RÖMER

Römer Kapitel 15 Teil III

Römer 15.7-12

Darum nehmet euch untereinander auf, gleichwie euch Christus hat aufgenommen zu Gottes Lobe. Ich sage aber, dass Jesus Christus sei ein Diener gewesen der Juden um der Wahrhaftigkeit willen Gottes, zu bestätigen die Verheißungen, den Vätern geschehen; dass die Heiden aber Gott loben um der Barmherzigkeit willen, wie geschrieben steht: „Darum will ich dich loben unter den Heiden und deinem Namen singen.“ Und abermals spricht er: „Freuet euch, ihr Heiden, mit seinem Volk!“ Und abermals: „Lobet den Herrn, alle Heiden, und preiset ihn, alle Völker!“ Und abermals spricht Jesaja: „Es wird sein die Wurzel Jesse´s, und der auferstehen wird, zu herrschen über die Heiden; auf den werden die Heiden hoffen.“

 

Darum nehmet euch untereinander auf. – Nunmehr lenkt die Rede zur Ermahnung zurück, wobei sie uns noch immer Christi Beispiel vor Augen stellt. Glieder Christi sind ja nicht bloß diese und jene, sondern alle Christen. In Ihm sind sie zur Einheit verbunden. Also müssen sie einander tragen und helfen, sonst können sie nicht in Ihm bleiben. Wir werden also unsere Berufung festmachen, wenn wir uns von denen nicht loslösen, an welche der Herr uns gebunden hat. Die Worte zu Gottes Lobe können auf das bezogen werden, was Christus getan hat, oder auf das, was wir tun sollen. Die letztere Auffassung finde ich richtiger: Wie Christus, da wir des Erbarmens bedurften, uns zum Lobe der Gnade Gottes mit Seiner Liebe umfasst hat, so sollen wir zum Lobe desselben Gottes jene Gemeinschaft, die wir in Christus haben, durch unser Verhalten bekräftigen und stärken.

Ich sage aber, dass Jesus Christus sei ein Diener gewesen der Juden um der Wahrhaftigkeit willen Gottes, zu bestätigen die Verheißungen, den Vätern geschehen. – Jetzt beweist uns der Apostel, wie Christus tatsächlich zu uns allen sich herabgelassen hat. Dabei schwindet jeder Unterschied zwischen Juden und Heiden. Nur wurde der Erlöser zuerst dem jüdischen Volk versprochen und zu besonderem Eigentum bestimmt, ehe Er auch den Heiden geschenkt ward. Nun aber ist jeder angebliche Vorzug, welcher die Quelle aller Streitigkeiten bildete, dahingefallen. Denn Christus hat beide Teile aus elender Zerstreuung gesammelt und in das Reich des Vaters geführt, damit in einer Hürde eine Herde unter einem Hirten werde. Deshalb gibt Paulus zu verstehen, dass man die gegenseitige Eintracht pflegen und kein Teil den andern verachten solle: Denn auch Christus hat keinen verachtet. Zuerst nun redet der Apostel von den Juden und sagt, Christus sei zu ihnen gesandt um der Wahrhaftigkeit Gottes willen, das heißt um wahr zu machen, was Gott ihnen versprochen hat, zu bestätigen die Verheißungen, den Vätern geschehen. Welche Ehre tut Christus, der Herr Himmels und der Erde, diesem Volke an, dass Er zu seinem Heil ins Fleisch kommt! Und umso höher war die Ehre für die Israeliten, je tiefer Er sich um ihretwillen herabgelassen hat.

Dass die Heiden aber Gott loben um der Barmherzigkeit willen, wie geschrieben steht: „Darum will ich dich loben unter den Heiden und deinem Namen singen.“ – Bei dem zweiten Gliede seines Beweises verweilt Paulus etwas ausführlicher, weil ja die Tatsache, dass Christus auch die Heiden angenommen habe, nicht so allgemein anerkannt war. Das erste Zeugnis, welches der Apostel beibringt, stammt aus Psalm 18.50 (vergleiche 2. Samuel 22.50). Dieser Psalm birgt ohne Zweifel eine Weissagung auf das Königreich Christi in sich. Dass dazu nun auch die Berufung der Heiden gehören werde, beweist Paulus, indem er an Vers 50 erinnert, wo es heißt, dass auch unter den Heiden Gottes Lobpreis erschallen soll. Denn niemand vermöchte unter den Heiden den Herrn zu erheben, wenn sie diesen Lobpreis nicht vernehmen könnten. Soll also unter den Heiden Gottes Name gelobt werden, so muss ihnen zuvor die rechte Erkenntnis geschenkt und die Gemeinschaft des Volkes Gottes eröffnet sein. Denn überall in der Schrift steht der Grundsatz fest, dass man Gottes Ruhm nur in der Gemeinschaft der Gläubigen verkünden kann, welche für diese Botschaft empfängliche Ohren besitzen.

„Freuet euch, ihr Heiden, mit seinem Volk!“ – Die gewöhnliche Ansicht, nach welcher dieser Spruch dem Liede Mose (5. Mose 32.43) entlehnt sein soll, vermag ich nicht zu billigen. Denn dort liegt es dem Mose weit mehr an, die feindlichen Heidenvölker mit Israels Größe zu schrecken als sie zu gemeinsamer Freude aufzufordern. Vielmehr scheint der Spruch aus Psalm 67.5 zu stammen, wo es heißt: „Die Völker sollen sich freuen und jauchzen, dass du die Leute recht richtest und regierest die Leute auf Erden.“ Aus seinem eignen fügt nun Paulus zur Erläuterung hinzu: Mit seinem Volk. Denn tatsächlich ermuntert der Sänger des Psalms die Heiden, sie möchten mit Israel in die Freude einstimmen, die allein auf der Erkenntnis Gottes ruht.

„Lobet den Herrn, alle Heiden, und preiset ihn, alle Völker!“ – Auch dieser Spruch passt trefflicher hierher. Denn wie sollten die Heiden Gott loben, ohne Seine Größe zu kennen? Das ist ebenso wenig möglich, als dass sie einen Namen anrufen sollten, der ihnen nicht verkündigt wäre. Also birgt der Psalmspruch (Psalm 117.1) eine Weissagung von der Berufung der Heiden in sich. Dies ergibt sich mit voller Deutlichkeit aus seiner Fortsetzung (Psalm 117.2): Für seine Gnade und Wahrheit sollen die Heiden Gott preisen.

Und abermals spricht Jesaja: „Es wird sein die Wurzel Jesse´s, und der auferstehen wird, zu herrschen über die Heiden; auf den werden die Heiden hoffen.“ – Diese Weissagung ist die herrlichste von allen. Der Prophet (Jesaja 11.1 ff. & 11.10 ff.) tröstet nämlich in einer Zeit völliger Verzweiflung die dürftigen Reste der Gläubigen: Aus dem dürren und erstorbenen Wurzelstamme des Hauses Davids wird eine Rute aufgehen, und ein Zweig aus der verachteten Wurzel wird Frucht bringen; Er wird es sein, der Gottes Volk zu früherer Herrlichkeit emporhebt. Dass mit diesem aufschießenden Zweige Christus, der Welt Heiland, gemeint ist, geht aus der Beschreibung des Jesaja deutlich hervor. Und alsbald fügt der Prophet hinzu, dass Christus auch für die Heiden als ein Panier des Heils dasteht. In doppelter Weise bezeugt der Prophetenspruch die Berufung der Heiden: Zuerst heißt es nämlich, dass Christus als ein Panier soll aufgerichtet werden, nun herrscht Er aber doch nur unter Gläubigen. Weiter wird ausdrücklich gesagt, dass die Heiden auf Ihn hoffen werden, und dies kann doch nicht geschehen ohne Predigt des Wortes und Erleuchtung durch den Heiligen Geist. Diese Wahrheit spricht auch der Lobgesang des Simeon aus (Lukas 2.31 f.). Wenn übrigens die Hoffnung der Heiden auf Christus sich richten soll, so ist dies ein Zeugnis Seiner Gottheit.