RÖMER

Römer Kapitel 11 Teil VII

Römer 11.28-32

Nach dem Evangelium sind sie zwar Feinde um euretwillen; aber nach der Wahl sind sie Geliebte um der Väter willen. Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen. Denn gleicher Weise wie auch ihr weiland nicht habt geglaubt an Gott, nun aber Barmherzigkeit überkommen habt durch ihren Unglauben, also haben auch jene jetzt nicht wollen glauben an die Barmherzigkeit, die euch widerfahren ist, auf dass sie auch Barmherzigkeit überkommen. Denn Gott hat alle beschlossen unter den Unglauben, auf dass er sich aller erbarme.

 

Nach dem Evangelium sind sie zwar Feinde um euretwillen; aber nach der Wahl sind sie Geliebte um der Väter willen. – Was an den Juden der schlimmste Fehler war, das konnte sie doch nicht verwerflicher machen als die Heiden waren. Das war nämlich der Unglaube. Nun lehrt aber Paulus, dass Gott diese Verstockung für eine gewisse Zeit über sie verhängt habe, um dem Evangelium die Bahn zu den Heiden frei zu machen. Im Übrigen sollten sie nicht für alle Zeit von Gottes Gnade ausgeschlossen sein. Sie sind nur für den Augenblick in Rücksicht auf das Evangelium von Gott entfremdet. Dadurch sollte das Heil, welches früher bei ihnen seinen Platz hatte, auf die Heiden übergeleitet werden. Dennoch konnte Gott des Bundes nicht vergessen, den Er mit ihren Vätern geschlossen und durch welchen Er bezeugt hatte, dass Er kraft Seines ewigen Ratschlusses dieses Volk in Seine Liebe aufgenommen hatte. Diese Wahrheit bestätigt der Apostel durch die herrliche Aussage, dass die Gnadengabe der göttlichen Berufung nie vergeblich sein kann.

Denn dies wollen die Worte sagen (Vers 29): Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen. – Die nachdrückliche Zerteilung der beiden Begriffe „Gaben und Berufung“ sagt doch inhaltlich nichts anderes, als wenn dastünde: „Gnadengabe der Berufung“. Dabei denkt Paulus zunächst an den Bund, welchen Gott mit Abraham und seinen Nachkommen geschlossen hatte und welchen Er nie wieder lösen kann (1. Mose 17. 7): „Ich will deines Samens Gott sein.“ Das Evangelium und die Wahl (Vers 28) treten aber einander gegenüber; nicht als ob sie sich widersprächen (denn welche Gott auserwählt hat, beruft Er durch das Evangelium), sondern weil das Evangelium den Heiden so plötzlich und wider aller Welt Erwartung kundgetan wurde; und wie stach doch dies ab gegen die uralte Erwählung der Juden, die vor so vielen Jahrhunderten schon geschehen war! Sie sind und bleiben aber Geliebte um der Väter willen, natürlich nicht in dem Sinne, als ob die Väter diese Liebe verdient hätten, aber sie musste sich von den Vätern her auf die Nachkommen vererben, gemäß der Verheißung: Ich will dein Gott sein „und deines Samens nach dir“. Wie dann aber die Heiden um des Unglaubens der Juden willen Barmherzigkeit empfingen, ist schon früher dargelegt wurden: Gott ward den Juden Feind wegen ihrer Untreue und wandte nunmehr Seine Güte den Heiden zu. Dass bei dieser Wendung der Dinge Gott die Hand im Spiel hatte, spricht der Apostel alsbald mit voller Schärfe aus (Vers 31): Es lag in Gottes Plan, dass Er sich der Heiden erbarmen wollte; dazu aber mussten die Juden zunächst des Lichtes des Glaubens beraubt werden.

Denn Gott hat alle beschlossen unter den Unglauben, auf dass er sich aller erbarme. – Das ist ein herrlicher Abschluss. Wer selbst in der Hoffnung auf ewige Seligkeit steht, braucht deshalb an den übrigen nicht zu verzweifeln. Denn wie es auch jetzt mit uns bestellt sein mag, wir waren einst nicht besser als alle andern. Hat allein Gottes Gnade uns aus dem Unglauben gerettet, so wird sie dies auch bei den andern können. Der Apostel schiebt den Juden keine andere Schuld zu als auch den Heiden; so können beide merken, dass auch dem andern Teile die Tür des Heils offen steht. Es ist ein und dieselbe Gnade Gottes, welche das Heil schafft, sie kann sich hier und dort anbieten. So stimmt der Spruch des Paulus mit dem früher (9.25) zitierten Worte des Propheten überein (Hosea 2.25): „Ich will sagen zu dem, das nicht mein Volk war: du bist mein Volk.“ Wenn Gott, um dieses Ziel zu erreichen, alle beschlossen hat unter den Unglauben, so will dies nicht so verstanden sein, als fiele die Schuld ihrer Verstockung und ihres Unglaubens auf ihn. Vielmehr hat Gottes Vorsehung so gewaltet, dass sie alle selbst des Unglaubens schuldig wurden und damit dem gerechten Gerichte Gottes verfallen mussten. Das geschah aber zu dem Zweck, damit die Seligkeit auf kein menschliches Verdienst, sondern allein auf die Gnade sich gründen müsse. Zweierlei also liegt in diesen Worten: Erstens findet sich in keinem Menschen irgendein Anlass, um dessentwillen er einen Vorzug vor andern verdiente; der Vorzug liegt allein in Gottes Gnade. Zweitens aber sieht sich Gott durch nichts gehindert, Seine Gnade mitzuteilen, welchen Er will. Das Wort „erbarmen“ prägt uns sehr nachdrücklich ein, dass Gott niemandem etwas schuldig ist, dass also alle Menschen nur durch Gnade gerettet werden, weil sie alle unter dem gleichen Verderben stehen. Wollte man aber aus unserer Stelle den Schluss ziehen, dass alle Menschen ohne Ausnahme selig würden, so wäre dies eine gewaltige Torheit. Denn Paulus will nur sagen, dass Juden und Heiden keinen anderen Weg zur Seligkeit haben als Gottes Erbarmen. Es soll niemand einen Grund besitzen, sich zu beklagen. Allerdings wird dieses Erbarmen allen öffentlich angeboten. Aber die Bedingung lautet dabei, dass man es im Glauben ergreife.