RÖMER

Römer Kapitel 3 Teil VIII

Römer 3.23-26

Denn es ist hier kein Unterschied: sie sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten, und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, so durch Christum Jesum geschehen ist, welchen Gott hat vorgestellt zu einem Gnadenstuhl durch den Glauben in seinem Blut, damit er die Gerechtigkeit, die vor ihm gilt, darbiete in dem, dass er Sünde vergibt, welche bisher geblieben war unter göttlicher Geduld; auf dass er zu diesen Zeiten darböte die Gerechtigkeit, die vor ihm gilt; auf dass er allein gerecht sei und gerecht mache den, der da ist des Glaubens an Jesum.

 

Denn es ist hier kein Unterschied. – Alle ohne Ausnahme sollen ihre Gerechtigkeit einzig in Christus suchen. Nicht darf sich der eine hierhin, der andere dorthin wenden; alle müssen den Weg des Glaubens gehen, weil sie als Sünder keinen Grund zum Ruhm vor Gott haben. Es bleibt auch kein Raum für eine halbe Gerechtigkeit, Paulus nimmt dem Sünder jeglichen Ruhm – so könnte er nicht sprechen, wenn wir halb durch unsere Werke, halb durch Gottes Gnade gerechtfertigt würden. Wo überhaupt Sünde sich findet, da ist so lange keine Gerechtigkeit, bis Christus den Fluch hinweg nimmt. Deshalb heißt es in Galater 3.10-13: „Die mit des Gesetzes Werken umgehen, die sind unter dem Fluch … Christus aber hat uns erlöset von dem Fluch des Gesetzes.“

Ruhm, den sie bei Gott haben sollten. – Dies ist ein solcher, den Gott ihnen zusprechen könnte. Wie es in Johannes 12.43 heißt: „Sie hatten lieber Ruhm bei Menschen als Ruhm bei Gott.“ So werden wir wiederum von menschlichem Beifall hinweg auf Gottes Gericht gewiesen.

Und werden ohne Verdienst gerecht. – Da den Menschen, welche von Gottes gerechtem Gericht getroffen werden, nichts bleibt als Verderben, so müssen sie die Rechtfertigung bei der freien Gnade suchen. Christus kommt unserm Elend zu Hilfe, teilt sich den Gläubigen mit und lässt sie in Seiner Person alles finden, was ihnen selbst fehlt. In der ganzen Bibel steht fast kein anderer Spruch, der so trefflich die Kraft der Gerechtigkeit bezeugt. Ohne unser Verdienst, aus Seiner Gnade spricht uns Gott gerecht. Der einfache Gegensatz von Gnade und Verdienst hätte auch genügt, aber der doppelte Ausdruck prägt umso tiefer ein, dass es sich nicht um eine Halbheit handelt, sondern dass Gottes Erbarmen ganz allein eine volle Gerechtigkeit schafft.

Durch die Erlösung, so durch Christum Jesum geschehen ist. – Das ist der tragende Grund unserer Gerechtigkeit, dass Christus durch Seinen Gehorsam dem Gerichte des Vaters Genüge geleistet und als unser Stellvertreter uns von der Herrschaft des Todes befreit hat, die uns gefangen hielt. Durch sein sühnendes Opfer ward unsere Schuld getilgt. Daraus lässt sich von neuem ersehen, dass unsere Rechtfertigung durchaus nicht als eine innerliche Erneuerung vorgestellt werden darf. Denn wenn Gott uns als gerecht gelten lässt, weil ein Preis für uns entrichtet ward, so versteht sich ja von selbst, dass wir anderswoher entlehnen, was man in uns nicht finden kann. Was jene „Erlösung“ bedeutet und worauf sie zielt, führt Paulus sofort weiter aus: Wir werden mit Gott versöhnt. Denn Christus wird (Vers 25) eine „Sühne“, oder besser (damit der Anklang an das alttestamentliche Vorbild deutlicher werde) ein „Sühnopfer“ genannt. Was heißt das aber anders, als dass wir dadurch gerecht werden, dass Christus uns einen gnädigen Vater schafft? Aber diese Worte fordern genauere Erwägung.

Welchen Gott hat vorgestellt. – Herrlicher Lobpreis der Gnade, welche aus freiem Triebe einen Weg suchte und fand, unsern Fluch zu bannen! Unser Wort deckt sich ganz mit dem Spruche (Johannes 3.16): „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab.“ Den Er längst der Welt zum Mittler bestimmt hatte, hat Gott zu Seiner Zeit öffentlich vorgestellt. Das Wort Gnadenstuhl erinnert daran, dass uns in Christus wahrhaftig geschenkt wird, was der Alte Bund im ahnungsvollen Schattenbilde darstellte. Paulus will uns damit einprägen, dass Gott, abgesehen von Christus, Zorn gegen uns hegt; durch Christus aber kommt die Versöhnung zustande, indem Seine Gerechtigkeit uns Gott angenehm macht. Gott verwirft ja an uns nicht Sein eignes Werk, das, was Er selbst ursprünglich geschaffen hat. Er verwirft vielmehr unsere Unreinigkeit, welche den Glanz Seines Ebenbildes verwischt hat. Sobald Christi Reinigung diese abgewaschen, liebt und küsst uns der Vater als Sein neu gereinigtes Werk.

Ein Gnadenstuhl durch den Glauben in seinem Blut. – So möchte ich die Worte des Apostels in geschlossenem Zusammenhange wiedergeben. Denn er scheint sagen zu wollen: Wir haben einen versöhnten Gott, sobald unser Glaube auf dem Blute Christi ruht. Durch den Glauben kommen wir erst in den wirklichen Besitz der Wohltat Christi. Wenn aber Paulus allein das Blut erwähnt, will er andere Stücke des Erlösungswerkes sicher nicht ausschließen, sondern unter einem wesentlichen Stück das Ganze begreifen. Dabei wird gerade das Blut genannt, weil es das Mittel ist, die Sünde abzuwaschen.

In dem, dass er Sünde vergibt. – Durch Vergebung der Sünden bietet Gott die Gerechtigkeit dar. Daraus wird noch einmal klar, dass unsere Gerechtigkeit auf bloßer Zurechnung ruht, nicht aber darauf, dass wir etwa in tatsächlich Gerechte verwandelt würden. Mit immer wieder neuen Worten schließt der Apostel bei dieser Gerechtigkeit jedes eigene Verdienst aus. Erlangen wir die Gerechtigkeit durch Vergebung der Sünden, so muss dieselbe ja wohl außer uns liegen. Und wenn die Vergebung ein Geschenk der freien Gnade ist, so fällt jedes Verdienst. Es fragt sich aber, weshalb Paulus lediglich an die Vergangenheit zurückdenkt und allein von der Sünde redet, welche bisher geblieben war unter göttlicher Geduld. Er erinnert damit an die alttestamentlichen Sühneordnungen, welche wohl auf die zukünftige Genugtuung weissagen, nicht aber Gottes Gnade wirklich erwerben konnten. In demselben Sinne sagt der Hebräerbrief (9.15), dass durch Christus eine Erlösung von den Übertretungen vollbracht sei, welche unter dem Alten Bunde noch bestehen blieben. Natürlich soll das nicht heißen, dass Christi Tod nur die Sünden der vergangenen Zeit gesühnt habe. Vielmehr will Paulus andeuten, dass bis zu Christi Tod kein vollgültiges Mittel da war, um Gott zu versöhnen, auch nicht in den Schattenbildern des Gesetzes. Die Wahrheit und Wirklichkeit traten erst in der Zeit der Erfüllung ein. Selbstverständlich gibt es auch zur Sühne der Sünden, welche wir noch täglich begehen, kein anderes Mittel. Von göttlicher Geduld redet Paulus aber, um der Verwunderung darüber zu begegnen, dass die Gnade so spät erschienen ist. Voller Sanftmut hat Gott Sein Gericht hintangehalten und hat Seinen Flammen gewehrt, zu unserm Verderben hervorzubrechen, bis endlich die Zeit erfüllet war, dass Er uns in Seine Gnade aufnahm.

Auf dass er zu diesen Zeiten darböte die Gerechtigkeit. – Mit gewaltigem Nachdruck wird dieser Satz wiederholt, weil Paulus ihn besonders einschärfen wollte. Denn nichts geht dem Menschen schwerer ein, als auf sich selbst zu verzichten und alles von Gott zu erwarten. Im Besonderen sollten die Juden erinnert werden, wohin es galt, die Augen zu richten.

Zu diesen Zeiten. – Keinem Zeitalter fehlten Offenbarungen der göttlichen Gnadengerechtigkeit gänzlich. Aber völlig und klar wurde diese Offenbarung erst, als die Sonne der Gerechtigkeit aufging und Christus uns geschenkt ward. Jetzt ist die angenehme Zeit und der Tag des Heils. Das Alte Testament besaß die Wahrheit nur verhüllt.

Auf dass er allein gerecht sei und gerecht mache den, der da ist des Glaubens an Jesum. – Hier empfangen wir die weitere Beschreibung der Gerechtigkeit, welche durch Christi Ankunft oder, wie es im ersten Kapitel (1.17) heißt, im Evangelium offenbart ward. Dieselbe besteht in zwei Stücken. Zuerst ist Gott selbst gerecht, nicht als einer unter vielen Gerechten, sondern als der, welcher allein in sich alle Fülle der Gerechtigkeit trägt. Nur so zollt man Gott Seine ganze Ehre, wenn man ihn allein gerecht und die ganze Menschheit ungerecht sein lässt. Zweitens teilt Gott Seine Gerechtigkeit aus: Er will Seinen Reichtum nicht bei sich verschließen, sondern den Menschen zufließen lassen. So erscheint Gottes Gerechtigkeit in uns, wenn Er uns durch den Glauben an Christus gerecht spricht. Denn Christus wäre uns umsonst zur Gerechtigkeit geschenkt, wenn wir Ihn nicht im Glauben genießen wollten.