1. Petrus 2.13-16
Seid untertan aller menschlichen Ordnung um des Herrn willen, es sei dem Könige, als dem, der Gewalt hat, oder den Beamten, als die von ihm gesandt sind zur Rache über die Übeltäter und zu Lobe den Frommen. Denn das ist der Wille Gottes, dass ihr mit Wohltun verstopfet die Unwissenheit der törichten Menschen, als die Freien, und nicht als hättet ihr die Freiheit zum Deckel der Bosheit, sondern als die Knechte Gottes.
Seid untertan aller menschlichen Ordnung. – Jetzt wendet sich der Apostel zu besonderen Mahnungen. Und weil der Gehorsam gegen die Obrigkeit auch ein Stück eines rechtschaffenen Wandels ist, zieht er den Schluss: Seid also untertan usw. Hätten die Leser sich wider das Joch der Oberherrschaft aufgelehnt, so würden sie den Heiden einen ganz besonderen Anlass zum Afterreden gegeben haben. Machten sich doch die Juden eben dadurch verhasst und anrüchig, dass man sie wegen ihrer Widerspenstigkeit für unbezähmbar halten musste. Da aus den Unruhen, die sie in den Provinzen erregten, vielerlei Widrigkeiten hervorgingen, so fürchtete sich jedes friedliche und stille Gemüt vor ihnen wie vor der Pest. So fühlt sich eben dadurch Petrus veranlasst, über die Untertänigkeit so ernste Vorschriften zu geben. Außerdem hielten viele das Evangelium für eine Freiheitspredigt, auf Grund deren ein jeder sich der Dienstbarkeit entziehen könne. Es erschien als eine Unwürdigkeit, dass Gottes Kinder Knechte sein und dass die Erben der Welt nicht einmal freie Verfügung über ihren Leib haben sollten. Als weitere Versuchung kam hinzu, dass alle Obrigkeiten Christus feindlich waren und ihre Obergewalt missbrauchten. So leuchtete in ihnen nichts von dem Abbilde Gottes, welches vornehmlich Ehrfurcht erweckt. Jetzt verstehen wir die Absicht des Petrus: Seine Mahnung an die Juden, die staatliche Ordnung zu pflegen, war durch zwingende Gründe veranlasst. Das Wort, welches wir durch „Ordnung“ wiedergeben, bedeutet buchstäblich Schöpfung oder Auferbauung. Petrus will daran erinnern, dass Gott als Schöpfer der Welt das Menschengeschlecht nicht der Unordnung und tierischen Lebensweise überlassen habe, vielmehr sei wie in einem wohlgeordneten Gebäude jedem einzelnen Glied sein Platz angewiesen. „Menschlich“ heißt diese Ordnung nicht etwa, weil sie von Menschen erfunden wäre, sondern weil eine solche wohl eingeteilte und geregelte Lebensweise dem Menschengeschlecht eigentümlich ist.
Es sei dem Könige, als dem, der Gewalt hat. – Gemeint ist der römische Kaiser, unter dessen Oberherrschaft die im Eingang des Briefes genannten Gegenden standen. Freilich war der Königsname bei den Römern äußerst verhasst, aber bei den Griechen neben der Bezeichnung als Selbstherrscher durchaus in Gebrauch. Was als Grund notwendiger Unterwerfung beigefügt wird, dass der Kaiser Gewalt hat, soll ihn nicht etwa mit anderen Obrigkeiten in Vergleich stellen. Gewiss war er der Oberherr; aber die Gewalt, welche Petrus ihm zuschreibt, eignet allen, die öffentliche Macht ausüben. Darum dehnt Paulus im 13. Kapitel des Römerbriefs die Aussage auf alle Obrigkeiten aus. Die Meinung ist aber, dass man allen regierenden Personen Gehorsam schuldet, weil sie nicht durch Zufall, sondern durch Gottes Vorsehung zu ihrer Ehrenstellung erhoben wurden. Die meisten pflegen nämlich gar zu peinlich darnach zu forschen, durch welchen Rechtsgrund ein jeglicher seine Herrscherstellung erlangt habe. Wir sollten aber allein damit uns zufriedengeben, dass die Herrscher eben herrschen. Darum beugt Paulus allen überflüssigen Einwürfen vor, indem er verkündet: „Es ist keine Obrigkeit, ohne von Gott.“ Unter diesem Gesichtspunkt weist die Schrift auch sonst immer wieder darauf hin, dass Gott es ist, der die Könige mit dem Schwert gürtet, der sie zur Höhe emporhebt, der Königreiche gibt, welchem Er will. Diesen Hinweis beizufügen, war besonders nötig, weil Petrus vom römischen Kaiser sprach. Denn ohne Zweifel waren es böse Künste und nicht rechtmäßige Gründe, durch welche die Römer nach Asien vorgedrungen waren und sich jene Gegenden unterworfen hatten. Zudem hatten die Kaiser, die damals regierten, die Oberherrschaft durch tyrannische Gewaltsamkeit an sich gerissen. Darum sagt Petrus, dass man dies alles nicht in Erörterung ziehen soll: Untertanen sollen ihren Herrschern ohne Widerspruch gehorchen, da jene nur darum über ihnen stehen, weil Gottes Hand sie erhoben hat.
Oder den Beamten. – Darunter sind alle Vertreter der Obrigkeit zu verstehen: Gibt es doch keine Art der Herrschaft, der man sich nicht unterwerfen müsste. Der Grund ist, dass die Beamten als Gottes Diener dastehen. Denn dass sie von Ihm gesandt sind, darf man durchaus nicht auf den König beziehen. Vielmehr wird als gemeinsamer Grund zur Empfehlung der Autorität aller Obrigkeiten eingeprägt, dass sie durch Gottes Befehl herrschen und von Ihm gesandt werden. Daraus folgt, wie auch Paulus lehrt, dass man dem Herrn widerstrebt, wenn man der von Ihm geordneten Gewalt sich nicht gehorsam unterwirft.
Zur Rache über die Übeltäter und zu Lobe den Frommen. – Ein zweiter Grund, weshalb man die staatliche Ordnung ehrfürchtig anerkennen und pflegen muss: Sie wurde von Gott zum gemeinen Besten des Menschengeschlechtes aufgerichtet. Wem der öffentliche Nutzen nicht am Herzen liegt, gleicht einem wilden Tier. Alles in allem will Petrus sagen: Weil Gott die Welt durch den Dienst der Obrigkeiten erhält, ist der ein Feind des menschlichen Geschlechts, der ihrem Regiment Abbruch tut. Zum Beweise dienen ihm die beiden Stücke, die auch nach Plato den Staat aufrechterhalten: Die Ehrung der Guten und die Bestrafung der Bösen. Denn im Altertum waren nicht bloß Strafen für Übeltäter, sondern auch Belohnungen für gute Bürger verordnet. Gewiss kommt es oft vor, dass die Ehren nicht recht verteilt werden und wohlverdienten Leuten nicht entsprechender Lohn gegeben wird. Aber schon die Ehre soll man nicht unterschätzen, dass die Guten wenigsten unter dem Schutz und der Obhut der Obrigkeiten leben dürfen, dass sie nicht der Vergewaltigung und Beleidigung durch frevelhafte Leute preisgegeben sind, dass sie unter Gesetz und Gericht viel ruhiger leben und ihren Wert behaupten können, als wenn ein jeglicher, durch keine Bande gezügelt, nach seiner Willkür leben dürfte. Alles in allem: Es ist ein einzigartiger Segen Gottes, dass frevelhafte Leute nicht tun dürfen, was ihnen beliebt. Allerdings ließe sich einwenden, dass Könige und andere Obrigkeiten oft ihre Gewalt missbrauchen und mehr in tyrannischer Grausamkeit daherstürmen, als dass sie eine gesetzmäßige Herrschaft übten. So ungefähr stand doch die Sache, als unser Brief geschrieben wurde. Ich antworte: Der Missbrauch, welchen die Tyrannen und ähnliche Leute treiben, kann doch nicht hindern, dass Gottes Ordnung immer feststeht; so wird auch die bleibende Einrichtung der Ehe nicht umgestoßen, wenn ein Ehemann oder eine Ehefrau sich unziemlich betragen. Mögen die Menschen noch so weit abirren, so wird doch der feste, von Gott gesetzte Zielpunkt nicht von der Stelle gerückt. Wiederum könnte jemand einwenden, dass man Fürsten nicht zu gehorchen braucht, die Gottes heilige Ordnung, soviel an ihnen ist, auf den Kopf stellen, ja sich wie reißende Tiere gebärden, da doch die Obrigkeiten Gottes Bild an sich tragen sollten. Ich antworte: Die von Gott gesetzte Ordnung muss uns so viel bedeuten, dass wir auch einer tyrannischen Herrschaft, welche die Gewalt in Händen hat, ihre Ehre belassen. Einleuchtender ist vielleicht noch die andere Erwägung, dass eine derartig grausame und zügellose Tyrannei, in der nicht wenigstens ein Schimmer von Recht und Ordnung noch leuchtete, weder jemals existiert hat noch sich überhaupt denken lässt. Gott lässt seine Ordnung niemals durch menschliche Lasterhaftigkeit völlig ersticken; es bleiben immer wenigstens gewisse Grundlinien. Zudem ist ein noch so verunstaltetes und verderbtes Regiment immer noch besser und nützlicher als Anarchie.
Denn das ist der Wille Gottes, dass ihr mit Wohltun verstopfet die Unwissenheit der törichten Menschen. – Der Apostel kehrt zu der früheren Belehrung zurück, dass man den Ungläubigen nicht Anlass zum Schmähen geben solle. Doch sagt er jetzt weniger als zuvor. Er spricht nur aus, dass den Unwissenden der Mund verstopft werden soll. Alles in allem soll man derartig leben, dass die Ungläubigen, die wider uns afterreden wollen, sich zum Schweigen gezwungen sehen. Die Ausdrucksweise: Verstopfet die Unwissenheit ist ungewöhnlich und darum etwas hart, aber doch keineswegs unverständlich. Wenn die Ungläubigen als törichte Menschen bezeichnet werden, so wird damit der Grund ihrer Schmähungen aufgedeckt: Sie wissen nichts von Gott. Wenn übrigens diesen Ungläubigen Verstand und Einsicht abgesprochen wird, so ergibt sich der Schluss, dass rechte Weisheit nur auf der Erkenntnis Gottes ruhen kann. Mögen also die Ungläubigen sich in ihrem Scharfsinn noch so sehr gefallen und auch anderen als klug erscheinen, Gottes Geist spricht ihnen doch das Urteil, dass sie töricht sind. Darum sollen wir lernen, nur in Gott weise zu sein; denn, abgesehen von Ihm, gibt es keine Gewissheit. Der Apostel zeigt uns auch, auf welche Weise man die Schmähsucht der Ungläubigen in Schranken halten muss: Mit Wohltun. Dieses Wort umfasst alle Pflichten der Menschlichkeit, die wir gegen unsere Nächsten erfüllen müssen. Dazu gehört auch der Gehorsam gegen die Obrigkeit, ohne welchen menschliche Gemeinschaft nicht gepflegt werden kann. Allerdings könnte man einwenden, dass die Gläubigen mit dem größten Eifer zum Wohltun die Schmähungen der Ungläubigen doch nicht abwenden werden. Aber der Apostel will gewiss auch nicht sagen, dass sie über Verleumdungen und üble Nachreden erhaben sein werden, sondern dass die Ungläubigen den von ihnen so sehr gesuchten Stoff zum Afterreden nicht vorfinden sollen. Weiter möge niemand sagen, die Ungläubigen seien es ja nicht wert, dass Kinder Gottes nach ihrem Wink ihr Leben einrichten müssten. Darum erinnert Petrus ausdrücklich: Das ist der Wille Gottes, dass ihnen der Mund gestopft werde.
Als die Freien, und nicht als hättet ihr die Freiheit zum Deckel der Bosheit, sondern als die Knechte Gottes. – Dieser Satz kommt gewissen Missverständnissen zuvor, welchen die Freiheit der Kinder Gottes zu unterliegen pflegt. Wie die Menschen von Natur nur zu scharfsichtig sind, ihren Vorteil zu erspähen, so glaubten viele, als die Predigt des Evangeliums aufkam, sie seien frei, um lediglich sich selbst zu leben. Diesen Wahn zerstört Petrus, indem er kurz darauf hinweist, welch gewaltiger Abstand zwischen der Freiheit der Christen und zügelloser Willkür besteht. Diese Freiheit ist nicht ein Deckel der Bosheit, ward also nicht gegeben, damit wir den Nächsten verletzen oder ihm irgendeinen Schaden zufügen. Wahre Freiheit ist diejenige, die niemand schädlich oder nachteilig ist. Um dies zu bekräftigen, erklärt der Apostel diejenigen für frei, die sich als Knechte Gottes beweisen. Daraus ergibt sich als Ziel unserer Freiheit, dass wir williger und geschickter zum Gehorsam gegen Gott werden sollen. Ist sie doch nichts anderes als Befreiung von der Sünde: Der Sünde aber wird die Herrschaft genommen, damit sich die Menschen in den Dienst der Gerechtigkeit stellen. Alles in allem: Der Dienst ist frei und die Freiheit dienstbar. Weil wir Knechte Gottes sein müssen, um des Guts der Freiheit zu genießen, bedarf es der Mäßigung in ihrem Gebrauch. Auf diese Weise sind die Gewissen frei; das hindert aber nicht, dass wir dem Herrn dienen, der uns auch den Menschen unterwirft.