GALATER

Galater Kapitel 4 Teil V

Galater 4.27-31

Denn es steht geschrieben (Jesaja 54.1): „Sei fröhlich, du Unfruchtbare, die du nicht gebierst, und brich hervor und rufe, die du nicht schwanger bist; denn die Einsame hat viel mehr Kinder, denn die den Mann hat.“ Wir aber, liebe Brüder, sind, Isaak nach, der Verheißung Kinder. Aber gleichwie zu der Zeit, der nach dem Fleisch geboren war, verfolgte den, der nach dem Geist geboren war, also geht es jetzt auch. Aber was spricht die Schrift (1. Mose 21.10 & 12)? „Stoßt die Magd hinaus mit ihrem Sohn; denn der Magd Sohn soll nicht erben mit dem Sohn der Freien.“ So sind wir nun, liebe Brüder, nicht der Magd Kinder, sondern der Freien.

 

Denn es steht geschrieben. – Paulus erweist durch das Zeugnis des Jesaja, dass echte Kinder der Kirche nur solche sind, die nach der Verheißung geboren werden. Der Prophet redet an der Stelle (Jesaja 54.1) von dem Reiche Christi und der Berufung der Heiden und verheißt dem unfruchtbaren und verlassenen Weibe zahlreiche Nachkommenschaft. Im Blick auf diese Hoffnung kann er die Gemeinde zu Freude und Jubel aufrufen. Dabei gilt es nun zu beachten, wie der Apostel absichtlich einer Deutung jenes geistlichen Jerusalem auf die Juden aus dem Wege geht. Diesem Jerusalem sollen ja nach dem Worte des Propheten Kinder aus aller Welt zugeführt werden, und dies ohne eigenes Zutun, allein durch den Segen Gottes. Und eben daraus schließt der Apostel, dass wir nach Isaaks Art Kinder Gottes nur durch göttliche Gnadenverheißung werden können.

Aber gleichwie zu der Zeit, der nach dem Fleisch geboren war, verfolgte den, der nach dem Geist geboren war, also geht es jetzt auch. – Damit rückt Paulus die frechen Angriffe in das rechte Licht, mit welchen die Lügenapostel die wahren Gläubigen Christi verfolgten. Denn diese letzteren bedurften umso mehr des Trostes, je härter sie sich verfolgt sahen; und für die anderen war eine entschiedene Zurückweisung durchaus nötig. So erinnert der Apostel daran, dass man sich gar nicht wundern dürfe, wenn jetzt die Kinder des Gesetzes tun, was einst ihr Vorfahre Ismael tat, der, auf seine Erstgeburt pochend, dem wahren Erben Isaak übel mitspielte. Von diesem Vorfalle bildet es doch nur eine Fortsetzung, wenn jetzt Ismaels geistige Nachkommen um der äußeren Zeremonien, der Beschneidung und der gesamten gesetzlichen Ordnungen willen über die wahren Kinder Gottes sich hochmütig erhaben dünken und ihnen Verfolgungen bereiten. Dabei deutet der Gegensatz zwischen dem, welcher nach dem Fleisch, und dem, welcher nach dem Geist geboren war, auf den Gegensatz zwischen dem menschlichen Schein und der göttlichen Berufung. Die um Gesetz und Werke eifern, haben nur die äußere Maske; das Wesen selbst bleibt denen vorbehalten, die allein auf die göttliche Berufung sich stützen und auf Gottes Gnade sich gründen. – Dass nun Ismael den Isaak verfolgte, steht nicht ausdrücklich im Alten Testament, sondern nur (1. Mose 21.9), dass er ein „Spötter“ war. Wegen der harten Strafe, die ihn dafür traf, werden wir nicht daran denken dürfen, dass er seinen Bruder etwa nur mit einem unschuldigen Lachen verspottet habe. Vielmehr wird es sich um boshafte Schmähungen handeln. Solche „Verfolgung“, die etwa einen Zweifel an unserer Berufung erweckt, kann uns weit härter beschweren als äußerer Angriff. Weder Backenstreiche noch Geißelhiebe noch die Nägel und die Dornen haben Christus so viel Qual bereitet wie der höhnische Zuruf: „Er hat auf Gott vertraut, was nützt ihm das nun, da er von aller Hilfe verlassen ist?“ In solchem Hohn verbirgt sich mehr Gift als in allen Verfolgungen. Denn wenn man uns die Gnadengabe der Gotteskindschaft nimmt, so ist dies viel mehr, als wenn man uns das vergängliche Leben entreißt. – Ismael hat seinen Bruder nicht mit dem Schwert verfolgt, sondern was schlimmer ist, er hat mit frecher Selbstüberhebung ihm seine göttliche Verheißung mit Füßen zertreten. Das ist überhaupt die Quelle aller Verfolgungen, dass die Gottlosen die Gnade Gottes an den Auserwählten verachten und hassen. Einen deutlichen Beweis hiervon bietet die Geschichte von Kain und Abel. Übrigens entnehmen wir unserer Stelle auch die Erinnerung, dass äußere Verfolgungen gar nicht unser einziger Schrecken sind,  wenn die Feinde der Frömmigkeit uns mit Feuer und Schwert töten, wenn sie Gefängnis, Folter und Geißel gegen uns gebrauchen; sondern dass wir nicht weniger dies zu fürchten haben, wenn sie mit ihrem Spott unser auf Gottes Verheißungen ruhendes Vertrauen zu erschüttern versuchen, wenn sie frech das ganze Evangelium verhöhnen. Denn nichts darf unsere Seele so schwer verwunden als die Verachtung Gottes und der Spott gegenüber Seiner Gnade, und keine Art der Verfolgung ist so verderblich, als die es auf das Heil der Seele absieht. Uns treffen heute nicht die Schwerter der Gottlosen. Aber wie stumpf sind wir, wenn wir gleichgültig bleiben gegen jene geistliche Verfolgung, wenn man die Lehre, aus der wir das Leben gewinnen, auf jede Weise zu vernichten versucht; wenn sie mit Lästerungen wider den Glauben angeht und ihn in der Tat bei vielen Unerfahrenen ins Wanken bringt! Ich stehe heute voller Betrübnis der Weisheit genusssüchtiger Weltkinder gegenüber, die freilich nichts mit gewaltsamen Händen angreifen, aber voll teuflischer Bosheit darauf ausgehen, alle Furcht und Anbetung Gottes und jedes Gedächtnis an Christus auszutilgen, dem gottlosen Spott das Heilige preiszugeben und damit ein alles verheerendes Feuer anzuzünden. Davor zittere ich – weil mir Gottes Name kostbarer ist als mein Leben.

Aber was spricht die Schrift? – Schon das war ein gewisser Trost, dass der Apostel uns Christen als Isaaks Nachkommen bezeichnen konnte; noch wirksamer ist aber, was er nun hinzufügen kann, dass nämlich die Heuchler mit allem ihrem Übermut nur erreichen werden, dass Gott sie aus Abrahams geistlicher Nachkommenschaft ausschließt, während uns trotz ihres Wütens, welches eine Weile währt, das ewige Erbe bleibt. In diesen Trost mögen die Gläubigen sich halten, denn die Tyrannei der Ismaeliten wird nicht beständig dauern. Sie scheinen zwar den Vorrang zu haben, und deshalb verachten sie uns als eine unzeitige Geburt, aufgeblasen wegen ihrer Erstgeburt; aber zuletzt werden sie offenbar werden als Kinder der Magd Hagar, welche des Erbes nicht wert sind. Welch herrliche Mahnung, dass wir uns durch das stolze Glück der Heuchler nicht irre führen und zum Neid verleiten lassen, sondern vielmehr in Geduld das Ende abwarten sollen. Die Bastarde mögen eine Zeitlang in der Kirche Duldung und Achtung genießen, aber eine bleibende Stätte haben sie hier nicht, weil ihr Glaube nicht fest bleibt.

So sind wir nun, liebe Brüder, nicht der Magd Kinder, sondern der Freien. – Abschließend mahnt der Apostel die Christen, dass sie sich lieber als Kinder der Sara, denn als Kinder der Hagar fühlen sollen. Ja, sie sind schon durch Christi Gnade in die Freiheit hineingeboren, um für alle Zeit darin zu bleiben. In unserer Zeit mögen wir mit Recht die Papisten als Ismaeliten und Hagariter, uns selbst aber als die rechtmäßigen Kinder betrachten.