Philipper 4.15-23
Ihr aber von Philippi wisset, dass von Anfang des Evangeliums, da ich auszog aus Mazedonien, keine Gemeinde mit mir geteilt hat nach der Rechnung der Ausgabe und Einnahme denn ihr allein. Denn gen Thessalonich sandet ihr zu meiner Notdurft einmal und darnach aber einmal. Nicht, dass ich das Geschenk suche, sondern ich suche die Frucht, dass sie reichlich in eurer Rechnung sei. Denn ich habe alles, und habe überflüssig. Ich bin erfüllet, da ich empfing durch Epaphroditus, das von euch kam: ein süßer Geruch, ein angenehm Opfer, Gott gefällig. Mein Gott aber wird erfüllen alle eure Notdurft nach seinem Reichtum in Herrlichkeit, in Christus Jesus. Gott aber, unserem Vater, sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. Grüßet alle Heiligen in Christus Jesus. Es grüßen euch die Brüder, die bei mir sind. Es grüßen euch alle Heiligen, sonderlich aber die von des Kaisers Hause. Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit euch Allen! Amen.
Ihr aber von Philippi wisset, dass von Anfang des Evangeliums, da ich auszog aus Mazedonien, keine Gemeinde mit mir geteilt hat. – Wahrscheinlich fügt Paulus dies zu seiner Entschuldigung hinzu, weil er von den Philippern öfters etwas angenommen hatte. Denn wenn die übrigen Gemeinden in dieser Beziehung ihre Pflicht getan hätten, so musste der Schein entstehen, als sammle er einen förmlichen Überfluss ein. So wird ihm das Bedürfnis sich selbst zu reinigen zum Anlass, die Philipper zu loben. Und dies Lob erlaubt es seinem anspruchslosen Sinne, die anderen zu schonen. Möchten auch wir nach des Paulus Vorbild niemals uns gar zu geneigt zum Nehmen zeigen und dadurch bei den Gläubigen in den Verdacht unersättlicher Habgier bringen! Übrigens braucht der Apostel die Philipper nur zu erinnern, dass sie selbst wissen, wie die Sache steht; sie brauchen dafür keine Zeugen. Die Bereitwilligkeit zur Hilfeleistung pflegt ja bei uns zu steigen, wenn wir wissen, dass andere diese Pflicht versäumen. Zeigen sich aber schon andere freigebig, so pflegt unsere Gebelust sich zu mindern.
Nach der Rechnung der Ausgabe und Einnahme. – Bei einem Konto steht die Ausgabe auf der einen, die Einnahme auf der anderen Seite, und beide Posten müssen sich die Waage halten. Genau so stand auch die Rechnung zwischen dem Apostel und seinen Gemeinden. Paulus verkündigte ihnen das Evangelium; sie waren verpflichtet, ihm dafür als Gegenleistung seinen Lebensunterhalt zu gewähren, wie er an einer anderen Stelle sagt (1. Korinther 9.11): So wir euch das Geistliche säen, ist es ein groß Ding, ob wir euer Leibliches ernten? Hätten daher die anderen Gemeinden für des Paulus Unterhalt gesorgt, so würden sie ihm damit kein Geschenk gemacht, sondern nur ihre Schuldigkeit bezahlt haben. Denn durch seine Predigt des Evangeliums besaß er bei ihnen ein Guthaben. Sie hatten dasselbe aber nicht beglichen, weil sie keine Aufwendungen für ihn machten. Welch schändliche und unwürdige Undankbarkeit, einen solchen Apostel, von dem sie wussten, dass sie ihm mehr schuldig waren, als sie bezahlen konnten, zu vernachlässigen! Und wiederum, welche Milde dieses heiligen Mannes, dass er so leicht und mit so mildem Herzen ihre Hartherzigkeit hinnimmt, dass er sie nicht einmal mit einem bitteren Worte anklagt!
Nicht, dass ich das Geschenk suche. – Aufs Neue weist er die Ansicht zurück, als sei er unbescheiden in seinen Ansprüchen. Die Philipper sollten es nicht als eine unberechtigte Zumutung empfinden, dass sie allein die Rückstände der anderen decken mussten; sie sollten nicht meinen, Paulus triebe Missbrauch mit ihrer Bereitwilligkeit. Er kann es bezeugen, dass er viel weniger auf seinen, als auf ihren Vorteil bedacht ist. Er sagt: Was ich von euch erhalten habe, kommt euch zugute, denn um so viel, als ich von euch empfangen, wächst euer Vermögen, da ebenso viele Posten euch als eingezahlt gutgeschrieben werden. Dies wollen nämlich – also völlig im Rahmen des Gleichnisses – die Worte von der Frucht besagen, welche reichlich, (wörtlich „überfließend“, also auf der Seite der Einnahmen) in der Rechnung der Philipper sein soll.
Denn ich habe alles, und habe überflüssig. – Mit vollster Deutlichkeit bestätigt Paulus noch einmal, dass er genug habe. Ein schönes Zeugnis stellt er der Freigebigkeit seiner Gemeinde aus, indem er sagt: Ich bin erfüllt. Ohne Zweifel war es nur eine mäßige Summe, die man ihm geschickt hatte, aber er sagt, dass er damit Überfluss habe bis zur Sattheit. Doch noch größer ist das Lob, das er bald nachher ihrem Geschenk spendet. Dasselbe heißt ein süßer Geruch, ein angenehmes Opfer, Gott gefällig. Was kann man mehr wünschen, als dass unsere Wohltaten zu heiligen Opfern werden, welche Gott aus unseren Händen annimmt, und deren Wohlgeruch Ihn erfreut? In gleichem Sinne sagt Christus (Matthäus 25.40): Was ihr getan habt Einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. Dieser bedeutungsvolle Vergleich mit dem Opfer lehrt uns, dass wir in solchen von Gott befohlenen Liebespflichten gar nicht bloß Menschen etwas tun, sondern dem Herrn selbst einen geistlichen und heiligen Dienst leisten, wie es im Hebräerbrief (13.16) heißt: Solche Opfer gefallen Gott wohl. Aber wehe über unsere Trägheit! Gott lädt uns in ehrenvollster Weise ein, Seine Priester zu werden, Er gibt uns selbst in die Hand, was wir opfern sollen – und dann unterlassen wir das Opfer und verzehren, was zu heiliger Darbringung bestimmt ist, nicht bloß in gewöhnlichem Gebrauch, sondern verschleudern es auch oftmals zu schmählichem, schmutzigem Genuss! Die Altäre, auf welche wir nach unserem Vermögen Opfer legen sollten, sind die Armen und die Diener Christi. Aber an ihnen geht man vorüber und vergeudet seinen Besitz für allerlei Prunk, steckt ihn in die Kehle, trägt ihn in die Hurenhäuser, wendet ihn in prächtige Bauten!
Mein Gott aber wird erfüllen alle eure Notdurft nach seinem Reichtum in Herrlichkeit, in Christus Jesus. – Die Wunschform „mein Gott erfülle“ will ich nicht durchaus verwerfen; indessen empfiehlt sich unsere Übersetzung mehr. Ausdrücklich sagt der Apostel „mein Gott“, weil der Herr als Ihm getan erachtet und annimmt, was man Seinen Knechten erweist. Die Philipper hatten also in Wahrheit auf Gottes Acker gesät, von dem sie eine sichere und reiche Ernte erwarten dürfen. Und der Lohn, welcher ihnen verheißen wird, gilt nicht nur für das zukünftige Leben, sondern auch für die Notdurft des gegenwärtigen. Paulus ruft ihnen zu: Meint nicht, dass solche Gaben euch ärmer machen; der Gott, welchem ich diene, wird euch reichlich alles geben, dessen ihr bedürfet. Gott wird unsere Notdurft in Herrlichkeit, das heißt herrlich und reichlich ausfüllen. An Seine Vermittlung in Christus Jesus erinnert Paulus noch, weil in Seinem Namen dem Herrn angenehm wird, was wir tun.
Gott aber, unserem Vater, sei Ehre! – Dies kann am Schlusse des Briefes eine allgemeine Danksagung sein, vielleicht aber auch im Anschluss an das Vorige ein besonderer Dank im Hinblick auf die Freigebigkeit der Philipper. Denn die Unterstützung konnte Paulus ihnen doch nur insofern zurechnen, dass er sie zugleich auf Gottes Erbarmen zurückführte.
Es grüßen euch die Brüder, die bei mir sind. – In der Reihe der Grüßenden erscheinen zuerst des Paulus nähere Genossen, dann (Vers 22) alle Heiligen, das heißt alle Glieder der römischen Gemeinde, sonderlich aber die von des Kaisers Nero Hause. Diese letztere Notiz erscheint besonders bemerkenswert. Welch seltener Erweis des göttlichen Erbarmens, dass das Evangelium bis in diesen Abgrund aller Verbrechen und Laster durchzudringen vermochte! Davor müssen wir umso mehr bewundernd stille stehen, als überhaupt im höfischen Wesen nur selten ein heiliger Wandel Raum findet.