GALATER

Galater Kapitel 6 Teil IV

Galater 6.14-18

Es sei aber ferne von mir rühmen, denn allein von dem Kreuz unseres Herrn Jesus Christus, durch welchen mir die Welt gekreuzigt ist, und ich der Welt. Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Vorhaut etwas, sondern eine neue Kreatur. Und wie viele nach dieser Regel einhergehen, über die sei Friede und Barmherzigkeit, und über den Israel Gottes. In allem übrigen mache mir niemand weiter Mühe; denn ich trage die Malzeichen des Herrn Jesu an meinem Leibe. Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus seit mit eurem Geist, liebe Brüder! Amen.

 

Es sei aber ferne von mir rühmen, denn allein von dem Kreuz unseres Herrn Jesus Christus, durch welchen mir die Welt gekreuzigt ist, und ich der Welt. – Von dem Treiben der Lügenapostel hebt sich nun des Paulus klare Wahrhaftigkeit ab. Der Apostel sagt: Jene verleugnen das Kreuz Christi, um das Kreuz nicht tragen zu müssen, und erkaufen sich das Wohlgefallen der Menschen durch euer Fleisch, schließlich spannen sie euch an ihren Triumphwagen. Aber mein Triumph und mein Ruhm sind in dem Kreuze des Sohnes Gottes. Hätten die Galater nicht allen gesunden Menschenverstand beinahe verloren, so hätten sie doch vor Leuten einen Abscheu empfinden müssen, die nur auf ihre Kosten ein Spiel trieben. Der Hinweis auf das Kreuz unseres Herrn Jesu Christi stellt uns den denkbar schmachvollsten Tod vor Augen, auf welchem noch dazu Gottes Fluch lag. Was also sonst alle Menschen fliehen, dessen sie sich schämen, dessen rühmt sich Paulus, weil er vollkommene Seligkeit darin findet. Was man für sein höchstes Gut hält, achtet man ja auch für höchsten Ruhm. – Doch warum rühmt sich Paulus nun gerade des Kreuzes und nicht auch der Auferstehung Christi? Weil das Kreuz, von welchem freilich die Auferstehung nicht abgetrennt werden darf, die ganze Erlösung mit ihrem gesamten Inhalt in sich begreift. Endlich wollen wir noch darauf achten, mit welchem Nachdruck der Apostel jedes andere Rühmen wie einen Schaden und ein Gift von sich weist: „Es sei ferne von mir!“ Durch Christus – oder vielleicht genauer noch durch sein Kreuz – ist mir die Welt gekreuzigt. Hier stirbt man eben der Welt. „Welt“ ist (im Gegensatz zur „neuen Kreatur“ in Vers 15) alles, was mit dem alten Menschen zusammenhängt und wider Christi geistliches Königreich streitet. Kurz: „Welt“ ist der Umkreis alles dessen, was dem alten Menschen begehrenswert erscheint. Diese Welt ist für Paulus gekreuzigt, weil er gelernt hat, alles für Schaden zu achten (Philipper 3.8). Umgekehrt sagt er aber auch: Und ich bin der Welt gekreuzigt. Wie ein Toter keine Beziehungen mehr zur Welt hat, so ist diese Welt auch für Paulus durch und durch gleichgültig geworden und existiert nicht mehr für ihn. Als sein alter Mensch starb, hat er ihr den Abschied gegeben. Andere Ausleger lassen freilich den Apostel sagen: Hält die Welt mich für einen Abschaum und Fluch, so halte ich sie ebenfalls dafür und spreche ihr das Verdammungsurteil. Mir scheint dieses Verständnis fernzuliegen. Mögen die Leser selbst entscheiden.

Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Vorhaut etwas. – Damit erfahren wir den Grund, weshalb ein Christ der Welt gekreuzigt ist und die Welt ihm. Wer in Christus eingepflanzt ist, wird eben eine neue Kreatur (vergleiche auch 2. Korinther 5.17). Dabei muss alles sterben, was der Erneuerung im Geiste widerstrebt. Wer in Christi Königreich gehören will, muss sich durch Gottes Geist erneuern lassen, darf nicht weiter der Welt leben, sondern soll zu einem neuen Leben erweckt sein. Dass der Apostel hier noch einmal die Beschneidung beiseiteschiebt, indem er sie mit der Vorhaut auf eine Linie stellt, begreift sich im Zusammenhange leicht: Die Wahrheit des Evangeliums verschlingt und verscheucht alle Schattenbilder des Gesetzes.

Und wie viele nach dieser Regel einhergehen, das heißt sie halten, über diesen breite sich Heil und Segen aus! Mit solchem Segenswunsch bekennt sich der Apostel zu der ganzen Art dieser Leute. Die mit solcher Lehre kommen, soll man lieben und hegen – die aber davon abweichen, sind nicht wert, dass man ihnen das Ohr leiht. Paulus gebraucht hier das Wort „Regel“, um dadurch eine bestimmte und ununterbrochene Haltung auszudrücken, in der alle frommen Diener des Evangeliums beständig zu bleiben haben. Denn wie ein Baumeister seine Gebäude nach dem Winkelmaß aufführt, so dass die einzelnen Teile in rechtem Verhältnis und Ebenmaß sich zusammenfügen, so weist Paulus den Dienern am Wort einen Kanon oder Regel an, damit sie dadurch in rechter Weise und Ordnung die Kirche erbauen können. Sollte dieses Wort nicht dazu dienen, sowohl den treuen und aufrichtigen Lehrern, sowie überhaupt allen denen, welche sich nach ihrer Regel bilden lassen, einen außerordentlichen Eifer einzuflößen, wenn sie hören, dass sie hier durch den Mund des Apostels von Gott gesegnet werden? Wir haben keine Ursache, die Fluch- und Bannstrahlen der Feinde zu fürchten, wenn uns Gott vom Himmel her Frieden und Barmherzigkeit verheißt. Wünscht nun Paulus diesen Segen dem Israel Gottes, so trifft er zugleich mit einem gewissen Spott die eitle Prahlerei der falschen Apostel, welche sich auf die leibliche Abstammung von Abraham etwas zugutetaten. Er unterscheidet ein doppeltes Israel, das eine, welches vor Menschenaugen Gottes Volk zu sein scheint, und das andere, welches wirklich Gottes Eigentum ist. Die Beschneidung ist nur eine Maske vor Menschen; nur die neue Geburt ist Wahrheit vor Gott. Zum Israel Gottes gehören die, welche durch den Glauben Abrahams Kinder wurden (siehe 3.7). Darunter werden also alle Gläubigen begriffen, die aus Juden und Heiden zu der einen Gottesgemeinde zusammenwachsen. Im Gegensatz dazu wollte das Israel nach dem Fleisch allein sich rühmen, Gottes Volk zu sein, worüber in Römer 9.6 das Urteil steht.

Mit dem Gewicht seiner ganzen Autorität fordert nun der Apostel, dass man ihn nicht an dem Fortgang seiner Predigt hindere. Mühen um der Gesamtheit willen zu tragen ist er gern bereit, aber mit solchem Widerspruch will er nicht aufgehalten sein: Es mache mir niemand weiter Mühe! Steht nur die neue Kreatur fest, so will ich in allem übrigen nicht weiter behelligt sein, sondern will alle überflüssigen Fragen unberührt sehen. Wenn andere das betreffende griechische Wort mit „fortan“ übersetzen, so kann ich dies nicht für richtig halten. Ich trage die Malzeichen des Herrn Jesu. Darauf gründet Paulus die Zuversicht zu seinem autoritativen Auftreten. Aber was sollen wir uns dabei denken? Es sollen uns Kerker und Bande, Geißeln und Schläge, Steinigungen und alle Schande vor Augen treten, welche der Apostel um des Zeugnisses des Evangeliums willen auf sich nahm. Wie im irdischen Kriegsdienst ein Feldherr die Tapferkeit seiner Soldaten mit einer sichtbaren Auszeichnung lohnt, so schmückt unser Führer Christus diejenigen, die Ihm besondere Dienste geleistet haben, auch mit hervorstechenden Ehrenzeichen von besonderer Art, die freilich vor der Welt nur Schande bedeuten, denn sie schmecken nach dem Kreuz. Das liegt auch schon in dem Wort „Malzeichen“. Das sind eigentlich Stiche; aber man nannte auch die Brandmale so, welche man Sklaven, Fahnenflüchtigen oder auch Verbrechern einbrannte. Darum ist die Redeweise Pauli von der Auszeichnung durch jene Merkmale, mit denen Christus seine bedeutendsten Diener zu ehren pflegt, buchstäblich zu nehmen, denn, obwohl man sich vor der Welt ihrer als einer Schande zu schämen hat, so übertreffen sie doch vor dem Angesicht Gottes und der Engel alle Auszeichnungen der Welt zusammen.

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus seit mit eurem Geist, liebe Brüder! Amen. – Der Apostel fleht nicht bloß reiche Gnade herab, sondern wünscht vor allem auch, dass man diese Gnade in persönlicher Erfahrung ergreife. Wir genießen sie ja nur wirklich, wenn wir sie bis an unseren Geist gelangen lassen. So gilt es, den Herrn zu bitten, dass Er Seiner Gnade eine Stätte in unseren Herzen bereite. Amen.