RÖMER

Römer Kapitel 6 Teil III

Römer 6.5-6

So wir aber samt ihm gepflanzt werden zu gleichem Tode, so werden wir auch seiner Auferstehung gleich sein, dieweil wir wissen, dass unser alter Mensch samt ihm gekreuzigt ist, auf dass der sündliche Leib aufhöre, dass wir hinfort der Sünde nicht dienen.

 

Gepflanzt werden zu gleichem Tode. – Der bisher vorgetragene Beweis wird mit deutlicheren Worten weitergeführt. Das jetzt gebrachte Gleichnis schließt jede Unsicherheit aus: Wo von „Einpflanzung“ die Rede ist, handelt es sich nicht bloß um Vorbild und Nachfolge, sondern um eine geheimnisvolle Verbindung, vermöge deren wir mit Christus so zusammenwachsen, dass Sein Geist als unser Lebenssaft Seine Tugenden in uns wirksam werden lässt. Der Nachdruck liegt nicht darauf, dass wir mit eigner Anstrengung leisten sollen, was Gott von uns fordert, sondern auf dem, was Gott tut, wenn Er mit eigner Hand die Einpflanzung vollzieht. Wie das Pfropfreis mit dem Baume, in welchen man es eingesenkt, Tod und Leben teilt, so verstehen wir, dass wir in gleicher Weise an Christi Leben und Tod teilhaben. Sind wir mit Christus gepflanzt zu gleichem Tode und ist Christi Tod nicht ohne Auferstehung geblieben, so wird auch unserm Tode die Auferstehung nicht fehlen. Übrigens können die Worte in doppelter Weise verstanden werden. Entweder: Christus eingepflanzt, so dass dabei eine Ähnlichkeit mit Seinem Tode zustande kommt; oder, was ungezwungener dem griechischen Wortlaut entspricht: eingepflanzt zur, dass heißt in die Ähnlichkeit Seines Todes, mit derselben zusammengewachsen. Sachlich bedeutet dies aber keinen Unterschied. Von Ähnlichkeit oder Gleichgestalt des Todes soll nach einigen Auslegern hier ganz in dem Sinne die Rede sein, wie es (Römer 8.3; Philipper 2.1) von Christus heißt, Er sei in der Gestalt des Fleisches oder gleich wie ein anderer Mensch erschienen. Ich glaube jedoch, dass der Sinn des Wortes hier noch eine besondere Schattierung aufweist. Das Wort „Ähnlichkeit“ deutet an, dass nicht eine volle Übereinstimmung, sondern nur eine gewisse Parallele zwischen Christi leiblichem Tode und unserm Sterben mit Ihm obwaltet: Wie Christus in dem Fleische starb, welches Er von uns genommen hat, so sterben wir in uns, um in Ihm zu leben. Es ist nicht derselbe, sondern ein ähnlicher Tod; eine gewisse Gleichartigkeit zwischen dem Absterben des zeitlichen Lebens und der geistlichen Erneuerung soll ins Auge gefasst werden.

Übrigens ist es unerlaubt, den Vergleich bis in seine letzten Konsequenzen durchzutreiben. Wollte man dies versuchen, so würde sich alsbald ein bedeutender Unterschied zwischen dem Pfropfen der Bäume und unserer geistlichen Einpflanzung in Christus ergeben. Natürlicherweise zieht das Pfropfreis seine Nahrung aus der Wurzel, behält aber die Eigenart seiner ursprünglichen Früchte. Geistlicherweise aber ziehen wir aus Christus nicht bloß Kraft und Lebenssaft, sondern wir gehen aus unserer Natur in die Seinige über. Der Apostel wollte nur im Allgemeinen die Wirkungskraft des Todes Christi beschreiben, welche in dem Absterben unseres Fleisches zur Erscheinung kommt, wie auch die Macht der Auferstehung, die neue geistliche Natur zu erwecken.

Dass unser alter Mensch samt ihm gekreuzigt ist, auf dass der sündliche Leib aufhöre, dass wir hinfort der Sünde nicht dienen. – Vom „alten“ Menschen, wie auch vom „Alten“ Bunde, spricht man im Gegensatz zum Neuen. Der alte Mensch fängt an alt zu werden, wenn die beginnende Erneuerung ihn allmählich ums Leben bringt. Gemeint ist unser ganzes natürliches Wesen, welches uns vom Mutterleibe her anhängt, welches so wenig in Gottes Reich eingehen kann, dass es in demselben Maße vergehen muss, als das wahre Leben in uns wächst. Dieser alte Mensch ist mit Christus gekreuzigt, weil er durch Christi Kraft und namentlich durch die Gemeinschaft Seines Todes den Todesstoß empfängt. „Gekreuzigt“ schreibt ja der Apostel nicht etwa, um weniger zu sagen als „getötet“, und um auszudrücken, dass in irgendeinem Grade der alte Mensch noch lebt. Das würde einen an sich ganz richtigen, aber im vorliegenden Zusammenhange völlig unpassenden Gedanken ergeben. Der sündliche Leib, von welchem Paulus redet, kommt nicht in Betracht, sofern er Fleisch und Bein ist, sondern nach seiner Naturart: Der seiner Natur überlassene Mensch ist ein Gebilde von lauter Sünde. Als Zweck der Abtötung wird verzeichnet: Dass wir hinfort der Sünde nicht dienen. Daraus ergibt sich die Folgerung, dass, solange wir Kinder Adams und nichts als natürliche Menschen sind, wir dermaßen in der Knechtschaft der Sünde stehen, dass wir nicht anders können als sündigen. Erst die Einpflanzung in Christus befreit uns von diesem elenden Zwang, nicht als ob alle Sünde sofort ein Ende hätte, aber so, dass wir doch endlich den Sieg gewinnen werden.