BÜCHERECKE

Der Spieler

von Fjodor M. Dostojewski:

 

Verlag: Insel Taschenbuch

 

Leseprobe

Diesmal rief die Tante nicht mehr nach Potapytsch; sie war mit anderem beschäftigt. Auch stieß sie mich nicht an und zitterte äußerlich nicht; aber innerlich, wenn man sich so ausdrücken kann, innerlich zitterte sie. Sie hatte alle ihre Gedanken auf einen Punkt konzentriert, sie auf ein ganz bestimmtes Ziel gerichtet.

„Alexej Iwanowitsch! Er hat gesagt, auf einmal könne man nur viertausend Gulden setzen? Na, dann nimm hier diese ganzen viertausend und setze sie auf Rot!“ befahl sie.

Es wäre nutzlos gewesen, ihr davon abzureden. Das Rad begann sich zu drehen.

„Rouge!“ verkündete der Croupier.

Wieder ein Gewinn von viertausend Gilden, also im ganzen achttausend.

„Viertausend gib mir her, und die anderen viertausend setze wieder auf Rot!“ kommentierte die Tante.

Ich setzte wieder viertausend.

„Rouge!“ rief der Croupier von neuem.

„In summa zwölftausend! Gib sie alle her! Das Gold schütte hier hinein, in die Börse, und die Banknoten verwahre für mich in deiner Tasche! Nun genug! Nach Hause! Rollt meinen Stuhl von hier weg!“

 

(Ausschnitt aus: Fjodor M. Dostojewski – Der Spieler; Insel Verlag)

 

Inhalt

Alexej Iwanowitsch gehört als Hauslehrer zum Gefolge des Generals, welcher sich momentan in Roulettenburg befindet. Dieser versucht seine zerrütteten Finanzen durch das Spiel am Roulette-Tisch wieder aufzubauen und wirbt zudem um die Hand von Mademoiselle Blanche de Cominges.  Doch als ein Skandal, hervorgerufen durch Alexej Iwanowitsch‘ Zuneigung zu der Stieftochter des Generals, Polina Alexandrowna, herbeigeführt wird, gerät das Gefüge ins Wanken – und als kurz darauf die reiche Tante des Generals auf der Bildfläche erscheint, droht es einzubrechen. In dem Ablauf der Geschehnisse wird Alexej Iwanowitsch immer stärker in den verführerischen Sog des Roulette-Tisches gezogen…

 

Biographie

Fjodor Michailowitsch Dostojewski wurde 1821 in Moskau geboren und starb 1881 mit noch 59 Jahren in St. Petersburg – ein Kind des Russlands im 19. Jahrhundert: Geprägt von den starken Umwälzungen der damaligen Zeit, beeinflusst von den Strömungen des Frühsozialismus und revolutionärer Strömungen, Verbannung nach Sibirien, finanziell häufig am Existenzminimum, leidend unter Epilepsie und Spielsucht – all dies fließt in seine vielschichtigen, psychologisch tiefgreifenden Romane, Novellen und Erzählungen seiner literarischen Laufbahn ein. Heute gilt Dostojewski als einer der einflussreichsten Literraten des 19. Jahrhunderts und als einer der Neubegründer der europäischen Romanliteratur.

 

Bewertung

Dieses Buch ist sowohl ein tiefer Blick in die (reiche) russische Seele des 19. Jahrhunderts, als auch in die Seele des einzelnen Charakters, es schildert den Einfluss des Geldes auf den Menschen sowie des Spiels bis hin zur Spielsucht, die heute weniger der Roulette-Tisch als eher das Smartphone ist, und dem Zerbrechen des sozialen Gefüges. Wieder einmal hat Dostojewski es geschafft, ein psychologisch tiefgreifendes Gesellschaftsbild zu zeichnen, was dem Schatten der heutigen Gesellschaft gleicht. Für jeden, der sich mit dem Thema Psychologie beschäftigt sein das Buch dringend empfohlen. Für Liebhaber von Aktion-Romanen wird es jedoch weniger interessant sein…

 

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