RÖMER

Römer Kapitel 15 Teil I

Römer 15.1-3

Wir aber, die wir stark sind, sollen der Schwachen Gebrechlichkeit tragen und nicht Gefallen an uns selber haben. Es stelle sich ein jeglicher unter uns also, dass er seinem Nächsten gefalle zum Guten, zur Besserung. Denn auch Christus hatte nicht an sich selber Gefallen, sondern wie geschrieben steht: „Die Schmähungen derer, die dich schmähen, sind auf mich gefallen.“

 

Wir aber, die wir stark sind, sollen der Schwachen Gebrechlichkeit tragen und nicht Gefallen an uns selber haben. – Diejenigen, welche in der Erkenntnis Gottes weiter fortgeschritten sind, sollen die geforderte Nachgiebigkeit nicht als eine gar zu starke Zumutung empfinden. Darum sagt ihnen der Apostel, wozu sie die Kraft verwenden müssen, welche sie vor den andern empfangen haben: Zur Stärkung der Schwachen, damit diese nicht fallen. Hat Gott einem Christen eine reifere Erkenntnis verliehen, so soll ein solcher die Unerfahrenen unterweisen. Hat Gott eine besondere Kraft geschenkt, so soll sie dazu dienen, die Schwachen zu stärken. So sollen alle an Christi Gnadengaben Gemeinschaft haben. Je stärker also jemand in Christus ist, desto mehr ist er verpflichtet, der Schwachen Gebrechlichkeit zu tragen. Heißt es, der Christ solle nicht Gefallen an sich selber haben, so will dies besagen: Er darf sich nicht damit begnügen, nur seinem eignen Wohlgefallen zu leben. So gehen ja nur zu viele achtlos an den Brüdern vorüber und tun, was ihnen gut dünkt. Diese Erinnerung passt trefflich zu dem gerade verhandelten Gegenstand; nichts hindert und stört unsern Gehorsam gegen Gott mehr, als wenn jeder nur an sich denkt, sich nicht um die andern kümmert und allein seinen Stimmungen und Entschlüssen folgt.

Es stelle sich ein jeglicher unter uns also, dass er seinem Nächsten gefalle zum Guten, zur Besserung. – Hier empfangen wir die Lehre, dass unsere Pflicht uns an den Nächsten bindet; ihm müssen wir dienen und uns ihm anpassen; ausnahmslos haben wir den Brüdern nachzugeben, wo wir dies nach Gottes Wort zu ihrer Erbauung können. Der Apostel gibt hier also einen zwiefachen Fingerzeig: Erstens dürfen wir nicht mit unserm Urteil zufrieden sein und uns einfach bei unseren Wünschen beruhigen, sondern wir sollen uns mit allem Eifer so stellen, dass unserem Nächsten Genüge geschieht. Zweitens: In dem Bestreben, dem Bruder nachzugeben, sollen wir Gott vor Augen haben und alles auf die Erbauung oder Besserung ziehen lassen. Viele verstehen dem Nächsten ja nur auf die Weise zu gefallen, dass sie seinen Lüsten und Launen schmeicheln. Und bei den meisten Menschen macht man sich freilich am leichtesten angenehm, nicht wenn man ihr Bestes will, sondern wenn man ihre Torheiten gelten lässt, nicht wenn man auf das sieht, was wahrhaft heilsam ist, sondern was sie zu ihrem eignen Verderben wünschen. Nach dem Wohlgefallen solcher Leute sollen wir allerdings nicht haschen, die selbst nur Gefallen am Schlechten haben.

Denn auch Christus hatte nicht an sich selber Gefallen. – Ist es billig, dass der Knecht nicht zu tun sich weigert, was sein Herr auf sich zu nehmen kein Bedenken trug, so wäre es ja vollends töricht, wenn wir uns zu gut dünkten, der Schwachen Gebrechlichkeit zu tragen, während Christus, unser hoch gelobter Herr und König, zu ihnen sich herabgelassen hat. Er hat gar nicht an sich gedacht, sondern hat Sich im Dienst der Brüder verzehrt. Auf Ihn trifft es wahrhaft zu, was Psalm 69.10 prophetisch ausspricht. Zu diesem Bilde gehört auch der Zug, dass der Eifer um des Herrn Haus Ihn gefressen, und dass die Schmähungen derer, die Gott schmähen, auf Ihn fielen. Das will sagen: Ihn beseelte ein solcher Eifer für Gottes Ehre, Ihn ergriff eine solche Sehnsucht, Gottes Reich zu mehren, dass Er über diesen Anliegen völlig Sich selbst vergaß; Er hat sich mit solcher Inbrunst dem Herrn geweiht, dass Sein Herz zerriss, dass Er es wie Ihm selbst getan fühlte, wenn Er die Schmähungen der Gottlosen Gottes heiligen Namen treffen sah. Herrscht also Christus in uns, wie Er in Seinen Gläubigen herrschen soll, so muss auch in uns die Gesinnung wirksam sein, dass alles, was Gottes Ehre angreift, uns selbst quält, als wäre es uns geschehen. Wehe also den Menschen, die nichts Besseres kennen, als Ehre vor denen, die Gottes Namen schmähen, Christus mit Füßen treten, Sein Evangelium verhöhnen und mit Feuer und Schwert verfolgen!