RÖMER

Römer Kapitel 4 Teil VII

Römer 4.14-15

Denn wo die vom Gesetz Erben sind, so ist der Glaube nichts, und die Verheißung ist abgetan. Sintemal das Gesetz nur Zorn anrichtet; denn wo das Gesetz nicht ist, da ist auch keine Übertretung.

 

Denn wo die vom Gesetz Erben sind, so ist der Glaube nichts, und die Verheißung ist abgetan. – Wenn unsere Gegner nur auf diesen einen Grund hören wollten, so müssten sie bald nachgeben. Der Apostel setzt als über jeden Zweifel erhaben voraus, dass Gottes Verheißungen nur ihre Kraft beweisen können, wenn wir sie mit gewisser Zuversicht des Herzens ergreifen. Was aber würde geschehen, wenn man die Seligkeit auf den Gehorsam gegen das Gesetz gründete? Die Gewissen würden alle Gewissheit verlieren und würden unter der Qual fortwährender Unruhe endlich in völlige Verzweiflung versinken. So würde die Verheißung samt ihrer Frucht dahinfallen, denn sie wäre an eine unmögliche Bedingung geknüpft. Soll sich der Glaube auf Werke stützen, so ist es aus mit ihm, denn nur auf Gottes Erbarmen kann die Seele ruhen. Daraus lernen wir zugleich, was Glaube ist: Er ist mehr als die kalte Überzeugung, dass Gott existiert und Sein Wort Wahrheit ist; er ist eine gewisse Zuversicht zu Gottes Erbarmen, aus dem Evangelium geschöpft, welche den Frieden eines guten Gewissens zu Gott und Ruhe der Seele schafft. In Summa: Hängt die Seligkeit an der Erfüllung des Gesetzes, so kann das Gemüt niemals darüber stille sein, dass wir selig werden, alle Verheißungen Gottes werden gegenstandslos. So verloren und verkauft sind wir, wenn man uns an Werke bindet. Und wir brauchen doch Gewissheit des Heils.

Sintemal das Gesetz nur Zorn anrichtet; denn wo das Gesetz nicht ist, da ist auch keine Übertretung. – Der Satz von der Gerechtigkeit aus Glauben empfängt nun einen Beweis durch die gegenteilige Wirkung des Gesetzes. Denn wenn das Gesetz nur Zorn und Strafe herbeiführt, kann es nicht Gnade bringen. Guten und sündlosen Menschen würde freilich das Gesetz den Weg zum Leben eröffnen; sündigen und schwachen aber zeigt es nur, was sie nicht leisten können, gibt auch keine Kraft, es zu tun, sondern stellt sie als schuldig vor Gottes Richterstuhl. Denn nach der verderbten Art unserer Natur deckt ja ein Unterricht über das, was recht und gut ist, unsere Verkehrtheit und namentlich unsere Widerspenstigkeit nur offensichtlicher auf. So muss Gottes Gericht umso schwerer ausfallen. Unter „Zorn“ verstehen wir nämlich hier, wie an vielen andern Stellen, Gottes Gericht. Zwar denken manche Ausleger an den Zorn des Sünders, welchen die Predigt des Gesetzes erregt; man hasst den Gesetzgeber und flucht ihm, von welchem man hört, dass er unserer Begierde feind ist. So richtig und fein dieser Gedanke ist, so wenig steht er in unserm Texte. Paulus will nur sagen: Das Gesetz kann uns allen nichts als Verdammnis bringen. Dies geht sowohl aus dem Wortlaut wie aus der Fortsetzung des Gedankens hervor: Wo das Gesetz nicht ist, da ist auch keine Übertretung. Nachdem das Gesetz uns lehrt, was Gottes Gerechtigkeit fordert, wiegt unsere Sünde gegen Gott nur umso schwerer, und wir verlieren jede Entschuldigung. Denn mit Recht greift eine schwerere Strafe Platz, wo man den erkannten Willen Gottes mutwillig verachtet, als wo nur die Unwissenheit sündigt. Unter „Übertretung“ versteht der Apostel dabei nicht jeden Verstoß gegen die Gerechtigkeit, wie er freilich immer und überall zu finden ist, sondern einen freventlichen Ungehorsam, welcher wohl vernommen hat, was Gott gefällt oder missfällt, und dennoch die im Worte Gottes gezogenen Schranken mit Wissen und Willen durchbricht.