BÜCHERECKE

Verfluchte Tage

von Iwan Alexejewitsch Bunin

 

Verlag: Dörlemann Verlag

 

Leseprobe

Bevor ich heute früh erwachte, sah ich jemanden im Sterben liegen, sterben. Ich träume jetzt sehr häufig vom Tod – jemand von den Freunden, Vertrauten, Verwandten stirbt, besonders oft mein Bruder Juli, an den ich nicht zu denken wage: Wie lebt er und wovon, ja lebt er überhaupt noch? Die letzten Nachrichten von ihm stammt vom 6. Dezember vorigen Jahres. Und ein Brief für W. aus Moskau vom 10. August kam erst heute. Im übrigen ist es mit der russischen Post schon lange aus und vorbei, seit dem Sommer 1917, seit der Zeit, als man nach europäischer Manier bei uns zum ersten Mal einen „Minister für das Post- und Telegraphenwesen“ ernannte. Damals wurde, ebenfalls zum ersten Mal, auch ein „Minister für Arbeit“ ernannt, und ganz Russland hörte auf zu arbeiten. Und ein Satan, böse und blutrünstig wie Kain, suchte Russland in wilder Willkür heim, ausgerechnet in jenen Tagen, als Brüderlichkeit, Gleichheit und Freiheit verkündet wurden.

 

(Ausschnitt aus: Iwan Bunin – Verfluchte Tage; Dörlemann Verlag)

 

Inhalt

Iwan Bunin hat mit seinem Revolutionstagebuch die Geschehnisse der Jahre 1918 in Moskau sowie 1919 in Odessa festgehalten. Ursprünglich gab es mehr Notizen, diese konnten von Iwan Bunin jedoch nicht mehr alle aufgefunden werden, da er sie während den Revolutionswirren versteckt und vergraben hate, die Orte zu einem späteren Zeitpunkt jedoch nicht mehr lokalisieren konnte.

Das Tagesbuch ist chronologisch aufgebaut, teilweise mit Rückblicken – eben so, wie sich Iwan Bunin in den einzelnen Situationen bzw. zeitlichen Ereignissen wiederfindet und diese in seinem Tagebuch verarbeitet. Damit hat er ein persönliches, im Ganzen recht neutrales Bild der damaligen Revolutionswirren gezeichnet. Insbesondere in Odessa, zwischen dem Bangen und Hoffen: Die Angst vor dem Einzug der Bolschewisten und der Befreiung durch jegliche andere Kriegspartei, deren häufigen Wechsel die Zeit und Wirren in Odessa prägen.

 

Biographie

Iwan Alexejewitsch Bunin wurde 1970 in Woronesch/Russland geboren. Schon mit siebzehn Jahren begann er, erste Gedichte zu publizieren und begann seine schriftstellerische Laufbahn als Zeitungsredakteur. Vor dem ersten Weltkrieg setzte er seien Leidenschaft für Reisen auch literarisch um und schrieb Reiseaufzeichnungen über seine Fahrten. Daneben galt sein Interesse dem dörflichen zaristischen Russland, welches er immer wieder in seiner oftmals erbarmungslosen Realität darstellte. Durch den 1. Weltkrieg und der darauffolgenden Revolution in Russland erfolgte ein Riss in seinem Leben – er floh über Odessa nach Paris, wo er bis zu seinem Tode 1953 lebte. 1933 Erhielt er als erster russischer Autor den Nobelpreis für Literatur.

 

Bewertung

Wer sich mit dem Thema Russland während der Revolutionszeit beschäftigt oder einfach einen realen Eindruck für diese Zeit, den Geschehnissen und den Menschen erhalten möchte, dem sei dieses Buch sehr empfohlen, da es – trotz Bunins antibolschewistischer Haltung – eine sehr neutrale, persönliche Darstellung der Geschehnisse als Zeitzeugnis vermittelt. Wer jedoch lieber einen handlungsreichen Roman lesen möchte, der sei auf andere Werke verwiesen…

 

Comments powered by CComment