Epheser 4.1-6
So ermahne nun euch ich Gefangener in dem Herrn, dass ihr wandelt, wie sich’s gebührt eurem Beruf, darinnen ihr berufen seid, mit aller Demut und Sanftmut, mit Geduld, und vertragt einer den anderen in Liebe, und seid fleißig zu halten die Einigkeit im Geiste durch das Band des Friedens. Ein Leib und Ein Geist, wie ihr auch berufen seid auf einerlei Hoffnung eures Berufs. Ein Herr, Ein Glaube, Eine Taufe, Ein Gott und Vater unser aller, der da ist über euch allen und durch euch alle und in euch allen.
Diese folgenden drei Kapitel enthalten nur Vorschriften für das sittliche Leben. Zuerst empfängt die Gemeinde eine Mahnung zur Eintracht. Bei diesem Anlass erörtert der Apostel auch die Gemeindeverfassung, welche ja Gott in einer solchen Weise geordnet hat, dass sie als Band der Einigkeit wirkt.
Ich Gefangener in dem Herrn. Wegen seiner Bande, die ihn dem Anschein nach verächtlich machten, fordert der Apostel (wie schon in Kapitel 3.1) von der Gemeinde nur umso größere Achtung. Denn diese Bande waren gleichsam die Siegel des ehrenvollen Amtes, das er übernommen hatte. Und alles, was von Christus stammt, müssen wir aufs höchste ehren, selbst wenn es vor der Welt als Schande gilt. So bedeutet die Gefangenschaft des Apostels einen größeren Ruhm, als der Glanz und die Herrlichkeit aller Könige.
Wandelt, wie sich’s gebührt. Diese allgemeine Ermahnung bildet gewissermaßen die Einleitung für alles Folgende. Was wir früher von der Berufung hörten, wird jetzt durch den folgenden Hinweis ergänzt, dass die Christen sich dem Herrn zur Verfügung stellen sollen, um sich der erhabenen Gnade nicht unwürdig zu machen.
Die Einzelausführung nennt zuerst die Demut: Diese dient ja der Einigkeit, von welcher die Rede sein soll; sie ist der erste Schritt zum Frieden. Denn sie gebiert die Sanftmut, die uns nachgiebig macht. Wenn wir aber unsere Brüder tragen, so pflegen wir die Einigkeit, die sonst täglich hundertmal zerstört würde. Darum sollen wir nie vergessen, dass die erste Bedingung eines guten Einvernehmens die Demut ist; denn woher kommen Frechheit, Stolz, Schmähungen gegen die Brüder? Woher Streit und Beleidigungen? Kommen sie nicht daher, dass ein jeder sich selbst zu sehr liebt, und an sich selbst zu großen Gefallen hat? Wer dagegen Anmaßung und Selbstgefälligkeit fahren lässt, wird sich sanftmütig und umgänglich zeigen. Und wer nun solche Mäßigung besitzt, wird auch den Brüdern vieles verzeihen und vieles an ihnen tragen. Daher ist diese Ordnung und dieser Zusammenhang wohl zu beachten. Man wird umsonst zur Geduld ermahnen, wenn man die Herzen nicht vorher zur Sanftmut gestimmt und den losgefahrenen Sinn gezügelt hat. Und ebenso vergeblich wird man Sanftmut predigen, wenn man nicht den Anfang mit der Demut gemacht hat.
Sollen wir nun einander in der Liebe vertragen, so liegt darin ein Hinweis auf die Art der Liebe, die eben geduldig ist (siehe 1. Korinther 13.4). Wo diese Liebe herrscht, wird jeder bereit sein, manches am andern zu tragen. Und mit vollem Rechte empfiehlt Paulus grade die Geduld als Unterlage für die Ewigkeit im Geist. Denn tägliche Anstöße gibt es genug, aus denen Streit entstehen kann, besonders bei der bekannten Empfindlichkeit der menschlichen Natur.
Die Einigkeit im Geist erklären viele als geistliche Einigkeit, d.h. als die Einigkeit, die Gottes Geist unter uns schafft. Und gewiss macht er allein uns eines Sinnes und eins. Aber ich verstehe darunter einfach die Einigkeit von Herzen. Diese Gemeinschaft wird zusammengehalten durch das Band des Friedens, während aus Streitigkeiten fast immer Hass und Missgunst entstehen. Man muss daher sanftmütig sein im Leben, damit das gute Einvernehmen mit den anderen erhalten bleibt.
Ein Leib und Ein Geist, wie ihr auch berufen seid auf einerlei Hoffnung eures Berufs. Jetzt wird noch genauer beschrieben, wie vollkommen die Einigkeit unter den Christen sein muss: So festgeschlossen soll sie sein, wie ein von Einer Seele durchwalteter Leib. Der Apostel will damit sagen, dass diese Einigkeit nicht bloß hier und dort sich zeigen, sondern alles durchdringen soll. Er gibt dafür einen einleuchtenden Grund an: wie ihr auch berufen seid auf einerlei Hoffnung eures Berufs. Wollen wir in diesem ewigen Ziel verbunden sein, so müssen wir schon in dieser Welt einträchtig leben. Darum ergeht ja Gottes Ruf an alle insgesamt, damit sie, in Einmütigkeit des Glaubens verbunden, einander auch zu helfen trachten. Wollten wir uns doch unauslöslich einprägen, dass nach dem Gesetz des Gottesgemeinde Kinder Gottesebensowenig streiten dürfen, als das Himmelreich geteilt sein kann! Wie viel vorsichtiger würden wir dann handeln, um das gute Einvernehmen unter den Brüdern zu pflegen! Wie schrecklich müsste uns jeder Streit vorkommen, wenn wir es recht bedenken würden, dass alle sich vom Gottesreiche trennen, die sich von den Brüdern abscheiden! Ich weiß nicht, wie es kommt, dass wir uns rühmen Gottes Kinder zu sein, und dabei doch die brüderliche Liebe gegen einander vergessen. Lasst uns von Paulus lernen, dass diejenigen durchaus keinen Anteil an dem gemeinsamen Erbe haben, die nicht ein Leib und eine Seele sind!
Ein Herr. Da der Vater alsbald noch besonders genannt wird, so ist mit dem Einen Herrn Christus gemeint, den uns der Vater zum Herrn bestimmt hat. Unter dessen Herrschaft können wir aber nur stehen, wenn wir Einmütigkeit beweisen. Mit besonderem Nachdruck kehrt darum das Wort Ein stetig wieder. Damit gibt der Apostel zu verstehen: Christus kann nicht geteilt, der Glaube nicht auseinander gerissen werden; es gibt keine verschiedenen Taufen, sondern die Eine ist allen gemeinsam; Gott kann nicht in verschiedene Teile auseinander gezogen werden. Daher ziemt es uns, diese heilige Einigkeit unter uns zu pflegen, die durch so viele Bande zusammengehalten ist; denn sowohl der Glaube, als die Taufe, als auch Gott der Vater und Christus müssen uns verbinden, sodass wir gewissermaßen wie Ein Mensch zusammenhängen. So ergibt sich die vom Apostel gepredigte Glaubenseinigkeit aus Gottes einiger und ewiger Wahrheit, welche ihr fester Grund ist.
Eine Taufe. Die der ganzen Christenheit gemeinsame Taufe gibt uns Anteil an dem einen Leib und einem Geiste. Denn sie empfängt ihre Weihe durch den Namen des einen Vaters, Sohnes und Geistes. Darin liegt der stärkste Zusammenhalt.
Ein Gott und Vater. Dieses ist das Wichtigste, weil alles Übrige daraus folgt. Denn der Glaube, die Taufe und auch die Herrschaft Christi, unter dessen Leitung wir vereinigt werden, haben darin ihren Grund, dass Gott der Vater durch diese Mittel sich mit uns verbindet um sich uns mitzuteilen.
Der da ist über euch allen und durch euch alle. Gott erhält, belebt und regiert Alles durch Seine Macht. Apostelgeschichte 17.28: In ihm leben, weben und sind wir. Ebenso in Jeremia 13.13: Ich will alle füllen. Aber von dieser allgemeinen Weltregierung redet Paulus hier nicht, sondern nur von der geistlichen Regierung der Gemeinde. Durch den Geist der Heiligung durchdringt Gott alle Glieder der Gemeinde, beschließt alle unter Seine Herrschaft und wohnt in allen. Gott steht aber nicht in Widerspruch mit sich selbst; folglich muss Er uns auch eins machen. Von dieser geistlichen Einigkeit redet Christus in Johannes 17.11: Ich bin nicht mehr in der Welt; sie aber sind in der Welt, und ich komme zu dir. Heiliger Vater, erhalte sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, dass sie eins seien wie wir.