1. Petrus Kapitel 1 Teil VI

1. Petrus 1.17-20

Und sintemal ihr den zum Vater anrufet, der ohne Ansehen der Person richtet nach eines jeglichen Werk, so führet euren Wandel, solange ihr hier wallet, mit Furcht, und wisset, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöset seid von eurem eitlen Wandel nach väterlicher Weise, sondern mit dem teuren Blut Christi, als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes, der zwar zuvor ersehen ist, ehe der Welt Grund gelegt ward, aber offenbaret zu den letzten Zeiten um euretwillen, die ihr durch ihn glaubet an Gott, der ihn auferwecket hat von den Toten und ihm die Herrlichkeit gegeben, auf dass ihr Glauben und Hoffnung zu Gott haben möchtet. Und machet rein eure Seelen im Gehorsam der Wahrheit durch den Geist zu ungefärbter Bruderliebe, und habt euch untereinander brünstig lieb aus reinem Herzen.

 

Und sintemal ihr den zum Vater anrufet, der ohne Ansehen der Person richtet nach eines jeglichen Werk, so führet euren Wandel, solange ihr hier wallet, mit Furcht. – Wer Gott seinen Vater nennt, bekennt sich dadurch als sein Kind. In diesem Sinne heißt es bei Mose (1. Mose 48.16), dass Jakobs Name über Ephraim und Manasse genannt werden solle, so dass sie nun als seine Kinder gelten. An unserer Stelle deutet der Ausdruck auf die frühere (Vers 14) Wendung zurück: Als gehorsame Kinder. Und wie der Gehorsam beschaffen sein soll, wird aus dem Wesen des Vaters abgeleitet. Es heißt von Ihm, dass Er ohne Ansehen der Person richtet. Er lässt sich nicht durch die äußere Maske bestimmen wie die Menschen, sondern sieht das Herz an (1. Samuel 16.7). Seine Augen sehen auf die Treue oder den Glauben (Jeremia 5.3). Das ist es auch, was Paulus meint, dass Gottes Urteil (Römer 2.2) nach der Wahrheit ergeht. An der betreffenden Stelle straft Er ja die Heuchler, welche hoffen, des Herrn mit hohlem Schein spotten zu können. Alles in allem: Wir tun keineswegs unsere Pflicht gegen Gott, wenn wir nur Augendienst leisten. Er ist kein sterblicher Mensch, dem die äußere Haltung Genüge leistet, sondern Er liest inwendig in unserm Herzen, wie wir beschaffen sind; Er gibt nicht Gesetze für Füße und Hände, sondern fordert eine Gerechtigkeit im Geist. Dass Er aber richtet nach eines jeglichen Werk deutet nicht etwa auf Verdienst oder Lohn. Denn in diesem Zusammenhange ist nicht von Verdienst der Werke oder von der Ursache des Heils die Rede; vielmehr will Petrus nur erinnern, dass vor Gottes Richterstuhl für Ansehen der Person kein Raum ist, sondern dass allein wahre Herzensreinheit gilt. Darum ist unter dem Begriff der Werke auch der Glaube mitzudenken. Die Furcht, von der Petrus spricht, steht im Gegensatz zu falscher Sicherheit, sie sich einzuschleichen pflegt, wo man hofft, ungestraft sündigen zu können. Denn da Gottes scharfes Auge überall durchdringt und auch die verborgenen Falten des Herzens durchforscht, muss man vor Ihm sorgfältig, nicht leichtfertig wandeln. Einen Wandel oder eine Pilgrimschaft nennt der Apostel das irdische Leben nicht in dem Sinne, wie im Eingang des Briefes die Juden als Fremdlinge in der Diaspora bezeichnet wurden, sondern weil überhaupt alle Frommen in dieser Welt als Pilger dastehen (Hebräer 11.13 & 11.38).

Und wisset, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöset seid von eurem eitlen Wandel nach väterlicher Weise, sondern mit dem teuren Blut Christi. – Ein zweiter Grund wird aus dem köstlichen Preis unserer Erlösung abgeleitet, der uns immer in die Gedanken kommen muss, so oft von unserem Heil die Rede ist. Denn wer das Gnadenangebot des Evangeliums verschmäht oder verachtet, dem ist nicht bloß das eigne Heil, sondern auch Christi Blut, um dessen Preis Gott dies Heil geschaffen hat, verächtlich und wertlos. Und wir wissen doch, welch schrecklicher Frevel es ist, das Blut des Sohnes Gottes zu entheiligen. Darum gibt es nichts, was uns ernstlicher zum Streben nach Heiligkeit antreiben müsste, als der Gedanke an diesen Preis. Zur Verstärkung wird gegensätzlich auf Silber und Gold hingewiesen. Wir sollen wissen, dass die ganze Welt und alles, was Menschen wertvoll dünkt, im Vergleich mit der Herrlichkeit dieses Preises nichts ist. Sind aber die Leser von ihrem eitlen Wandel erlöset, so entnehmen sie daraus, dass das ganze Leben des Menschen ein verderblicher und viel verschlungener Umweg ist, bis er sich zu Christus wendet. Weiter wird deutlich, dass es nicht durch unsere Verdienste geschieht, wenn wir ins Leben zurückkehren dürfen; vielmehr darauf gründet es sich, dass Gott den Preis, den Er für unser Heil aufwendet, in uns wirksam machen will. Christi Blut ist also nicht nur das Unterpfand unseres Heils, sondern auch der Grund unserer Berufung. Nun aber sollen wir, wie Petrus mahnt, uns hüten, dass unser Unglaube diesen Preis nicht entwerte oder zunichte mache. Übrigens könnte man sich wundern, dass Petrus Juden gegenüber von einem eitlen Wandel nach väterlicher Weise spricht. Haben dieselben wirklich aus der Unterweisung ihrer Väter nichts als Eitelkeit gelernt? Rühmt doch Paulus, dass er von den Voreltern her dem Herrn mit reinem Gewissen diene, und empfiehlt dem Timotheus die Frömmigkeit seiner Großmutter Lois und seiner Mutter Eunike zur Nachahmung (2. Timotheus 1.3 ff.). Auch Jesus sagt von den Juden, dass sie wissen, welchen Gott sie anbeten (Johannes 4.22). Aber Er denkt dabei mehr an das Gesetz und an Gottes Vorschrift als an die Masse des Volks, die in zahllose, abergläubische Bräuche, Heuchelei und groben Irrtum versunken war. Man war völlig von der wahren Frömmigkeit abgekommen und tief entartet. Wenn also Petrus den eitlen Wandel der Väter verurteilt, denkt er ihn losgelöst von Christus, der allein die Seele und Wahrheit des Gesetzes ist. Wir entnehmen daraus, dass die Menschen in verderblichen Irrtum geraten, sobald sie sich von Christus entfernen. Es ist also vergeblich, sich auf die Autorität der Väter oder die alte Sitte zu berufen. Hat doch der Prophet Hesekiel (20.18) den Juden zugerufen: „Ihr sollt nach eurer Väter Geboten nicht leben.“ Das muss auch heute bei uns unvermindert gelten. Soll Christi Erlösung bei uns wirksam und fruchtbar werden, so müssen wir unser früheres Leben preisgeben, auch wenn es aus der Unterweisung der Väter geflossen war. Welche Torheit ist es, wenn die Papisten mit dem bloßen Namen der Väter ihren Aberglauben meinen decken und ruhig verachten zu dürfen, was man ihnen aus Gottes Wort vorträgt!

Als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes. – Dieser Vergleich gibt zu verstehen, dass wir in Christus alles besitzen, was durch die alten Opfer schattenhaft dargestellt war. Insbesondere liegt eine Anspielung auf das Passahlamm vor. Wir können daraus lernen, wie nützlich es uns in der Richtung ist, das Gesetz zu lesen. Ist auch der Brauch des Opfers abgeschafft, so bedeutet es doch für unseren Glauben eine nicht geringe Stärkung, wenn man die Wahrheit mit den bildlichen Darstellungen vergleicht, damit wir in ihr suchen lernen, was jene in sich bergen. Das Lamm, welches am Passah zu opfern war, sollte nach dem Gesetz Mose (3. Mose 3.6 & 22.21; 4. Mose 28.3) untadelig und ohne Fehl sein. Wenn Petrus dies auf Christus anwendet, will er Ihn als das gesetzmäßige und von Gott gebilligte Opfer darstellen, weil Er rein und von jedem Flecken frei war. Hätte Er irgendeine Sünde an Sich gehabt, so hätte Er Sich nicht in rechter Weise beim Vater aufopfern können, geschweige denn, dass Er Seinen Zorn versöhnt hätte.

Der zwar zuvor ersehen ist. – Durch einen Vergleich wird die Gnade Gottes hoch erhoben, die sich insbesondere zu den Menschen der Gegenwart freundlich herabließ. War es doch nichts Gewöhnliches oder Geringes, dass Gott die Offenbarung Christi bis zu den letzten Zeiten, in denen sie lebten, aufschob, obwohl Er Ihn in Seinem ewigen Rat längst für das Heil der Welt bestimmt hatte. Zugleich empfangen wir noch einen Hinweis, dass es für Gott keine neue und plötzliche Erscheinung war, wenn Christus als unser Erlöser auftrat. Dies zu wissen ist ganz besonders nötig. Schon im Allgemeinen hält man jede neue Sache für verdächtig. Insbesondere aber würde unserem Glauben der feste Grund fehlen, wenn wir annehmen müssten, dass erst nach Verlauf einiger tausend Jahre dem Herrn das Heilmittel in den Sinn gekommen wäre, mit welchem Er den Menschen helfen wollte. Endlich könnten wir uns nicht mit ruhiger Zuversicht auf Christus stützen, wenn wir nicht sicher wüssten, dass ewiges Heil bei Ihm zu finden ist und immer zu finden war. Es lässt sich nun eine Frage aufwerfen: Wie kann Christus von Ewigkeit her zum Erlöser bestimmt sein, da doch Adam nicht vor Schöpfung der Welt gefallen ist? Das Heilmittel kann doch erst nach dem Übel einsetzen? Ich antworte, dass hier Gottes Vorauswissen in Betracht kommt. Als Gott den Menschen schuf, hat Er sicherlich vorausgesehen, dass er nicht lange in unversehrtem Stande bleiben werde. So hat Er nach Seiner wunderbaren Weisheit und Güte Christus als Erlöser verordnet, der das verderbte Menschengeschlecht dem Untergang entreißen sollte. Gerade darin leuchtet Gottes unvergleichliche Güte am hellsten, dass Er unserem Übel mit dem Heilmittel Seiner Gnade bereits zuvorgekommen ist, dass Er die Wiederherstellung des Lebens verordnet hat, noch ehe der erste Mensch in den Tod gefallen war.

Dass Christus offenbaret ist, begreift sowohl Seine persönliche Erscheinung als auch das Angebot des Evangeliums in sich. Denn durch Christi Ankunft hat Gott Seinen Beschluss vollzogen, und was Er den Vätern nur dunkel anzeigte, hat Er uns durch die Lehre des Evangeliums klar und völlig kundgetan. Dass dies in der gegenwärtigen Zeit geschehen sei, besagt dasselbe, wie wenn Paulus davon spricht (Galater 4.4), dass die Zeit erfüllt ward. Es handelt sich um die rechte Gelegenheit und wahre Erfüllung, die Gott in Seinem Rat festgesetzt hat.

Um euretwillen. – Damit sollen die Väter nicht ausgeschlossen sein, als wäre für sie die Verheißung unnütz gewesen. Aber der Apostel will einprägen, dass der Vorzug, den Gott uns schenkte, und die umfassendere Offenbarung Seiner Gnade gegen uns desto mehr Ehrfurcht, Inbrunst und Eifer in uns zeitigen müssen. Er fügt hinzu (Vers 21): Die ihr glaubet. Denn die Offenbarung Christi wird nicht unterschiedslos jedermann zuteil, sondern ist ein besonderes Eigentum derer, denen Er durch das Evangelium wie ein Licht aufgeht. Auch im Übrigen ist die Ausdrucksweise bemerkenswert: Die ihr durch ihn glaubet an Gott. Damit wird kurz die Natur des Glaubens beschrieben. Da Gott unbegreiflich ist, wird der Glaube niemals zu Ihm vordringen, wenn Er nicht geradeswegs sich zu Christus begibt. Aus einem doppelten Grunde kann es keinen Glauben an Gott geben, wenn nicht Christus als Mittler dazwischentritt. Denn erstlich müssen wir die Größe der göttlichen Herrlichkeit bedenken, sowie die Dürftigkeit unseres Geistesvermögens. Unser Scharfsinn hat nicht entfernt die Fähigkeit, so hoch emporzusteigen, dass Er Gott greifen könnte. Jeder Gedanke von Gott, den wir ohne Christus fassen, ist ein unermessliches Labyrinth, welches alle unsere Sinne gänzlich verschlingen muss. Zum deutlichen Beweis dienen nicht bloß die Türken und Juden, die unter dem Namen Gottes ihre Traumgebilde anbeten, sondern auch die Papisten. Es ist eine geläufige Lehre in ihren Schulen, dass Gott der Gegenstand des Glaubens sei. Und nun fangen sie an, ohne Christi zu gedenken, ausgiebig und scharfsinnig über Seine verborgene Majestät zu philosophieren. Aber was kommt dabei heraus? Sie verstricken sich in wunderliche Wahngebilde und finden kein Ende ihrer Irrwege. Denn sie sehen den Glauben als ein Gedankenbild und eine Spekulation an. Wir wollen uns erinnern, dass Christus mit gutem Grunde als das Ebenbild des unsichtbaren Gottes bezeichnet wird (Kolosser 1.15). Dieser Name wurde Ihm eben darum beigelegt, weil Gott sich nur in Ihm wollte erkennen lassen. Dazu kommt der andere Grund: Während der Glaube uns mit Gott verbinden müsste, fliehen und scheuen wir jeden Zugang zu Ihm, wenn uns nicht ein Mittler begegnet, der die Furcht von uns nimmt. Denn die Sünde, die in uns herrscht, macht uns Gott dem Herrn verhasst und Ihn wiederum uns. Sobald also von Gott die Rede ist, kann es gar nicht anders sein, als dass Schrecken uns ergreift. Wenn wir uns Ihm nähern, ist Seine Gerechtigkeit wie ein Feuer, das uns völlig verzehrt. So ergibt sich, dass wir an Gott nicht glauben können, außer durch Christus, in welchem Gott sich gleichsam klein gemacht hat, um sich zu unserm Begreifen herabzulassen. Er allein stillt auch unser Gewissen, so dass wir nun wagen, vertraulich zu Gott zu nahen.

Der ihn auferwecket hat von den Toten. – Dies wird hinzugefügt, damit unser Glaube und unsere Hoffnung eine feste Stütze haben, auf welche sie sich stützen. Dadurch wird es von neuem als eine Täuschung erwiesen, was man von dem allgemeinen Glauben an Gott fabelt. Denn wenn auch Christus nicht auferstanden wäre, würde doch Gott im Himmel bleiben. Und doch sagt Petrus, dass man an Ihn nicht glauben kann, wenn Christus nicht auferstanden ist. Es steht also fest, dass der Glaube auf etwas anderes schaut als auf Gottes bloße Majestät. Und das Wort des Petrus hat guten Grund; denn freilich ist es die Art des Glaubens, in den Himmel zu dringen, um dort den Vater zu finden. Wie soll er aber dies können, wenn er nicht Christus zum Führer hat? Durch Ihn haben wir, wie Paulus sagt (Epheser 3.12), die Freudigkeit zum Zugang. Desgleichen lesen wir im Hebräerbrief (4.16), dass wir im Vertrauen auf unsern Hohenpriester mit freudiger Zuversicht zum Gnadenstuhl hinzutreten können. Die Hoffnung ist der Anker der Seele, der in das innerste Heiligtum dringt, aber nur, nachdem Christus vorausgegangen (Hebräer 6.19). Der Glaube ist unser Sieg über die Welt (1. Johannes 5.4). Was anders macht ihn aber so sieghaft als eben, dass Christus, der Herr Himmels und der Erde, uns in Seiner treuen Hut birgt? Da also unser Heil auf Christi Auferstehung und Oberherrschaft ruht, finden jetzt Glaube und Hoffnung ihre Stütze. Denn wenn Er nicht durch Seine Auferstehung über den Tod triumphiert hätte und jetzt die oberste Herrschaft besäße, in deren Kraft Er uns schützen kann, was sollte bei der Übermacht der Feinde und unter so vielen gewaltsamen Anstürmen aus uns werden? Wir wollen also lernen, auf welches Ziel man blicken muss, um recht an Gott glauben zu können.

Und machet rein eure Seelen. – Andere übersetzen: „Da ihr ja eure Seelen rein macht.“ Aber der Apostel sagt nicht, wie seine Leser sind, sondern erinnert sie, wie sie sein sollen. Er straft unsere Unreinigkeit und will einprägen, dass unsere Seelen die Gnade nicht eher greifen können, als bis sie gereinigt sind. Damit es aber nicht scheine, als schiebe er die Kraft zur Reinigung der Seele uns zu, verbessert er sich alsbald und fügt hinzu, dass sie durch den Geist vollzogen wird: Gewiss sollt ihr eure Seelen reinigen; aber weil ihr dies nicht vermögt, so bringt sie dem Herrn dar, damit Er durch Seinen Geist ihre Unreinigkeit tilge! Es wird nun bloß die Seele genannt, obwohl, wie Paulus befiehlt (2. Korinther 7.11), wir uns auch von den Befleckungen des Fleisches reinigen müssen. Petrus kann aber an die Seele allein erinnern, weil die innere Reinigkeit die Hauptsache ist und die äußere notwendig nach sich zieht. Seine Meinung ist, dass nicht bloß das äußere Verhalten gebessert, sondern dass die Herzen selbst von Grund aus erneuert werden müssen. Er beschreibt auch die Art und Weise davon: Die Reinigkeit des Herzens besteht darin, dass wir uns Gott im Gehorsam ergeben. Als Wahrheit wird die Regel bezeichnet, die uns der Herr im Evangelium vorschreibt. Dabei ist doch nicht bloß von Werken die Rede, vielmehr steht hier der Glaube an erster Stelle. Darum prägt Paulus ein, dass es ganz besonders der Glaube ist, durch welchen wir dem Herrn Gehorsam leisten (Römer 1.5 &16.26). Und Petrus erteilt dem Glauben das Lob, dass durch ihn Gott die Herzen reinigt (Apostelgeschichte 15.9).

Zu ungefärbter Bruderliebe. – Dies kurze Wort erinnert an das, was Gott in unserm Leben vornehmlich fordert, und auf welches Ziel wir alle unsere Bemühungen richten müssen. Auch Paulus (Epheser 1.4) findet die Vollkommenheit der Gläubigen in der brüderlichen Liebe. Dies muss umso eifriger eingeprägt werden, weil die Welt ihre Heiligkeit auf, ich weiß nicht welche, Spielereien zu beschränken pflegt, wobei sie das Hauptstück fast übersieht. So ermüden sich die Papisten in selbst erdachtem Aberglauben ohne Maß: Die Liebe, die Gott uns vor allem empfiehlt, steht an letzter Stelle. Wenn aber Petrus von der rechten Lebensführung handelt, ruft er uns auf, nach ihr eifrig zu streben. Zuvor hat er von der Abtötung des Fleisches und von unsrer Gleichgestaltung mit dem Bilde Gottes gesprochen; jetzt erinnert er, worin wir uns nach Gottes Willen im ganzen Leben üben sollen. Wir sollen Liebe untereinander pflegen; denn dadurch bezeugen wir, dass wir auch Gott lieben. An diesem Merkmal prüft auch Gott, wer Ihn in Wahrheit liebt. Die Liebe wird als „ungefärbt“ oder ungeheuchelt bezeichnet (vergleiche auch 1. Timotheus 1.5), weil nichts schwerer ist, als den Nächsten mit ganz treuem Herzen zu lieben. Denn es regiert die Selbstliebe, die voller Heuchelei ist; und die Liebe, welche einer dem andern zukommen lässt, bemisst er gewöhnlich mehr nach seinem eigenen Vorteil, als nach einem wirklich frommen Eifer mitzuteilen. Außerdem sagt der Apostel, dass wir uns brünstig lieben sollen. Weil wir von Natur so träge sind, muss ein jeder sich nicht bloß einmal, sondern an jedem Tage wieder zu immer neuem Ernst und Eifer treiben.