RÖMER

Römer Kapitel 3 Teil V

Römer 3.10-18

Wie denn geschrieben steht: „Da ist nicht, der gerecht sei, auch nicht einer.  Da ist nicht, der verständig sei; da ist nicht, der nach Gott frage. Sie sind alle abgewichen und allesamt untüchtig geworden. Da ist nicht, der Gutes tue, auch nicht einer. Ihr Schlund ist ein offenes Grab; mit ihren Zungen handeln sie trüglich. Otterngift ist unter ihren Lippen; ihr Mund ist voll Fluchens und Bitterkeit. Ihre Füße sind eilend, Blut zu vergießen; auf ihren Wegen ist eitel Schaden und Herzeleid, und den Weg des Friedens wissen sie nicht. Es ist keine Furcht Gottes vor ihren Augen.“

 

Wie denn geschrieben steht. – Bisher hat Paulus Vernunftgründe aufgerufen, um den Menschen ihre Sündhaftigkeit zu beweisen. Jetzt fügt er einen Autoritätsbeweis hinzu; ein solcher wiegt ja bei den Christen am schwersten, wenn sie nur Gottes alleinige Autorität anerkennen. Hier mögen sich die Lehrer der Kirche über ihre Pflicht unterrichten lassen. Denn wenn Paulus keine Lehre vorträgt, ohne sie mit einem Schriftbeweise zu bekräftigen, so müssen wir dies noch in weit höherem Maße so halten, denn wir haben ja nur den Auftrag, das Evangelium zu predigen, welches wir durch Vermittlung des Paulus und anderer Zeugen überkommen haben.

Da ist nicht, der gerecht sei. – In der Anordnung der Sprüche, die er übrigens ziemlich frei, mehr nach dem Sinne als genau nach dem Buchstaben anführt, scheint der Apostel den Gesamtgehalt der Ungerechtigkeit, die nach dem Urteil der Schrift im Menschen steckt, vorangestellt zu haben. Dann lässt er die Früchte der Ungerechtigkeit Stück für Stück folgen. Zuerst (Vers 11):

Da ist nicht, der verständig sei. – Den Beweis für diesen Unverstand liefert der folgende Satz: Da ist nicht, der nach Gott frage. Denn ein noch so gebildeter Mensch, hinter dessen Wissen keine Erkenntnis Gottes steckt, ist hohl. Alle Wissenschaften und Künste, die ja an sich selbst gut sind, werden ohne dieses Fundament eitel.

Weiter (Vers 12) folgt: Da ist nicht, der Gutes tue. – Dieser Satz deutet auf den Verlust der menschlichen Gutherzigkeit. Gotteserkenntnis ist das beste Band der Menschen untereinander; denn der gemeinsame Vater einigt, die sonst zerstreut sind. Unkenntnis Gottes hat unmenschliches Wesen im Gefolge, keiner kümmert sich mehr um den andern, jeder liebt und sucht nur sich selbst.

Gegensätzlich wird hinzugefügt (Vers 13): Ihr Schlund ist ein offenes Grab. – Das heißt ein Abgrund, der die Menschen verschlingen will. Das ist mehr, als wenn der Apostel etwa von „Menschenfressern“ geredet hätte. Wir haben hier vielmehr das Übermaß der Ungeheuerlichkeit, dass eine Menschenkehle wie ein Schlund gedacht ist, der ganze Menschen mit einem Male hinab schlingen kann. Eben dahin zielen die folgenden Sätze: Mit ihren Zungen handeln sie trüglich; Otterngift ist unter ihren Lippen. Wenn es weiter heißt: Ihr Mund ist voll Fluchens und Bitterkeit, so steht dies eigentlich im Gegensatz zur vorigen Aussage; aber es soll deutlich werden, dass die Gottlosen nach jeder Richtung Bosheit ausatmen. Reden sie sanft, so ist es Täuschung, und unter Schmeichelreden bieten sie Gift aus. Schütten sie offen aus, was sie im Herzen tragen, so kommt Fluch und Bitterkeit hervor.

Ganz besonders passend ist (Vers 16) der alsbald folgende Spruch aus Jesaja: Auf ihren Wegen ist eitel Schaden und Herzeleid. Das ist ein anschauliches Bild mehr als barbarische Wildheit, welche, wohin sie tritt, nur öde Wüsteneien zurücklässt.

Weiter heißt es (Vers 17): Den Weg des Friedens wissen sie nicht; denn sie haben sich dermaßen an Räubereien, Gewalttaten, Unrecht, Grausamkeit und Rohheit gewöhnt, dass sie verlernt haben, irgendetwas freundlich und gütig zu tun.

Zum Schluss (Vers 18) wird mit einem andern Worte wiederholt, was wir schon anfangs sagten, dass alle Laster aus der Verachtung Gottes hervorgehen. Ist die Furcht Gottes der Weisheit Anfang, so bleibt nichts mehr richtig und zuverlässig, sobald man davon weicht. Sie ist ein Zügel unserer Bosheit: Fehlt derselbe, so stürmen wir vorwärts in zügelloses Laster.

Doch damit niemand glaube, dass diese Bibelstellen unpassender weise aus dem Zusammenhang gerissen seien, wollen wir jede einzelne in ihrem ursprünglichen Zusammenhang erwägen. In Psalm 14.1 sagt David: Die Verkehrtheit der Menschen sei so ausgebreitet, dass Gott bei genauer Betrachtung auch nicht einen einzigen Gerechten finden konnte. Da nun Gott nichts zu entgehen vermag, muss das Verderben das gesamte Menschengeschlecht durchdringen. Der Schluss des Psalms redet nun freilich von Israels Erlösung; aber wir werden bald zeigen, wie und inwieweit die Heiligen dem allgemeinen Verderben enthoben werden. In den andern Psalmen klagt David über die Schlechtigkeit seiner Feinde, nun steht er aber mit den Seinen als Vorbild des Reiches Christi da; unter der Gestalt seiner Feinde erscheinen also alle, welche fern von Christus, von Seinem Geist sich nicht leiten lassen. Jesaja deutet mit klaren Worten auf Israel; die gegen dieses erhobene Anklage trifft aber noch viel mehr auch die Heiden.

Was folgt aus dem allen? Dass ohne Zweifel alle diese Aussagen beschreiben, wie der Mensch von Natur ist, wenn er sich selbst überlassen bleibt. So sind nach dem Zeugnis der Schrift alle, die nicht durch Gottes Gnade wiedergeboren wurden. Der Zustand der Heiligen würde dabei um nichts besser sein, wenn ihre Sündhaftigkeit nicht Heilung erfahren hätte. Damit sie aber nicht vergessen, dass sie von Natur auf der gleichen Stufe stehen, müssen sie in den Überresten des Fleisches, welche sie stetig umgeben, den Samen aller Sünden noch immer spüren, der unaufhörlich seine Früchte bringen würde, wenn die Abtötung es nicht hinderte. Und diese verdanken sie nicht ihrer Natur, sondern der Barmherzigkeit des Herrn. Nun ist allerdings nicht jeder Mensch mit allen hier aufgeführten Fehlern behaftet. Dass dieselben trotzdem mit Fug und Recht der menschlichen Natur zugeschrieben werden müssen, wurde zu 1.26 ausgeführt.