EPHESER

Epheser Kapitel 4 Teil VII

Epheser 4.25-28

Darum legt die Lüge ab und redet die Wahrheit, ein jeglicher mit seinem Nächsten, sintemal wir untereinander Glieder sind. Zürnt und sündigt nicht; lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen. Gebt nicht Raum dem Teufel. Wer gestohlen hat, der stehle nicht mehr, sondern arbeite und schaffe mit seinen Händen etwas Gutes, auf dass er habe zu geben dem Dürftigen.

 

Darum legt die Lüge ab und redet die Wahrheit, ein jeglicher mit seinem Nächsten, sintemal wir untereinander Glieder sind. – Aus der Hauptlehre der Gerechtigkeit des neuen Menschen entwickeln sich nun alle Einzelanweisungen zu einem frommen Wandel, wie die Bäche aus der Quelle. Wo aber dieser Grund nicht gelegt ist, wird die schönste Sammlung von Lebensregeln wenig ausrichten. So stellt denn der Apostel alles auf umfassenden Grund. Soll auf dem Grunde des wahren Evangeliums sich eine wahre Gerechtigkeit oder Heiligkeit aufbauen, so empfangen wir für unser Verhältnis untereinander als erste Einzelvorschrift die Mahnung: legt die Lüge ab und redet die Wahrheit. Unter „Lüge“ wird dabei alles betrügerische Wesen, Verstellung und List, unter „Wahrheit“ klare und durchsichtige Offenheit verstanden; in allem Verkehr mit dem Nächsten sollen wir lauter sein. Wir hören dafür auch den Grund: sintemal wir untereinander Glieder sind. Denn es ist widernatürlich, wenn Glieder nicht zusammenstimmen, und erst recht, wenn sie einander betrügen.

Zürnt und sündigt nicht; - Wahrscheinlich spielt der Apostel auf Psalm 45 an. Sicher ist dies jedoch nicht, da sich dort etwa auch übersetzen ließe: Zittert und sündigt nicht! Jedenfalls ruft uns Paulus zu: zürnet – und sündigt nicht. Er warnt uns also vor der Sünde, mit welcher wir nur zu leicht bei unserem Zürnen Gott beleidigen. Das geschieht gemeinhin in dreifacher Weise. Erstens: geringe und unbedeutende Anlässe und rein persönliche Anstöße, über die wir hinweggehen sollten, erregen unseren Zorn. Zweitens: eine einmal angefachte Erregung überschreitet alles Maß und Ziel. Drittens: der Zorn, den wir gegen uns selbst und die eigene Sünde richten sollten, wendet sich vielmehr gegen die Brüder. Demgegenüber will uns Paulus lehren, wie man recht und mit Maßen zürnen soll: das geschieht nämlich, wenn man den Grund des Zornes mehr bei sich selbst, als bei anderen sucht, und wenn man vor allem gegen seine eigenen Fehler unwillig wird. Was aber andere betrifft, so muss sich unser Zorn weniger gegen die Personen als gegen ihre Sünde richten. Wir dürfen uns auch nicht durch persönliche Beleidigungen zum Zorn reizen lassen: nur der Eifer um die Ehre Gottes soll unseren Zorn entflammen. Endlich muss unser Zorn sich in solcher Schranke halten, dass wir ihn nötigenfalls zügeln können, damit keine wilden Leidenschaften des Fleisches sich mit ihm verbinden.

Lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen. – Da es fast nicht zu verhindern ist, dass der Zorn nicht zuweilen in ungerechten und verderblichen Jähzorn ausarte, weil alle menschlichen Gemütsbewegungen eine Neigung zum Bösen haben, so gibt Paulus uns ein zweites Hilfsmittel in die Hand: wir sollen uns bald beruhigen und nicht zulassen, dass der Zorn lange Zeit andauert und sich festsetzt. Dabei bleibt als Hauptvorschrift bestehen, dass wir zürnen und nicht sündigen; weil dies aber bei der Schwachheit unserer Natur sich kaum durchführen lässt, so tritt die zweite Vorschrift ein, dass man den Zorn nicht im Herzen hegen, noch ihm Zeit lassen soll, sich einzuwachsen. Hätte uns ja der Zorn gepackt, soll unsere Seele doch wieder stille werden, ehe die Sonne sich neigt.

Gebt nicht Raum dem Teufel. – Das griechische Wort für Teufel könnte auch ein Lästerer bedeuten: so findet man hier eine Warnung, sich vor übler Nachrede böswilliger Leute zu hüten, die sich an unserem Zorn hängen könnte. Ohne Zweifel will uns der Apostel aber warnen, nicht dem Satan unsere Seele auszuliefern, der davon Besitz nehmen würde wie ein Feind von einer Festung, um sie nach seinem Willen zu regieren. Die tägliche Erfahrung lehrt ja, eine wie unheilbare oder wenigstens schwer heilbare Krankheit der langanhaltende Hass ist. Das kommt aber nur daher, dass wir dem Satan unser Herz übergeben haben, statt ihm Widerstand zu leisten. Daher müssen wir uns vom Zorn frei machen, ehe er sich in unserem Herzen in das Gift des Hasses wandelt.

Wer gestohlen hat, der stehle nicht mehr, sondern arbeite und schaffe mit seinen Händen etwas Gutes, auf dass er habe zu geben dem Dürftigen. – Der Apostel verwehrt nicht allein den groben Diebstahl, welchen die Obrigkeit straft, sondern auch den heimlichen, welchen kein menschliches Gericht fassen kann; als da sind alle Anschläge, durch welche wir fremdes Gut an uns zu bringen suchen. Aber er verbietet nicht nur, dass wir keine fremden Güter auf unrechte und unerlaubte Weise uns aneignen sollen, sondern gebietet auch, dass wir die Brüder nach unserem Vermögen unterstützen sollen. Du, der du Fremdes geraubt hast, erwirb dir nicht allein deinen Lebensunterhalt mit ehrlichem Schweiß, sondern arbeite auch für andere! Als erste Regel wird uns gegeben, dass keine aus der Übervorteilung anderer einen Vorteil suchen, sondern dass ein jeder sich durch redliche Arbeit ernähren soll. Aber dann führt die Liebe uns weiter, dass ein jeder nicht nur für sich selbst lebt, ohne an andere zu denken, sondern dass er auch bestrebt ist, den anderen in ihrer Not zu helfen. Dabei darf man den Apostel nicht die übertriebene Meinung unterschieben, dass jeder ohne Ausnahme buchstäblich mit den Händen arbeiten soll. Man versteht ja wohl, dass er einfach sagen will: jeder halte sich so, dass er nicht zu stehlen und zu betrügen braucht; lieber leiste er die härteste Arbeit! Ja, solche Arbeit soll er auch willig auf sich nehmen, um den Brüdern helfen zu können.

Er schaffe etwas Gutes. – Da viele Berufsarten lediglich dem Vergnügen, oft sogar dem unsauberen Genuss dienen, so empfangen wir ausdrücklich den weiteren Hinweis, solche Arbeit zu wählen, welche dem Nächsten wahren Nutzen bringt. Hielten schon heidnische Philosophen solche nur dem Vergnügen und somit der Sittenverderbnis dienenden Berufsarten für unehrenhaft, so kann sie ein Apostel Christi noch viel weniger als einen Gott wohlgefälligen Beruf gelten lassen.