RÖMER

Römer Kapitel 12 Teil III

Römer 12.4-8

Denn gleicher Weise als wir in einem Leibe viele Glieder haben, aber alle Glieder nicht einerlei Geschäft haben, also sind wir viele ein Leib in Christo, aber untereinander ist einer des andern Glied, und haben mancherlei Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist. Hat jemand Weissagung, so sei sie dem Glauben gemäß. Hat jemand ein Amt, so warte er des Amts. Lehret jemand, so warte er der Lehre. Ermahnt jemand, so warte er des Ermahnens. Gibt jemand, so gebe er einfältig. Regiert jemand, so sei er sorgfältig. Übt jemand Barmherzigkeit, so tue er´ s mit Lust.

 

Denn gleicher Weise als wir in einem Leibe viele Glieder haben, aber alle Glieder nicht einerlei Geschäft haben, also sind wir viele ein Leib in Christo, aber untereinander ist einer des andern Glied. – Was der Apostel davon sagte, dass die Weisheit eines jeden ihr Maß an seinem Glauben finden solle, das bestätigt jetzt ein Blick auf die Berufung aller Gläubigen. Wir sind doch in einer solchen Weise berufen, dass wir zu einem Leibe zusammenwachsen sollen. Wie die Glieder des menschlichen Leibes ineinandergreifen, so will auch Christus eine Gemeinschaft und Verbindung Seiner gläubigen Glieder stiften. Und da die Menschen sich selbst nicht zu solcher Einheit zusammenzufinden vermochten, ist Er selbst das Band und Haupt geworden. Also dasselbe vernünftige Zusammenwirken, welches wir am menschlichen Leibe beobachten, soll auch in der Gemeinschaft der Gläubigen statthaben. Dieses Gleichnis macht sehr anschaulich, wie nötig jeder einzelne bedenken muss, was seiner Natur, seinen Gaben und seiner Berufung angemessen ist. Davon ließen sich ja mancherlei Anwendungen machen. Hier kommt es aber auf eine Wahrheit ganz besonders an: Wie die Glieder eines Leibes verschiedene Verrichtungen haben, zu welchen allein sie passend eingerichtet sind, wie kein Glied alles zugleich ausrichten kann oder auch nur die Geschäfte eines andern mit übernimmt, so hat auch Gott uns mancherlei Gaben verliehen und damit eine Arbeitsteilung geschaffen, die Er gehalten wissen will. Ein jeder soll nach seinem Maße sich bescheiden und nicht in ein fremdes Amt greifen. Es soll niemand alles zugleich beherrschen wollen, sondern voller Selbstbescheidung auch dem andern seinen Platz lassen. Wenn dabei (Vers 5) der Apostel betont, dass wir untereinander Glieder sind, so erinnert er uns damit, wie eifrig ein jeder seine Gaben zu Nutz und Heil der andern Glieder und der Gesamtheit anlegen soll.

Und haben mancherlei Gaben. – Damit schlägt der Apostel unseren angeborenen Stolz nieder. Ein jeder soll es tragen, dass er auch den andern braucht und sich von ihm muss helfen lassen. Gottes allerweisester Rat hat jeglichen sein Teil gegeben. Es dient zum Wohlsein des ganzen Leibes, dass niemand die Fülle aller Gaben empfangen hat und keiner ungestraft seine Brüder verachten darf. Wenn wir diese Grundwahrheit stets im Auge behalten, dass jeder seine besondere, große oder kleine Gabe von Gott empfing, die er innerhalb seiner Grenzen zur Auferbauung der Gesamtheit verwenden soll, so wird die Gemeinde Gottes wohlgeordnet dastehen. Jeder leistet seinen Beitrag zum gemeinen Besten, und keiner hindert den andern. Wer aber solche Ordnung umstößt, der kämpft wider Gott, der sie gegeben hat. Denn der Unterschied der Gaben stammt nicht aus menschlicher Willkür, sondern von dem Gott, der auf solche Weise Seine Gnade austeilen wollte.

Hat jemand Weissagung, so sei sie dem Glauben gemäß. Hat jemand ein Amt, so warte er des Amts. Lehret jemand, so warte er der Lehre. – Nun folgen einzelne Beispiele dafür, wie jeder nach seiner Kraft und auf seinem Posten das Seine leisten soll. Hat nämlich jede Gabe ihre Grenzen, so verderbt man die Gabe selbst, wenn man sich an diese Grenze nicht hält. Bei der Weissagung, von welcher der Apostel hier redet, müssen wir nicht in erster Linie an die Gabe denken, künftige Ereignisse zu enthüllen, welche ja freilich Gott zur Verherrlichung Seines Reiches der christlichen Gemeinde in ihren Anfängen verliehen hatte. Vielmehr handelt es sich um eine Gabe weissagender Offenbarung in dem Sinne, dass der, welcher sie besitzt, den Willen Gottes überhaupt richtig und kundig zu erschließen und auszulegen weiß. Diese Gabe der „Prophetie“ ist noch heutigen Tages in der Christenheit vorhanden. Es ist die Fähigkeit, die Schrift recht zu verstehen und auszulegen. Das ist die Art der Weissagung, die noch besteht, seit die alten Propheten und alle Verheißungen Gottes in Christus und Seinem Evangelium ihre Erfüllung gefunden haben. Wenn Paulus sagt (1. Korinther 14.5 & 13.9): „Ich wollte, dass ihr alle mit Zungen reden könntet, aber viel mehr, dass ihr weissagtet“ und „Unser Wissen ist Stückwerk, und unser Weissagen ist Stückwerk“; so schweben ihm auch nicht ausschließlich die wunderbaren Gnadengaben vor, mit welchen Christus das Evangelium im Anfange seines Laufes schmücken wollte, sondern auch die gewöhnlichen und bleibenden Ordnungen Seiner Gemeinde. So ermahnt er hier diejenigen, die in der Gemeinde das Prophetenamt innehaben (das heißt als Prediger Gottes Gedanken auslegen), dass sie ihre prophetische Rede dem Glauben gemäß einrichten und von dieser „Regel des Glaubens“ keinen Fußbreit abweichen. Unter „Glaube“ versteht er dabei die Hauptgrundsätze der Religion: Wenn eine Lehrweise sich mit diesen in handgreiflichen Widerspruch setzt, ist sie sicher falsch.

Die übrigen Beispiele machen dem Verständnis geringere Schwierigkeiten. Hat jemand ein Amt, zu welchem er ordnungsmäßig bestellt ist, so warte er des Amts und bedenke, dass er nicht um seiner selbst, sondern um der andern willen auf seinen Posten gestellt ward. Sein Amt ist ein „Dienst“. In demselben Sinne ruft Paulus den Lehrern zu: Lehret jemand, so warte er der Lehre, das heißt er sorge für eine wahrhafte Auferbauung der Gemeinde. Denn deren Förderung ist der einzige Zweck seiner Tätigkeit. Ein „Lehrer“ ist nämlich derjenige, der die Gemeinde im Wort der Wahrheit unterrichtet und unterweist.

Ermahnt jemand, so warte er des Ermahnens. – nämlich kräftig und wirksam. Alle die bisher genannten Ämter sind nahe verwandt und grenzen eng aneinander, aber es ist doch für die Ordnung der Gemeinde nützlich, sie auseinander zu halten.

Gibt jemand, so gebe er einfältig. – Die letzten Glieder zeigen deutlich, dass uns hier der rechte Gebrauch der Gaben Gottes vor Augen gestellt werden soll. Die Gaben, an welche der Apostel hier denkt, sind nicht private und persönliche, sondern diejenigen, welche so genannte „Diakonen“ oder Almosenpfleger (Apostelgeschichte 6; 1. Timotheus 3.8) aus dem Besitz der Gemeinde zu verteilen haben.

Übt jemand Barmherzigkeit, so tue er´ s mit Lust. – Die Übung der Barmherzigkeit ist die Krankenpflege, welche nach der Sitte der alten Kirche christlichen Witwen (1. Timotheus 5.3-16) und andern Gemeindebeamten oblag. Die Almosenpfleger sollen nun ihr Amt „einfältiglich“ verwalten, das heißt ohne Betrug und Ansehen der Person die ihnen anvertrauten Gaben treulich austeilen. Die Krankenpfleger, welche außerdem auch sonst Bedürftigen Trost und Hilfe bringen mochten, sollen ihr Pflicht mit Lust, das heißt fröhlich tun. Ein verdrossenes Wesen würde ihren Diensten den Wert nehmen. Wie einen Kranken oder Betrübten nichts mehr tröstet und erquickt, als wenn man ihm mit frischem und bereitwilligem Gemüte hilft, so wird es ihn nur niederdrücken, wenn er bei seinen Pflegern, die um ihn sind, traurige Mienen sieht.

Regiert jemand, so sei er sorgfältig. – Dies gilt im Sinne des Apostels zunächst für die Ältesten oder Presbyter, welchen die Regierung der Gemeinde anvertraut war, welche die Gemeinde leiteten und Sittenzucht übten. Es lässt sich aber auf alle Inhaber irgendeines Vorsteheramtes anwenden. Wer für die Ordnung der Gemeinschaft sorgen soll, muss besonders sorgfältig sein und Tag und Nacht für das Wohl der Gesamtheit sorgen.