GALATER

Galater Kapitel 5 Teil II

Galater 5.7-12

Ihr liefet fein. Wer hat euch aufgehalten, der Wahrheit nicht zu gehorchen? Solch Überreden ist nicht von dem, der euch berufen hat. Ein wenig Sauerteig versäuert den ganzen Teig. Ich verstehe mich zu euch in dem Herrn, ihr werdet nicht anders gesinnt sein. Wer euch aber irremacht, der wird sein Urteil tragen, er sei wer er wolle. Ich aber, liebe Brüder, so ich die Beschneidung noch predige, warum leide ich denn Verfolgung? So hätte ja das Ärgernis des Kreuzes aufgehört. Wollte Gott, dass sie auch ausgerottet würden, die euch verstören!

 

Ihr liefet fein. – Mit dem Tadel wegen ihres jetzigen Abfalles verbindet Paulus absichtlich das Lob, wie fein die Galater einst gelaufen seien. So soll die Scham sie wieder auf den früheren Weg zurückführen. Die verwunderte Frage, wer sie denn vom rechten Wege ablenken konnte, soll diese Beschämung nur vertiefen. Paulus wirft den Lesern dabei vor, nicht dass sie nicht glauben, sondern dass sie der Wahrheit nicht mehr gehorchen; denn nachdem sie das wahre Evangelium bereits ergriffen hatten, hatten sie es eben am rechten Gehorsam dagegen fehlen lassen.

Solch Überreden ist nicht von dem, der euch berufen hat. – Bis jetzt hat der Apostel mit Gründen gekämpft, nun nimmt er die Autorität zu Hilfe, indem er ausruft, dass dies neuerliche Überreden nicht von Gott stamme. Solche Zusprache hätte ja wenig Wert, wenn sie nicht von persönlicher Autorität getragen wäre. Paulus konnte mit Recht so zuversichtlich bei den Galatern reden, da er für sie der Herold der göttlichen Berufung gewesen war. Darum sagt er auch nicht geradezu: Dies Überreden stammt nicht von Gott; sondern umschreibend: Nicht von dem, der euch berufen hat. Er will damit zu verstehen geben: Gott liegt nicht mit sich selbst in Widerstreit. Er ist es, der euch durch meine Predigt zur Seligkeit berief; also muss diese neue Beredung anders her kommen. Wollt ihr Gottes Berufung festmachen, so hütet euch doch, nicht solchen Leuten das Ohr zu leihen, die euch neue Gedichte bringen!

Ein wenig Sauerteig. – Paulus wird dabei an die Lehre denken, nicht an die Personen. Er will daran erinnern, welch ein gefährliches Ding eine Verderbnis der Lehre ist, damit man dergleichen nicht, wie es nur zu oft geschieht, für bedeutungslos und ungefährlich ansehe. Denn das ist eben Satans Kunststück, dass er nicht offensichtlich die ganze Lehre umstürzt, sondern sie nur durch eingeschwärzte falsche Meinungen verunreinigt. Wer nun die Tragweite solchen Übels nicht ermisst, leistet gar keinen ernstlichen Widerstand. Darum behauptet der Apostel hier mit allem Nachdruck, dass nichts mehr heil bleibt, wenn man Gottes Wahrheit antastet. Dabei braucht er das Bild des Sauerteigs, der, obgleich nur von geringem Umfang, doch seine Säure in die ganze Masse ausgießt. Wir dürfen also auch die geringste Verunreinigung der Lehre des Evangeliums unter keinen Umständen zulassen.

Ich verstehe mich zu euch in dem Herrn, ihr werdet nicht anders gesinnt sein. – Wie schon früher (Galater 4.17) wendet Paulus seine volle Schärfe nur gegen die falschen Apostel. In ihnen erblickt er die Ursache der ganzen Verderbnis, ihnen droht er Strafe an. Dagegen äußert er den Galatern sein gutes Vertrauen, dass sie schnell und leicht zur wahren Glaubenseinheit zurückkehren werden. Solch gutes Zutrauen ist ein überaus wirkungsvoller Ansporn. Niemand will ja ein ehrenvolles und freundliches Vorurteil zunichtemachen. Weil es aber Gottes Werk war, die Galater zur reinen Lehre des Glaubens, von der sie abgefallen waren, zurückzuführen, sagt Paulus, er versehe sich zu ihnen in dem Herrn: Damit empfangen sie eine Erinnerung, dass sie die Umkehr, die nur Gott schenken kann, von Ihm auch erbitten sollen.

Wer euch aber irremacht, der wird sein Urteil tragen, er sei wer er wolle. – So wälzt der Apostel die Hauptschuld von den Galatern auf die Verführer ab. Hier mögen solche Leute aufmerken, welche allerlei Anstoß und Verwirrung in die Gemeinden werfen, die Einheit des Glaubens auflösen und die Eintracht wankend machen, und wenn sie wenig Gefühl für das Rechte haben, mögen sie bei diesem Wort erschrecken. Denn Gott verkündet durch den Mund des Paulus, dass kein Urheber solcher Ärgernisse ungestraft ausgehen wird. Dabei heißt es mit großem Nachdruck: Er sei wer er wolle. Imponierten die Lügenapostel dem ungebildeten Volke mit ihren hohen Reden, so musste demgegenüber auch Paulus seine Lehre so hoch erheben, dass niemand, er mochte heißen, wie er wollte, geschont wurde, der dagegen auch nur einen Ton zu sagen wagte.

Ich aber, liebe Brüder. – Ich könnte, sagt er, den Hass der Menschen, Gefahren, Verfolgungen vermeiden, wenn ich nur neben Christus auch noch die Zeremonien wollte gelten lassen. Dass ich aber in diesem Punkte mit aller Entschiedenheit kämpfe, tue ich nicht um meinetwillen, noch zu meinem Vorteil. Freilich folgt daraus noch nicht ohne weiteres, dass er die Wahrheit lehrt. Immerhin trägt aber ein rechter Sinn und ein klares Gewissen bei einem Prediger nicht wenig dazu bei, ihm Glaubwürdigkeit zu verschaffen. Ferner wird ja schwerlich ein Mensch, dem es nicht eben um die Wahrheit geht, sich mutwillig Leiden schaffen. Dabei fällt auf die Gegner der Verdacht, dass sie mit ihrer Beschneidungspredigt viel mehr für ihre eigene Ruhe sorgen, als Christus treulich dienen wollen. Alles in allem: Paulus war fern von jedem Ehrgeiz, von Habsucht, von Rücksicht auf die eigenen Person, da er Gunst und Beifall verachtete, aber den Verfolgungen und der Wut der Menge sich lieber aussetzte, als dass er nur einen Finger breit von der Reinheit des Evangeliums abwich.

So hätte ja das Ärgernis des Kreuzes aufgehört. – Gern fasst der Apostel den Gesamtgehalt seiner Predigt im Kreuz zusammen und nennt das Evangelium das „Wort vom Kreuz“, wenn er dessen schlichte Einfalt dem Bombast menschlicher Weisheit oder Gerechtigkeit entgegenstellen will (siehe 1. Korinther 1.18 ff.). War doch die Knechtsgestalt des Evangeliums den Juden mit ihrem falschen Vertrauen auf eigene Gerechtigkeit ganz ebenso anstößig, wie den Griechen mit ihrem törichten Weisheitsdünkel. In der Tat hätte also Paulus die Predigt von der Beschneidung nur wieder aufzunehmen brauchen, um den Anstoß des Kreuzes zu beseitigen: Die Juden hätten ihm dann weiter keine Schwierigkeit gemacht, sondern hätten sich seine Predigt wohl gefallen lassen. Ein gefälschtes Evangelium, welches sich aus Moses und Christus zusammensetzte und bei welchem sie ihre frühere Ausnahmestellung behaupten könnten, wäre ihnen kein Ärgernis.

Wollte Gott, dass sie auch ausgerottet genau übersetzt „abgeschnitten“ würden! – Jetzt erreicht des Apostels Entrüstung ihren Höhepunkt: Er betet Verderben auf die Verführer der Galater herab. Der Ausdruck spielt dabei auf die Beschneidung an, mit der sie sich so eifrig abgaben: Um der Beschneidung willen zerrissen sie die Gemeinde – möchten sie darum doch selbst abgeschnitten werden! Freilich scheint solche Verwünschung zur apostolischen Sanftmut wenig zu stimmen, welche doch allen das Heil und niemandem das Verderben gönnen sollte. Doch trifft dies eben nur so lange zu als wir die menschlichen Personen im Auge behalten, denn Gott legt uns aller Menschen Heil ans Herz, wie auch Christus für die Sünden der ganzen Welt gestorben ist. Zuweilen aber erhebt sich der fromme Eifer über jede Rücksicht auf Menschen, und sieht allein Gottes Ehre und Christi Königreich an. Denn so viel höher Gottes Herrlichkeit steht als der Menschen Heil, so viel höher müssen wir uns auch zur Liebe zu Ihm und zum Eifer für Seine Sache erheben. So kann es geschehen, dass die Gläubigen in der alleinigen Spannung auf Gottes Ehre Welt und Menschen völlig vergessen, dass sie lieber die ganze Welt untergehen, als Gottes Ehre irgend geschmälert sehen möchten. Aus einer solchen Stimmung haben wir uns des Apostels Verwünschungsgebet zu erklären. So muss denn jede Anklage auf grausamen und lieblosen Sinn verstummen. Denn wie viel mehr wiegt doch die ganze Gemeinde als ein einziger Mensch! Das wäre ein grausames Mitleid, welches die Gemeinde einem einzigen Menschen opfern wollte! Sehe ich Gottes Herde in Gefahr, sehe ich den Wolf wie vom Satan getrieben auf sie eindringen – soll da nicht die Sorge um die Gemeinde alle meine Gedanken gefangen nehmen, sodass mir nichts anderes in den Sinn kommt, als den Wolf zu töten und die Gemeinde zu retten? Bei alledem gönne ich niemandem das Verderben; aber die Liebe und die Sorge um die Gemeinde reißt mich sozusagen in eine Verzückung hinein, die mich gar nichts anderes mehr denken lässt. Niemand kann ein rechter Hirte der Gemeinde sein, der von solchem Eifer nichts weiß.