RÖMER

Römer Kapitel 6 Teil I

Römer 6.1-2

Was wollen wir hierzu sagen? Sollen wir denn in der Sünde beharren, auf dass die Gnade desto mächtiger werde? Das sei ferne! Wie sollten wir in der Sünde wollen leben, der wir abgestorben sind?

 

Was wollen wir hierzu sagen? – In diesem ganzen Kapitel redet der Apostel davon, wie Christus fälschlich auseinander gerissen wird, wenn man behauptet, dass Er uns Seine Gerechtigkeit aus Gnaden schenke, ohne zugleich ein neues Leben zu wecken. Er kleidet diese fehlerhafte Ansicht in eine schroffe Form und stellt die Frage, ob man denn nicht der Gnade den größten Raum eröffne, wenn man ruhig an der Sünde hängen bleibt! Nichts geschieht ja leichter, als dass das Fleisch es sich unter irgendeinem Vorwande bequem macht. Und dann ersinnt der Satan allerlei Verleumdungen, um mit leichter Mühe die Lehre von der Gnade in üblen Ruf zu bringen. Denn da es für die menschliche Vernunft nichts Fremdartigeres gibt als die Predigt von der freien Gnade Christi, so kann es uns nicht überraschen, wenn unsere fleischliche Vernunft die Lehre von der Rechtfertigung aus Glauben zwar annimmt, dann aber die verkehrtesten Folgerungen daraus zieht. Wir können aber deshalb nicht ablassen, die Wahrheit zu bezeugen und dürfen von Christus nicht stille schweigen, weil Er für viele ein Stein des Anstoßes und ein Fels des Ärgernisses ist. Denn derselbe Christus, welcher den Gottlosen zum Fall wird, ist den Frommen zum Auferstehen gesetzt. Immerhin muss man unzeitigen Fragen zuvor kommen, damit nicht der Verdacht bestehen bleibt, dass die christliche Lehre Torheiten in sich schließe. Der Apostel beschäftigt sich nun mit dem geläufigsten Einwurf gegen die Predigt der göttlichen Gnade; nämlich: Wenn es wahr wäre, dass Gottes Gnade den größten Raum für ihre Verzeihung findet, wo die größte Last der Sünde ist, so könne man ja nichts Nützlicheres ausdenken, als immer tiefer zu fallen und mit immer neuen Sünden Gottes Zorn zu reizen. Dabei müssten wir ja wohl am reichlichsten Gnade erfahren. Wie der Apostel diese Torheit widerlegt, werden wir alsbald sehen.

Das sei ferne! – Es könnte scheinen, als wollte dieser Ausruf den frevelhaften Unsinn ohne weitere Widerlegung einfach als solchen kennzeichnen. Andere Stellen aber (Römer 3.6; 9.4; Galater 2.17; 3.21) zeigen, dass Paulus diese Redewendung auch gebraucht, wo er keineswegs auf einen mitunter sehr ausführlichen Beweis verzichtet. So wird er auch hier alsbald den verleumderischen Einwurf gründlich widerlegen. Zunächst aber soll der Ausdruck des Abscheus dem Leser eine Empfindung davon erwecken, wie ungereimt es ist, dass Christi Gnade, die doch unsere Ungerechtigkeit heilen will, uns im Laster bestärken solle!

Wie sollten wir in der Sünde wollen leben, der wir abgestorben sind? – Ein Beweis aus der Behauptung des Gegenteils. Wer nämlich sündigt, der lebt unbestreitbar der Sünde. Wir aber sind durch Christi Gnade der Sünde gestorben. Also ist es falsch, der Sünde, die Christus austilgt, noch eine Lebenskraft zu belassen. Denn der Tatbestand liegt so: Wenn Gott die Gläubigen mit sich versöhnt, so schenkt Er ihnen stets auch ein neues Leben. Ja, es ist der Zweck der Rechtfertigung, dass wir dann dem Herrn in Reinheit unseres Lebens dienen. Wenn uns Christus mit Seinem Blute wäscht und durch Sein Sühneopfer einen gnädigen Gott schafft, so gibt Er uns zugleich Anteil an Seinem Geiste, welcher die Erneuerung zu heiligem Leben schafft. Es würde also eine schlimme Verkehrung des Werkes Gottes bedeuten, wenn die in Christus geschenkte Gnade Gelegenheit bieten sollte, der Sünde neue Kräfte zuzuführen. Die Arznei nährt die Krankheit nicht, gegen welche sie gegeben wird. Übrigens müssen wir im Gedächtnis behalten, was schon früher kurz festgestellt wurde (zu 2.11), dass Paulus hier nicht davon redet, in welchem Zustand uns Gott zur Gemeinschaft Seines Sohnes beruft, sondern wie wir werden müssen, nachdem die freie Gnade uns zu Kindern Gottes angenommen hat.