1. Petrus Kapitel 1 Teil IV

1. Petrus 1.10-12

Nach dieser Seligkeit haben gesucht und geforscht die Propheten, die von der Gnade geweissagt haben, so auf euch kommen sollte, und haben geforscht, auf welche und welcherlei Zeit deutete der Geist Christi, der in ihnen war, und zuvor bezeuget hat die Leiden, die über Christus kommen sollten, und die Herrlichkeit darnach; welchen offenbart ist, dass sie nicht für sich selbst, sondern für uns dartaten, was euch nun verkündigt ist durch die, so euch das Evangelium verkündiget haben durch den heiligen Geist, vom Himmel gesandt; was auch die Engel gelüstet zu schauen.

 

Den Wert dieser Seligkeit sollen wir nun daran ermessen, dass die Propheten eifrigst nach ihr gestrebt haben. Sie muss eine große und unvergleichlich herrliche Sache sein, weil sie die Propheten entzündet hat, ihr nachzuforschen. Es bezieht sich aber die Aussage über das Forschen und Suchen der Propheten nicht auf ihre Schriften und Lehren, sondern auf die persönliche Sehnsucht, die einen jeglichen beseelte. Erst die Fortsetzung will auf ihre öffentliche Tätigkeit bezogen sein. Um aber das einzelne deutlicher heraustreten zu lassen, wollen wir unsere Stelle in bestimmte Aussagen zerlegen. Erstlich: Die Propheten, welche von der durch Christi Ankunft uns dargebotenen Gnade weissagten, waren eifrig darauf gespannt, die Zeit der vollen Offenbarung zu erkennen. Zum andern: Der Geist Christi hat durch ihren Dienst den zukünftigen Zustand des Reiches Christi vorausverkündet, wie wir ihn teils jetzt sehen, teils noch erhoffen, nämlich dass es Christus und allen Gliedern Seines Leibes bestimmt sei, durch mancherlei Leiden zur Herrlichkeit einzugehen. Zum dritten: Der Dienst der Propheten trug reichere Frucht für uns als für ihre Zeit; und dies wurde ihnen geoffenbart, denn erst in Christus werden die Dinge wirklich dargeboten, deren Abbild der Herr nur dunkel und schattenhaft darstellte. Zum vierten: Das Evangelium enthält, weil es derselbe Geist ist, der in ihm redet, nicht bloß eine lichtvolle Bestätigung der prophetischen Rede, sondern auch eine weit reichere und genauere Erläuterung; es enthüllt das Heil, welches die Propheten einst nur aus der Ferne schauen durften, unseren Augen in greifbarer Nähe. Endlich: Wie wunderbar die herrliche, uns durch das Evangelium verheißene Seligkeit ist, lässt sich auch daraus ersehen, dass selbst die Engel, die doch Gottes Anblick im Himmel genießen, vor Sehnsucht brennen, dieselbe zu schauen. Dies alles aber zielt auf den einen Punkt, dass die Christen zur vollen Höhe ihres Glücks emporsteigen und dadurch alle Hindernisse in der Welt überwinden sollen. Denn gibt es irgendein Ding, welches durch diese unvergleichliche Wohltat nicht in den Schatten gestellt würde?

Nach dieser Seligkeit haben gesucht und geforscht die Propheten. – Aber besaßen denn nicht die Väter bereits die gleiche Seligkeit wie wir? Warum heißt es also von ihnen, dass sie suchten, als hätten sie nicht erlangt, was uns heute angeboten wird? Die Lösung ist leicht: Unter der Seligkeit ist in unserm Zusammenhange deren volle und klare Offenbarung zu verstehen, die uns durch Christi Ankunft zuteilwurde. Die Worte des Petrus wollen nichts anderes sagen, als was wir aus Christi Munde hörten (Matthäus 13.16 f.): „Viel Propheten und Könige haben begehrt zu sehen, das ihr seht, und haben´ s nicht gesehen. Darum selig eure Augen“ usw. Da also die Propheten nur einen geringen Geschmack der durch Christus gebrachten Gnade besaßen, mussten sie mit ihren Wünschen über das Maß der ihnen gewordenen Offenbarung hinausstreben. Nachdem Simeon Christus gesehen hat, rüstet er sich, in Frieden und beruhigten Gemütes abzuscheiden; so muss er doch vorher in Unruhe und Bangigkeit gelebt haben. Dies war die Stimmung aller Frommen. Auch die Weise des prophetischen Forschens beschreibt der Apostel, indem er hinzufügt (Vers 11): Auf welche und welcherlei Zeit. Es bestand nämlich ein Unterschied zwischen Gesetz und Evangelium: Ein Vorhang war gezogen, welcher dem Auge der Väter den nahen Anblick dessen verhüllen sollte, was uns jetzt erschlossen ist. Es wäre ja nicht passend gewesen, dass volles Licht wie am Mittag leuchte, ehe Christus, die Sonne der Gerechtigkeit, gegenwärtig war. So mussten sich die Väter in ihren verordneten Grenzen halten; aber nichts brauchte sie zu hindern, in ihrer Sehnsucht nach näherem Anblick zu seufzen. Der Wunsch, die Erlösung möge eilen, in welchem sie täglich nach ihrem Anblick sich sehnten, hinderte sie doch nicht, geduldig zu harren, so lange es dem Herrn gefiel, aufzuschieben. Sehr bemerkenswert ist auch dies, was der Apostel uns lehrt, dass die Propheten nicht mit eigenen Gedanken nach dem Zeitpunkt forschten, in welchem Christi Reich kommen sollte, sondern dass sie ihren Eifer allein darauf richteten, eine Offenbarung des Geistes zu empfangen. Ihr Beispiel lehrt uns nüchternes Maßhalten in der Erkenntnis; sie drangen nicht weiter vor, als der Geist sie führte. Sicherlich würde die menschliche Neugier alle Schranken übersteigen, wenn nicht Gottes Geist unsere Geister regierte, so dass sie alles nur von Ihm zu lernen begehren. Zudem ist Christi geistliches Reich eine zu hohe Sache, als dass zu seiner Erforschung menschlicher Verstand ohne Leitung des Geistes irgendetwas beitragen könnte. So wollen auch wir lernen, diesen Zügel mäßigend auf uns wirken zu lassen.

Der Geist Christi, der in ihnen war. – Es bedeutet ein hohes Lob für die Lehre der Propheten, wenn es heißt, dass der Geist durch sie die Leiden Christi bezeuget hat. So sind die Menschen Herolde und Diener, der Geist aber der Urheber. Mit gutem Grunde wird auch gesagt, dass Christi Geist damals in den Propheten waltete, während die Lehrer des Evangeliums unter der Leitung des Geistes stehen, der vom Himmel gesandt war. So wird eingeprägt, dass das Evangelium seinen Ursprung in Gott hat und die alten Weissagungen von Christus eingegeben wurden.

Die Leiden, die über Christus kommen sollten. – Damit die Leser ihre Leiden mit ruhigem Gemüte tragen lernen, werden sie erinnert, dass Gottes Geist dieselben längst geweissagt hat. Der Inhalt dieser Aussage ist aber noch weit umfassender: Gott hat der christlichen Gemeinde seit Anbeginn diese Ordnung auferlegt, dass das Kreuz eine Vorbereitung zum Triumph ist, der Tod ein Durchgang zum Leben; und dies hat Er deutlich in Seiner Offenbarung bezeugt. Darum ist kein Grund, dass Trübsale uns übermäßig beugen müssten, als wären wir in ihnen unglücklich; hat doch Gottes Geist bezeugt, dass wir glücklich sind. Bemerkenswert ist nun die Ordnung, dass die Leiden an der ersten Stelle stehen; dann erst soll die Herrlichkeit folgen. Es wird eine unveränderliche Reihenfolge eingeprägt: Der Herrlichkeit muss Trübsal vorangehen. So steckt hinter unseren Worten ein doppelter Gedanke: Ehe die Christen der Herrlichkeit genießen, müssen sie durch viele Beschwerden gedrückt werden. Zum andern: Ihre Trübsale sind kein Unglück, weil ihnen die Herrlichkeit beigegeben und angehängt ward. Da Gott diesen Zusammenschluss geordnet hat, steht es uns nicht zu, das eine Stück vom andern loszureißen. Auch dies gewährt einen seltenen Trost, dass die Lage, die wir erleben, vor so vielen Jahrhunderten geweissagt wurde. Denn wir schließen daraus, dass es keine Täuschung ist, wenn uns ein glückliches Ende verheißen ward. Weiter erkennen wir, dass die Trübsal uns nicht durch Zufall, sondern durch Gottes gewisse Vorsehung trifft. Endlich werden uns die Weissagungen zu einem Spiegel, der uns in Bedrängnissen das Bild der himmlischen Herrlichkeit zeigt. Allerdings spricht Petrus nur davon, dass der Geist die Leiden bezeugt habe, die über Christus kommen sollten; aber er trennt Christus nicht von Seinem Leibe. Darum darf die Aussage nicht auf Christi Person beschränkt werden; vielmehr soll der Anfang mit dem Haupt gemacht werden, dessen Glieder dann ordnungsmäßig folgen. So lehrt auch Paulus (Römer 8.29), dass wir dem gleich gestaltet werden müssen, welcher der erstgeborene ist unter vielen Brüdern. Auch Petrus handelt ja nicht von dem, was gerade nur Christus eignet, sondern von dem allgemeinen Zustand der Gemeinde. Für die Stärkung unseres Glaubens ist es aber viel passender, dass er unsere Leiden uns an dem Bilde Christi vor Augen stellt; so sehen wir mit besonderer Deutlichkeit, welche Gemeinschaft des Todes und des Lebens zwischen uns und Ihm besteht. Die Regel und das Recht dieser heiligen Gemeinschaft ist: Er leidet täglich in Seinen Gliedern; wenn dann in uns Sein Leiden sich vollendet hat, soll wiederum auch die Herrlichkeit zur Reife kommen (vergleiche auch Kolosser 3.1 ff.; 2. Timotheus 4.7 f.).

Welchen offenbart ist, dass sie nicht für sich selbst, sondern für uns. – Sicherlich will diese Aussage nicht die Väter, die unter dem Gesetz lebten, von der Hoffnung auf ewige Seligkeit ausschließen. Denn Petrus leugnet nicht kurzweg, dass die Propheten zu ihrer Zeit einen nützlichen Dienst geleistet und die Gemeinde erbaut haben, sondern will nur einprägen, dass ihr Dienst für uns eine noch größere Bedeutung hat, weil wir im Ziel der Zeiten stehen. Wir sehen ja, wie herrlich die Propheten Christi Reich erheben, wie eifrig sie Ihn schmücken, wie nachdrücklich sie jedermann aufrufen, Ihn zu suchen. Aber Seines gegenwärtigen Anblicks wurden sie beraubt, weil sie zuvor starben. Es wurde ihnen gleichsam ein Tisch gedeckt, dessen Speisen andere nach ihnen genießen sollten. Gewiss haben sie im Glauben gekostet, was der Herr durch ihre Hand auf uns kommen und uns genießen ließ; ja sie wurden zur kräftigen Speisung ihrer Seele Christi teilhaftig. Unsere Stelle aber handelt von der Art der Darbietung. Wir wissen ja, dass das Amt der Propheten seine Grenzen hatte; sie sollten sich und andere zur Hoffnung auf den kommenden Christus nähren. So besaßen sie Ihn als einen verborgenen und gleichsam abwesenden. Blieben auch Seine Kraft und Gnade nicht fern, so war Er doch noch nicht im Fleisch geoffenbart. Darum war auch Seine Herrschaft noch unter Hüllen verborgen. Erst als Er zur Erde herabstieg, hat Er uns gleichsam die Himmel aufgetan, so dass wir die geistlichen Reichtümer, die einst nur in bildlicher Gestalt aus der Ferne gezeigt wurden, ganz nahe sehen dürfen. Dieser Genuss des geoffenbarten Christus deckt den Unterschied zwischen uns und den Propheten auf. So wird auch deutlich, wieso sie mehr uns als sich selbst gedient haben. Obgleich aber die Propheten eine göttliche Erinnerung empfangen hatten, dass die von ihnen gepredigte Gnade für ein anderes Zeitalter aufbehalten sei, wurden sie doch in ihrer Predigt nicht lässig, noch weniger überdrüssig und gebrochen. Bewiesen sie aber eine solche Geduld, so machen wir uns sicherlich doppelten und dreifachen Undanks schuldig, wenn wir uns nicht durch den Genuss der Gnade, der ihnen noch versagt war, in allen Beschwerden, die wir leiden müssen, aufrechterhalten lassen.

Was euch nun verkündigt ist. – Diese Wendung weist noch einmal auf den Unterschied zwischen der Lehre des Alten Testaments und der Predigt des Evangeliums hin. Denn wie im Evangelium die Gerechtigkeit Gottes enthüllt ist, die durch Gesetz und Propheten bezeugt war (Römer 3.20), so wird auch die himmlische Herrlichkeit Christi, von welcher der Geist einst Zeugnis gab, jetzt öffentlich verkündigt. Zugleich empfängt die Gewissheit des Evangeliums durch die Erinnerung eine Stütze, dass es nichts enthält, als was Gottes Geist längst bezeugt hat. Weiter folgt der Hinweis, dass ebenfalls durch den Heiligen Geist und unter Seiner Einsprache und Leitung das Evangelium kundgetan ward; so dürfen wir von demselben nichts Menschliches gedenken.

Was auch die Engel gelüstet zu schauen. – Damit wird das höchste Lob des Evangeliums gesungen: Es birgt einen Schatz der Weisheit, der auch den Engeln bis dahin verschlossen und verborgen war. Allerdings könnte man es unpassend finden, dass uns erschlossen und bekannt sein soll, was den Engeln verhüllt ist, die ja allezeit Gottes Angesicht sehen und in der Regierung Seiner Gemeinde und der Austeilung aller Güter Ihm dienen. Ich antworte, dass diese Dinge uns erschlossen sind, soweit wir sie im Spiegel des Wortes sehen. Auch soll nicht unsere Erkenntnis als eine tiefere gepriesen werden gegenüber derjenigen der Engel. Petrus meint nur, dass uns Dinge verheißen werden, deren Erfüllung die Engel zu sehen begehren (Epheser 3.8 ff.). Paulus sagt, dass in der Berufung der Heiden den Engeln Gottes wunderbare Weisheit kund geworden sei. Denn das war ihnen ein neues Schauspiel, dass Christus eine verlorene und so viele Jahrhunderte hindurch von der Hoffnung auf Leben ausgeschlossene Welt Seinem Leibe eingliederte. So sehen die Engel täglich mit Bewunderung Gottes erhabene Werke in der Leitung Seiner Gemeinde; wie viel mehr werden sie also staunen angesichts jenes höchsten Erweises göttlicher Gerechtigkeit, Güte und Weisheit, wenn Christi Reich zur Vollendung gelangen wird! Das also ist jenes Geheimnis, auf dessen Offenbarung sie noch warten und dem sie mit gutem Grund sich entgegensehnen. Immerhin kann unsere Stelle doppelt verstanden werden, entweder so, dass uns im Evangelium ein Schatz angeboten wird, der selbst die Engel zu Seiner Bewunderung hinreißt, weil Er ihnen ein überaus frohes Schauspiel bietet; oder aber, dass sie Christi Reich, dessen lebendiges Bild im Evangelium ausgeprägt ist, zu sehen brünstig begehren. Dieses zweite Verständnis erscheint mir angemessener.