gewissen und legt ihnen in den Mund, dass sie sich selbst ihrer vorigen Sünden schämen. Denn sobald die Frommen durch Christi Geist und die Predigt des Evangeliums erleuchtet werden, erkennen sie leicht ihr ganzes vergangenes Leben ohne Christus als verdammlich an. Es vergeht ihnen jede Entschuldigung, und Scham steigt auf. Ja, sie streichen die Erinnerung an diese ihre Schande geflissentlich nicht durch, um sich der wahren, schamhaften Demut vor Gott zu erhalten. Und nicht umsonst sagt der Apostel: Welcher ihr euch jetzt schämet. Damit erinnert er leise an die blinde Selbstliebe, in der wir wohl stecken mussten, da wir in der tiefen Finsternis der Sünde den gewaltigen Schmutz gar nicht bemerkten. Nur Gottes Licht kann unsere Augen öffnen und uns einen Blick in die unerkannte Verdorbenheit unseres Fleisches tun lassen. Der christlichen Lebensweisheit Anfang steht darin, dass wir ernstlich uns selbst missfallen und eine heilige Abscheu vor unserer Erbärmlichkeit fassen. Noch deutlicher zeigt ein Blick auf das Ende, wie sehr wir uns unserer Sünde schämen müssen, denn ihr Ende ist der Tod. Wir standen schon am Abgrund des Todes und des Verderbens, ja die Pforten des Todes würden sich schon hinter uns geschlossen haben, wenn Gottes Erbarmen uns nicht zurückgerissen hätte.

Nun … habt ihr eure Frucht, dass ihr heilig werdet. – Der doppelten Frucht der Sünde entspricht eine doppelte Frucht der Gerechtigkeit. Die Sünde zeitigt in diesem Leben die Qualen des bösen Gewissens, danach den ewigen Tod. Der Gerechtigkeit gegenwärtige Frucht ist die Heiligung, für die Zukunft erhoffen wir von ihr das ewige Leben. Der Blick auf diese Früchte wird bei einem nicht völlig abgestumpften Menschen Schauder und Hass gegen die Sünde und dagegen Liebe und Sehnsucht nach der Gerechtigkeit entzünden.

Denn der Tod ist der Sünde Sold. – Damit geißelt der Apostel die blinde Begierde, mit welcher die Sünder sich in die Lockspeise verbeißen wie der Fisch in die Angel. Wahrlich, eine reiche Löhnung, welche die Sünde den Verworfenen für ihre Dienste zahlt: Der Tod! Unser Satz bildet den nachdrücklichen Abschluss des vorigen. Absichtlich sagt der Apostel mit veränderten Worten noch einmal dasselbe: Verdoppelte Furcht soll uns die Sünde umso verhasster machen.

Aber die Gabe Gottes ist das ewige Leben. – Wie die Sünde den Tod gebiert, so bringt Gottes Gnadengabe, die Gerechtigkeit und Heiligkeit, das Glück des ewigen Lebens mit sich. Wie die Sünde zur Ursache des Todes wird, so gibt uns die Gerechtigkeit, mit welcher Christus uns beschenkt, das ewige Leben wieder. Der Ausdruck des Apostels weist mit voller Sicherheit darauf hin, dass unser Heil ganz auf Gottes freier Gnade und Gabe ruht. Paulus hätte ja auch sagen können: Der Lohn der Gerechtigkeit sei das ewige Leben. Dann hätte sich eine vollkommene gegensätzliche Übereinstimmung der beiden Satzglieder ergeben. Aber es sollte noch deutlicher werden, dass das Mittel zur Erlangung des ewigen Lebens nicht unser Verdienst, sondern Gottes Gabe ist. Dahin weist auch der Zusatz: In Christus Jesus, unserm Herrn. Nicht in unserer Würdigkeit, sondern in Ihm liegt der Grund der doppelten Gottesgabe: Der Gerechtigkeit, mit der wir zur Versöhnung mit Gott bekleidet werden, und der Kraft des Geistes, welche unser Leben zu Heiligkeit erneuert.