KOLOSSER

Kolosser Kapitel 2 Teil V

Kolosser 2.16-19

So lasst nun niemand euch Gewissen machen über Speise oder Trank oder über bestimmten Feiertagen oder Neumonden oder Sabbathen, welches ist der Schatten von dem, das zukünftig war; aber der Körper selbst ist Christus. Lasset euch niemand das Ziel verrücken, der nach eigener Wahl einhergeht in Demut und Geistlichkeit der Engel, des er nie keins gesehen hat; und ist ohne Ursache aufgeblasen in seinem fleischlichen Sinn, und hält sich nicht an dem Haupt, aus welchem der ganze Leib durch Gelenke und Fugen Handreichung empfängt und zusammengehalten wird, und also wächst zur göttlichen Größe.

 

So lasst nun niemand euch Gewissen machen. – Was Paulus früher von der Beschneidung gesagt hat, dehnt er nun auf den Unterschied der Speisen und Tage aus. Die Beschneidung war die erste Weihe oder Verpflichtung zum Halten des Gesetzes; das andere folgte daraus. „Ein Gewissen machen“ bedeutet hier, jemanden einer Schuld anklagen oder ihm eine Verpflichtung auferlegen, so dass er nicht mehr frei ist. Paulus behauptet also, es stehe in keines Menschen Macht, uns der Beobachtung von Gebräuchen zu unterwerfen, welche Christus durch Seinen Tod abgeschafft hat, und befreit uns von ihrem Joche, damit wir uns nicht von den Geboten, die sie aufgestellt haben, knechten lassen. Christus aber stellt er stillschweigend allen Sterblichen gegenüber, damit niemand so verwegen sich überhebe, das er wage umzustoßen, was Christus uns gegeben hat.

Über bestimmten Feiertagen. – Den Juden gefiel es, bestimmt Tage auszusondern, die sie im Unterschied von anderen als besonders heilige feierten. Unter den Christen hat solche Teilung aufgehört. Wirft aber jemand ein, wir halten doch auch noch die Feier gewisser Tage fest, so antworte ich: Wir halten die Tage keineswegs darum, als ob zu ihrer Feier eine göttliche Verpflichtung bestände, oder als ob es ein Verbrechen wäre, an ihnen zu arbeiten; sondern wir halten sie mit Rücksicht auf die äußerliche Ordnung, nicht in der Meinung, als wäre an sich ein Tag heiliger als der andere, wie sich dies genauer aus dem Folgenden ergibt.

Welches ist der Schatten von dem, das zukünftig war. – Darum also sind die Christen frei von dem Halten besonderer Feiertage, weil dieselben Schatten gewesen sind zu einer Zeit, als Christus gewissermaßen noch abwesend war. Denn der Schatten steht der vollen Enthüllung, die Abwesenheit der vollen Mitteilung gegenüber. Leute also, welche jenem Schatten noch anhangen, machen es gerade so, als wenn einer die Gestalteines Menschen in dessen Schatten betrachten wollte, während er doch leibhaftig vor seinen Augen steht. Denn Christus ist uns schon offenbar geworden, und wir genießen Seiner als des uns gegenwärtigen.

Der Körper selbst ist Christus. – Das Wesen jener Dinge, welche die Zeremonien einst abbildeten, ist uns vor die Augen gestellt in Christus, weil Er alles das in Sich zusammenfasst, was jene als zukünftig vorbildeten. Wer also die Zeremonien wieder in Gebrauch setzt, hebt entweder Christi Offenbarung auf, oder beraubt Christus Seiner Kraft und macht Ihn sozusagen zu einem leeren Schattenbild. Wenn also in dieser Beziehung irgendein sterblicher Mensch das Amt eines Richters über uns sich anmaßt, sollen wir ihm nicht gehorchen, da Christus, unser rechtmäßiger Richter, uns freispricht. Denn mit den Worten: So lasset nun niemanden euch Gewissen machen oder richten, redet Paulus nicht die falsche Apostel an, sondern er wehrt den Kolossern, ihren Hals unter ein ungerechtes Joch zu beugen. Freiwillig zwar sich des Schweinefleisches und anderer Dinge enthalten, schadet nichts; aber eine Verpflichtung dazu ist verderblich, weil sie Christi Gnade vernichtet. Frägt jemand, was denn von unseren Sakramenten zu halten sei? Ob nicht auch sie uns den abwesenden Christus abbilden? So antworte ich: Zwischen den Sakramenten und den alten Zeremonien besteht ein großer Unterschied. Denn wie ein Maler nicht sogleich mit den ersten Strichen ein Bild in lebendigen Farben ausführt, sondern erst mit Kohle die Umrisse zeichnet, so war unter dem Gesetz eine anfängliche und gleichsam in Umrissen entworfene Darstellung Christi; in unseren Sakramenten aber schauen wir diese in lebendiger Ausführung. Doch schaut Paulus noch weiter. Er stellt nämlich den Anblick eines bloßen Schattens der Wesenhaftigkeit des Körpers gegenüber und erinnert daran, dass nur ein unsinniger Mensch nach leeren Schatten jagt, da er doch den wesenhaften Körper mit Händen greifen kann. Sodann veranschaulichen unsere Sakramente uns den durch die räumliche Entfernung unseren Augen entrückten Christus so lebendig, dass sie Ihn uns als den einmal für uns dahingegebenen darstellen, und Ihn uns zum beständigen Genuss darbieten. Sie sind also nicht bloße Schatten, sondern vielmehr Wahrzeichen der Gegenwart Christi, denn sie enthalten jenes Ja und Amen aller Gottesverheißungen, welches in Christus einmal offenbar geworden ist.

Lasset euch niemand das Ziel verrücken oder die Palme rauben. – Paulus spielt auf die Wettfahrer oder die Ringkämpfer an, denen nur unter der Bedingung die Siegespalme bestimmt ist, dass sie nicht mitten in der Rennbahn oder nach begonnenem Kampfe ablassen. Die falschen Apostel gehen daher auf nichts anderes aus, als den Christen die Palme zu entreißen, weil sie dieselben von dem geraden Wege ihres Wettlaufs abwenden; also muss man sie fliehen wie die verderbliche Pest. Ein sehr beherzigenswertes Wort! Jeder, der uns von der Einfalt Christi abführt, bringt uns um das Kleinod unserer himmlischen Berufung.

Der nach eigener Wahl einhergeht in Demut… – Damit wird die Gefahr genauer beschrieben, vor welcher die Gemeinden sich hüten sollen. Paulus sagt: Diejenigen wollen euch um die Palme betrügen, die unter dem Schein der Demut euch die Verehrung der Engel empfehlen. Sie bewirken nämlich, dass ihr das einzige Ziel – Christus – aus den Augen lassend vom rechten Wege abirret.

In Demut und Geistlichkeit – oder Verehrung – der Engel gehört zusammen, denn das eine folgt aus dem anderen. So behaupten auch heute noch die Anhänger des Papstes bezüglich der Verehrung der Heiligen, dass wir um unseres tiefen Elends willen Mittler suchen müssen, die uns zu Hilfe kommen. Nun aber hat Christus sich also tief erniedrigt, dass wir uns geradewegs an ihn wenden dürfen, wie elende Sünder wir auch sind. Sogleich von Anfang seines Briefes an ist Paulus eifrig darauf bedacht gewesen, den Engeln ihren Platz anzuweisen, damit sie Christi Herrlichkeit nicht verdunkeln können. Und wie er sich im ersten Kapitel den Weg bereitet hatte zur Aufhebung der Zeremonien, so auch zur Beseitigung aller anderen Hindernisse, die uns von Christus abziehen; dazu gehört auch die Verehrung der Engel. Von Anfang an aber haben gläubige Menschen die Engel verehrt, um durch ihre Mitwirkung Zugang zu Gott zu erlangen. Auch diejenigen, gegen welche Paulus kämpft, leugnen nicht, dass der Sohn Gottes der Mittler sei; aber da sie fälschlich behaupteten, dass man durch Hilfe der Engel zu Gott gelange und ihnen darum auch einige Verehrungen leisten müsse, so setzten sie die Engel auf Christi Thron und legten ihnen Christi Amt bei. So verwirft der Apostel hier jede von Menschen ersonnene religiöse Verehrung, die man den Engeln oder den Toten leistet, als ob sie nach Christus oder mit Christus Hilfsmittler wären. In eben dem Maße also wenden wir uns von Christus ab, als wir auch nur das geringste Stück, welches Ihm eigen ist. Auf irgendeinen anderen, sei es Engel oder Mensch, übertragen.

Des er nie keins gesehen hat. – Paulus geißelt die Neugier in Erforschung dunkler, unseren Sinnen verborgener und unser Erkennen übersteigender Dinge. Drängen sich doch viele Leute in Geheimnisse, deren Enthüllung Gott uns noch versagt hat. Die Stelle ist wichtig zur Zurückweisung der Verwegenheit solcher, die mit ihrem Grübeln die Grenze des Erlaubten überschreiten.

Und ist ohne Ursache aufgeblasen in seinem fleischlichen Sinn. – „Fleischlicher Sinn“ nennt Paulus jeglichen Scharfsinn des menschlichen Geistes. Denn er stellt ihn in Gegensatz zu der geistliche n Weisheit, welche von oben her uns offenbart wird, nach dem Wort des Herrn in Matthäus 16.17: Fleisch und Blut hat die das nicht offenbart. Jeden also, der auf seine Vernunft sich verlässt, nennt er, weil des Fleisches ganzes Denken ihn beherrscht, einen „ohne Ursache Aufgeblasenen“. Und wahrlich, ein Hauch nur ist alles, was die Menschen aus sich selbst schöpfen; nirgends gibt es etwas Beständiges, als nur in dem Worte Gottes und der Erleuchtung des Heiligen Geistes. Man beachte wohl, dass gerade die aufgeblasen genannt werden, die sich mit dem Schein der Demut schmücken. Denn wunderbarerweise wird des Menschen Seele durch falsche Demut mehr aufgeblasen, als wenn die mit ihrem Hochmut offen hervortritt.

Und hält sich nicht an dem Haupt. – Dies einzige Wort verurteilt alles, was nicht auf Christus zielt, denn von Christus kommt alles her und hängt alles ab. Darum, wenn jemand uns anderswohin als zu Christus ruft, auch wenn er sonnst mit Himmel und Erde schwanger wäre, so ist er doch eitel und windig; darum gebieten wir ihm getrost, sich davon zu heben. Zu beachten ist aber, dass Paulus nicht von denen also redet, die Christus geradezu verachten und verleugnen, sondern von denen, die sich nicht fest und klar an Sein Amt, Seine Kraft und Ihn selbst hielten, sondern andere Stützen und Mittel des Heils ersannen.

Aus welchem der ganze Leib durch Gelenke und Fugen Handreichung empfängt und zusammengehalten wird, und also wächst zur göttlichen Größe. – Der einfache Sinn dieser Worte ist, dass die Gemeinde nur dann Bestand behalten kann, wen sie sich alles von Christus, ihrem Haupte, darreichen lässt. Er ist ihre einzig Stütze. Der Leib hat zwar seine Nerven, Gelenke und Bänder; aber dies alles nimmt seine Kraft und Gesundheit nur vom Haupte, so dass von diesem alle Verbindung ausgeht. Nur dann wird der Leib gesund sein, wenn das Haupt, welches den einzelnen Gliedern alles darreicht was sie haben, ohne jegliches Hindernis sich betätigen kann. Nur dann kann man vom Leibe sagen, dass er wächst zur göttlichen Größe; denn kein Wachstum kann Gott gefallen, das nicht vom Haupte ausgeht.