GALATER

Galater Kapitel 5 Teil I

Galater 5.1-6

So bestehet nun in der Freiheit, damit uns Christus befreiet hat, und lasset euch nicht wiederum in das knechtische Joch fangen. Siehe, ich Paulus sage euch: Wo ihr euch beschneiden lasst, so nützt euch Christus nichts. Ich zeuge abermals einem jeden, der sich beschneiden lässt, dass er das ganze Gesetz schuldig ist zu tun. Ihr habt Christus verloren, die ihr durch das Gesetz gerecht werden wollt, und seid von der Gnade gefallen. Wir aber warten im Geist durch den Glauben der Gerechtigkeit, der man hoffen muss. Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Vorhaut etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist.

 

So besteht nun. – Nachdem der Apostel seine Leser Kinder der Freien genannt hat, zeigt er jetzt, wie viel diese Freiheit wert ist, damit sie dieselbe nicht, wie eine nichtige Sache, gering achten. Ist sie doch ein unschätzbares Gut, für das wir bis in den Tod kämpfen sollen. Denn hier handelt es sich nicht nur um den Herd, sondern auch um den Altar. Wer nur einige Erfahrung besitzt, weiß auch wohl, dass wir es hier mit einem Hauptstück der Heilslehre zu tun haben. Nicht das ist ja dabei die Hauptfrage, ob man diese oder jene Speise essen dürfe, ob man einen bestimmten Tag feiern solle oder nicht – wie viele in ihrer Torheit meinen, einige aber lästern – sondern es gilt vor allem die Frage, inwieweit das Gewissen göttlich gebunden ist. Predigt ein Paulus hier die Freiheit von den gesetzlichen Zeremonien, deren Beobachtung die falschen Apostel als notwendig verlangten, so mögen die Leser zugleich daran denken, dass diese nur ein Teil von der Freiheit ist, die uns Christus erworben hat. Wie wenig wäre das, wenn Er uns nur von den Zeremonien befreit hätte! Es fließt also dieser Bach aus einer höher gelegenen Quelle: Christus ist ein Fluch geworden, um uns vom Fluch des Gesetzes zu erlösen; Er hat die Macht des Gesetzes abgeschafft, sofern es uns nach Gottes Urteil unter der Schuld des ewigen Todes gebannt hielt; Er hat uns von der Herrschaft der Sünde, des Teufels und des Todes befreit. Die Frucht solcher am Kreuz erworbenen Freiheit genießen wir nur durch das Evangelium. Mit Recht ermahnt daher Paulus die Galater, sich nicht wiederum in das knechtische Joch fangen, das heißt ihr Gewissen nicht verstricken zu lassen. Eine ungerechte Last, die Menschen auf unsere Schulter legen wollen, lässt sich ertragen; wenn sie aber die Gewissen knechten wollen, muss man tapfer und bis in den Tod Widerstand leisten. Wir verlieren ja eine unschätzbare Wohltat, wenn Menschen unser Gewissen binden dürfen. Auch würde Christus beleidigt, der die Freiheit bereitet hat. Da die Galater niemals unter dem Gesetze gelebt hatten, heißt „wieder“ hier einfach „ebenso als wenn ihr nicht durch Christi Gnade erlöst wäret“. Denn wenn auch das Gesetz nur den Juden und nicht den Heiden gegeben war, gibt es doch für beide Teile außer Christus gar keine Freiheit, sondern nur Knechtschaft.

Siehe, ich Paulus sage euch: Wo ihr euch beschneiden lasst, so nützt euch Christus nichts. – Ein schwereres Urteil als die völlige Abschneidung von Christus kann nicht gesprochen werden. Doch wie sollen wir das verstehen, dass Christus allen Beschnittenen nichts nützt? Hat Er dem Abraham nichts genützt? Wenn man sagt, das habe gegolten vor Christi Kommen, wie ist es mit Timotheus (Apostelgeschichte 16.3)? Wir werden zu beachten haben, dass Paulus nicht von der äußeren Beschneidung und dem Vollzug der Zeremonie als solcher handelt, sondern dass er sich vielmehr gegen die gottlose Lehre der falschen Apostel wendet, welche aus der Beschneidung ein notwendiges Stück des Gottesdienstes machten und das Heilsvertrauen darauf gründen wollten als auf ein verdienstliches Werk. Diese teuflischen Erdichtungen machten Christus unnütz. Nicht dass die falschen Apostel Christus verwerfen oder gänzlich entfernt wissen wollten, aber sie teilten zwischen Seiner Gnade und den Gesetzeswerken in der Weise, dass das Heil nur zur Hälfte von Ihm herrührte. Dagegen wendet sich der Apostel: So kann Christus nicht geteilt werden; Er nützt uns nur dann, wenn wir Ihn voll und ganz uns aneignen. Wer Christus nur zur Hälfte haben will, verliert Ihn ganz. So sind die Galater die Vorgänger der heutigen Papisten geworden; ihnen musste Christus schließlich verloren gehen, weil die Lehre des Evangeliums in ihrem innersten Kern verfälscht ward. – Das trägt Paulus unter starker Betonung seiner persönlichen Autorität vor. Seinen eigenen Namen setzt er dafür ein, um jeden Zweifel niederzuschlagen. Und obgleich sein Ansehen bei den Galatern schon begonnen hatte zu sinken, so dünkt es ihn doch noch stark genug, um alle Gegner zu schlagen.

Ich zeuge abermals einem jeden, der sich beschneiden lässt, dass er das ganze Gesetz schuldig ist zu tun. – Dieser gegensätzliche Hinweis auf die Folgen der Beschneidung dient zur Begründung des vorigen Satzes. Denn wer schuldig ist, das ganze Gesetz zu tun, kann dem Tode nicht entfliehen, weil er immer unter der Schuld bleiben wird. Kann doch niemals ein Mensch dem Gesetz Genüge leisten. Eine solche Verpflichtung bedeutet also für den Menschen sichere Verdammnis. So kommt es, dass Christus ihm nichts nützt. Dies beides widerspricht also einander, dass wir der Gnade Christi teilhaftig sind und doch verpflichtet sein sollen, das ganze Gesetz zu erfüllen. Natürlich meint Paulus nicht, dass die Annahme der Beschneidung an und für sich von Christus ausschließe. Paulus kennt hier eine doppelte Betrachtungsweise. Die Beschneidung, wie sie Gott eingesetzt hat, ist nach Römer 4.11 ein Siegel der Glaubensgerechtigkeit und begreift als solches Christus und die Verheißung freier Gnade in sich, dient also als ein wahres Sakrament der Übung des Glaubens. Macht man aber aus der Beschneidung ein reines Gesetzeswerk, welches Verdienst begründen soll, wie die falschen Apostel dies zur Zerstörung des Evangeliums taten, so tritt sie freilich in Gegensatz wider Christus, die Gnade und den Glauben. Übrigens hatte sie Gott auch nur für eine bestimmte Zeit verordnet; nach Christi Ankunft ist die Taufe an ihre Stelle getreten. Hat Paulus noch den Timotheus beschneiden lassen (Apostelgeschichte 16.3), so tat er dies nicht um seinetwillen, sondern aus freundlicher Rücksicht auf die Schwachheit der Brüder. Freilich wird es gelten, nun auch Taufe und Abendmahl nicht gesetzlich zu behandeln, das heißt nicht als Werke, durch deren bloßen Vollzug wir Gnade verdienen, wie die Papisten behaupten. Vielmehr sollen wir uns in diesen Handlungen nur dem Herrn offen halten, Seine Gnade zu empfangen: Wir bringen nichts hinzu als den Glauben, der alles in Christus findet und Gott wirken lässt.

Ihr habt Christus verloren. – Der Sinn ist: Wenn ihr einen Teil der Gerechtigkeit in den Werken des Gesetzes sucht, so hat Christus nichts mit euch zu tun, und ihr habt euch der Gnade entfremdet. Die Gegner gingen nicht so weit, dass sie glaubten, allein durch das Halten des Gesetzes gerecht zu werden, sondern sie mengten Christus und das Gesetz zusammen. Diesen Tatbestand müssen wir uns vergegenwärtigen, um die stets wiederholten Mahnungen zu verstehen, mit welchen Paulus die Leser schreckt: Was tut ihr? Ihr macht euch Christus unnütz, ihr macht Seine Gnade zunichte. Wir sehen also, es kann auch nicht der geringste Teil der Gerechtigkeit auf das Gesetz gegründet worden, ohne dass man auf Christus und Seine Gnade Verzicht leistet.

Wir aber warten im Geist durch den Glauben der Gerechtigkeit, der man hoffen muss. – Der Satz soll einen Einwurf vorwegnehmen. Musste doch der Gedanke sofort aufsteigen: Gewährt denn die Beschneidung einen Nutzen? Darauf lautet die Antwort: In Christus gilt sie nichts, und deshalb beruht die Gerechtigkeit auf dem Glauben und wird erlangt im Geist ohne Zeremonien. „Der Gerechtigkeit warten, der man hoffen muss“ heißt, sein Vertrauen darauf setzen oder sich auf den festen Punkt stellen, auf welchem man Gerechtigkeit erhoffen darf. Nebenbei klingt wahrscheinlich der Gedanke an die Beharrung der Gläubigen an: Wir beharren fest im Vertrauen auf die Gerechtigkeit, die wir im Glauben innehaben. Heißt es nun, die Gerechtigkeit sei uns durch den Glauben gewiss, so haben wir das mit den Vätern gemeinsam. Denn sie alle konnten nur durch den Glauben Gott gefallen, wie die Schrift (Hebräer 11) bezeugt. Nur steckte ihr Glaube noch in der Hülle der Zeremonien. Den Unterschied von den Vätern bezeichnet also Paulus mit dem Hinweis, dass wir im Geiste warten, also alles Schattenwerks uns entschlagen. Jetzt ist es der bloße Glaube, der genügt, Gerechtigkeit zu erlangen: Er schmückt sich nicht mehr mit zeremoniösem Pomp, sondern ist mit der Anbetung Gottes im Geist zufrieden.

Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Vorhaut etwas. – Damit erfahren wir den Grund, weshalb die Gerechtigkeitshoffnung sich allein auf den Geist stützen kann: In Christus, das heißt in Seinem Reiche oder in der christlichen Kirche ist die Beschneidung mit allem, was dazu gehört, abgeschafft. Der Hinweis auf die Beschneidung trifft aber die Zeremonien insgemein. Der Apostel sagt, dass für diese jetzt kein Raum mehr ist, wenn er auch keineswegs behauptet, dass sie zu allen Zeiten nutzlos gewesen wären. Denn, so lehrt er, sie sind erst abgeschafft nach der Offenbarung Christi. Damit wird zugleich deutlich, inwiefern er hier scheinbar so wegwerfend von der Beschneidung reden kann, als nütze sie nichts. Er denkt eben nicht an ihre vormalige Bedeutung als Sakrament, sondern an die Tatsache, dass sie jetzt abgeschafft ist, wodurch unter Christi Königreich Beschneidung und Vorhaut gleich gelten. Denn Christi Ankunft hat allem Gesetzeswerk ein Ende gemacht.

Sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist. – Im Gegensatz zu den Zeremonien erscheint nun die Übung der Liebe. Damit schwindet jeder selbstgefällige Vorzug der Juden. Ähnlich heißt es am Ende des Briefes (6.15): Es gilt in Christus nur eine neue Kreatur. So sollen wir wissen, dass Gott von uns keinen Zeremonienkram mehr fordert, sondern allein Liebesübung. Gegen unsere Sakramente, welche ja Hilfsmittel des Glaubens sind, sagt der Apostel damit nichts; es liegt ihm nur daran, noch tiefer einzuprägen, was er soeben über den Gottesdienst im Geist kurz gesagt hatte. Andererseits darf man unsere wahrlich leicht verständliche Stelle auch nicht missbrauchen, um eine Rechtfertigung nicht durch den Glauben allein, sondern durch die Liebe zu beweisen. Denn freilich findet sich der rechtfertigende Glaube nie allein, sondern stets mit guten Werken verbunden. Aber für die Rechtfertigung vor Gott kommt er allein in Betracht und kein gutes Werk. Doch liegt diese Frage an unserer Stelle dem Paulus ganz fern; er will einfach die Gläubigen, die freilich nicht müßig gehen oder wie Stock und Block daliegen sollen, daran erinnern, in welchen Dingen sie sich üben sollen.