RÖMER

Römer Kapitel 3 Teil I

Römer 3.1-2

Was haben denn die Juden für Vorteil, oder was nützt die Beschneidung? Fürwahr sehr viel. Zum ersten: ihnen ist vertraut, was Gott geredet hat.

 

Bisher hatte Paulus unwidersprechlich bewiesen, dass die bloße Beschneidung den Juden nichts helfen könne. Und doch ließ sich nicht jeder Unterschied zwischen den Heiden und den Juden, denen ja dies göttliche Zeichen aufgedrückt war, wegleugnen. Unmöglich durfte dieser von Gott selbst geschaffene Abstand für nichtig und bedeutungslos erklärt werden. So galt es noch, diesen Anstoß zu heben. Mochte immerhin der Ruhm, welchen die Juden aus der Beschneidung ableiteten, ein eitler sein, so blieb doch die Frage, wozu denn Gott überhaupt diese heilige Handlung eingesetzt habe, wenn sich nicht irgendeine Frucht derselben aufzeigen ließ? Also beseitigt Paulus einen fragenden Einwurf, den man leicht gegen seine bisherige Aussprache erheben konnte, mit der im Voraus gestellten Gegenfrage: Was haben denn die Juden für Vorteil? Und den eigentlichen Anlass dieser Frage enthüllt die nächste: Was nützt die Beschneidung? Denn eben sie hob ja die Juden über die sonstige Menschheit empor, wie Paulus (Epheser 2.14) die Zeremonien überhaupt als den Zaun bezeichnete, welcher Juden und Heiden trennte.

Fürwahr sehr viel. – Damit empfängt das Sakrament die ihm gebührende Ehre, die doch für die Juden keinen Anlass zur Überhebung bot. Denn wenn diejenigen, welche zu Kindern Gottes angenommen werden sollten, mit dem Zeichen der Beschneidung gezeichnet wurden, so lässt sich verstehen, dass sie ihrem Vorzug nicht irgendwelchem Verdienst oder eigener Würdigkeit verdankten, sondern der freien Wohltat Gottes. Sieht man auf die Menschen, so bleiben sie den andern völlig gleich. Sieht man auf Gottes Wohltaten, so lehrt der Apostel, dass nur in ihnen der Vorrang vor den andern Völkern beruhte.

Zum ersten: ihnen ist vertraut, was Gott geredet hat. – Viele Ausleger meinen, dass mit diesem scheinbar ersten Stück einer Aufzählung die Rede einen Ansatz nimmt, dessen Fortsetzung vergessen wird. Ich aber finde hier gar nicht den Anfang einer Reihe, sondern „das erste“ soll nur heißen: Das wichtigste. In dem Sinne: Wenn die Juden nur den einen Vorzug besäßen, dass Gottes Wort ihnen anvertraut ward, so würde dies eine hinreichen, ihre Ausnahmestellung zu begründen. Dabei erscheint bemerkenswert, dass Paulus den Nutzen der Beschneidung nicht im bloßen Zeichen findet, sondern nach dem Worte bemisst. Die Frage lautet: Was bringt den Juden das Sakrament? Und die Antwort: Gott hat den Schatz himmlischer Weisheit bei ihnen niedergelegt. Daraus folgt, dass, wenn man das Wort wegnimmt, nichts von Vorzug mehr übrig bleibt. „Was Gott geredet hat“ ist der Inhalt des Bundes, welchen Gott zuerst dem Abraham, dann dessen Nachkommen eröffnete, welcher nachmals durch das Gesetz und die Propheten festgelegt und erläutert wurde. Diese Worte Gottes wurden den Juden anvertraut, damit sie dieselben so lange verwahren sollten, als der Herr Seine Herrlichkeit unter ihnen wohnen lassen wollte. Dann, zur verordneten Zeit der Austeilung, sollten sie das Wort der ganzen Welt bekanntmachen. Zuerst sollten sie Hüter, danach Verwalter desselben sein.

Es ist nun eine über alles rühmenswerte Wohltat, dass Gott ein Volk der Mitteilung seines Wortes würdigt, so können wir unsere Undankbarkeit gar nicht genug verabscheuen, welche Gottes Wort oft so nachlässig, träge und unehrerbietig aufnimmt.