EPHESER

Epheser Kapitel 3 Teil III

Epheser 3.14-19

Der halben beuge ich meine Knie vor dem Vater unseres Herrn Jesu Christi, von dem alle Verwandtschaft herkommt unter denen, die im Himmel, und denen, die auf Erden sind, dass er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen, dass Christus wohne durch den Glauben in euren Herzen, und ihr in der Liebe eingewurzelt und gegründet werdet, auf dass ihr begreifen möget mit allen Heiligen, welches da sei die Breite und die Länge und die Tiefe und die Höhe; auch erkennen die Liebe Christi, die doch alle Erkenntnis übertrifft, auf dass ihr erfüllet werdet mit allerlei Gottesfülle.

 

Der halben beuge ich meine Knie vor dem Vater unseres Herrn Jesu Christi. Seine Fürbitte für die Gemeinde erwähnt der Apostel nicht nur als Zeichen seiner Zuneigung, sondern auch, um sie zu gleichem Gebet zu reizen. Denn vergeblich streut man den guten Samen der Lehre aus, wenn Gottes Segen nicht das Gedeihen gibt. So können die Prediger an diesem Vorbilde lernen, dass sie nicht bloß erinnern und mahnen, sondern auch für den Fortgang ihrer Arbeit beten müssen, wenn sie Frucht sehen wollen. Aber wenn sie hören, dass sie mit allem ihrem Fleiß, mit aller ihrer Arbeit nichts erreichen, und dass aller Eifer und alle Sorgfalt, die sie anwenden, umsonst seien, wenn Gott ihnen nicht beisteht, so darf dieses für sie kein Grund zur Trägheit werden. Sondern im Gegenteil sollen sie angestrengt arbeiten mit Säen und Begießen, jedoch zugleich das Wachstum von Gott erbitten und erwarten. Einige behaupten freilich, dass alles Lehren überflüssig wäre, wenn doch die Gnade des Heiligen Geistes allein den Verstand erleuchten und die Herzen zum Gehorsam bringen könnte. Das ist nicht richtig; denn wir werden dazu durch den Heiligen Geist erleuchtet und wiedergeboren, damit die Lehre bei uns sich kräftig erweise und Frucht bringe, dass nicht Blinden das Licht gebracht und Tauben die Wahrheit verkündigt werde. Gott wirkt in der Weise allein Alles in uns, dass Er dabei die Seinigen als Werkzeuge gebraucht. Daher ist es Pflicht der Prediger, eifrig zu lehren, und ebenso ist es Pflicht der Gemeinde, sorgfältig acht zu geben auf das, was gelehrt wird. Aber beide müssen, wenn ihre Arbeit nicht vergeblich sein soll, ihre Zuflucht zu Gott nehmen.

Wenn Paulus übrigens sagt ich beuge meine Knie, so bedeutet er mit diesem äußeren Zeichen auf die Sache selbst. Nicht als ob es nötig wäre, bei jedem Gebet die Knie zu beugen; aber dies Zeichen demütiger Beugung lässt doch insgemein darauf schließen, dass das Gebet nicht gewohnheitsgemäß, sondern ernsthaft geübt wird.

Von dem alle Verwandtschaft herkommt. Das kann sowohl auf den Vater wie auf Christus bezogen werden. Die letztere Auffassung ist die bessere, denn der Apostel spielt hier auf die Verwandtschaft an, die unter den Juden bestand, weil Abraham, der Gründer ihres Geschlechtes, ihr gemeinsamer Vater war. Im Gegensatz dazu heißt es nun (womit der Gegensatz zwischen Juden und Heiden überbrückt wird), dass durch Christus nicht nur alle Menschen zu einer Familie und zu einem Geschlechte vereinigt wurden, sondern dass sie auch Verwandte der Engel geworden sind. Dagegen passt es nicht so gut, bei den Worten ‚von dem‘ die Rückbeziehung auf den Vater zu nehmen. Denn man könnte ja daran erinnern, dass Gott mit Übergehung der Heiden einst nur die Juden zu Seinem Eigentumsvolke annahm. Trefflich passt aber die Beziehung auf Christus: Er war es ja, der alle Menschen als Brüder in das eine Vaterhaus Gottes einführte. In Seinem Werke ward die Verwandtschaft zwischen Juden und Heiden begründet, denn da Er uns mit dem Vater aussöhnte, hat Er Einigkeit geschaffen. Die Juden dürfen sich nicht mehr rühmen, von Abraham zu stammen oder zu diesem oder jenem Stamme zu zählen, womit sie alle anderen Menschen als unheilig verachten und sich allein die Ehre des Eigentumvolkes nehmen würden. Jetzt gibt es nur eine Verwandtschaft sowohl im Himmel als auf Erden, zwischen den Engeln und zwischen den Menschen, nämlich die Zugehörigkeit zum Leibe Christi. Außer Ihm ist nur Zerstreuung. Er allein ist das Band unserer Vereinigung.

Dass er euch Kraft gebe. Paulus wünscht, dass die Epheser, die er doch bereits wegen ihrer Frömmigkeit gelobt hat (Epheser 1.15), stark werden möchten. Denn die Gläubigen sind nie soweit gefördert, dass sie nicht mehr zu wachsen brauchten. Die größte Vollkommenheit der Frommen in diesem Leben ist der Eifer zu wachsen. Diese Stärkung bezeichnet der Apostel als ein Werk des Geistes Gottes. Daraus folgt, dass der Mensch sie nicht selbst in eigener Kraft bewirken kann. Denn wie der Anfang alles Guten ein Werk des göttlichen Geistes ist, so auch jeder Fortschritt. Gottes Gnade muss ihn ‚geben'. Dies wird noch klarer, wenn wir weiter lesen nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit. Und Gottes Herrlichkeit ist Seine Gnade (vergleiche Epheser 1.6).

Kann dem inwendigen Menschen. Als ‚inwendigen Menschen‘ bezeichnet Paulus die Seele und alles, was zum geistlichen Leben der Seele gehört, während andererseits der Leib seinem Zubehör, als da ist Gesundheit, Reichtum, blühendes Alter, Ansehen usw. der ‚äußere Mensch‘ heißt, wie z.B. in 2. Korinther 4.16: Ob unser äußerlicher Mensch verdirbt, so wird doch der innerliche von Tag zu Tag erneuert. Das will sagen: Wenn wir der Welt absterben, so wird das geistliche Leben von Tag zu Tag wachsen. Paulus will nicht, dass die Heiligen stark werden, um in der Welt zu glänzen und zu blühen, sondern dass ihre Herzen durch Gottes Kraft stark werden fürs Gottesreich.

Dass Christus wohne durch den Glauben in euren Herzen. Jetzt hören wir, was die Kraft des inwendigen Menschen ausmacht: Wenn der Vater die Fülle aller Güter auf Christus legte, so wird keinen Mangel leiden, wer Christus in sich hat. Es ist ein Irrtum, auf den Besitz des Geistes zu hoffen, ohne dass man Christus greifen möchte. Andererseits ist es eine törichte Einbildung, Christus besitzen zu können ohne den Geist. Zweierlei gilt es festzuhalten: Einmal, dass wir nur so viel vom Heiligen Geist besitzen, als wir Anteil an Christus gewinnen. Denn nur in Christus, auf welchen Er sich niedergelassen hat, lässt sich der Geist finden. Zum anderen, dass Christus von Seinem Geiste nicht geschieden werden kann; denn dann wäre Er tot und ohne Seine Kraft. Deshalb behauptet Paulus, dass diejenigen stark sind durch die geistliche Kraft Gottes, in denen, und zwar in deren ‚Herzen‘, Christus wohnt. Es ist eben nicht genug, dass wir Ihn nur auf der Zunge haben oder im Kopfe. Auch die Art und Weise wird uns beschrieben, wie wir dies herrliche Gut empfangen können: Christus wohnt in uns durch den Glauben. Höher kann man den Glauben kaum preisen, als wenn man ihm nachrühmt, dass er den Sohn Gottes bestimmt, in uns Seine Wohnung aufzuschlagen. Durch den Glauben erkennen wir  nicht nur, dass Christus für uns gelitten hat und für uns von den Toten auferweckt ist, sondern wir nehmen ihn auch auf, wie er sich uns zum Besitz und Genusse anbietet. Darauf müssen wir wohl achten. Viele meinen, mit Christus Gemeinschaft haben sei nichts mehr, als an Christus glauben. Und doch ist die Gemeinschaft, die wir mit Christus haben, erst eine Folge des Glaubens an Ihn. Jedenfalls soll der Glaube den Herrn Christus nicht bloß von ferne schauen, sondern unsere Seele soll Ihn umfassen und greifen, damit Er in uns wohne. So erst geschieht es, dass wir mit dem Geiste Gottes erfüllt werden.

Und ihr in der Liebe eingewurzelt und gegründet werdet. Als Früchte der Einwohnung Christi nennt der Apostel nun die Liebe und die Gewissheit von der göttlichen Gnade und Liebe, die uns in Christus geschenkt ward. Diese beiden Stücke müssen also die schönsten Tugenden des inwendigen Menschen sein. Auf sie weist Paulus auch immer wieder hin, wenn er von der Vollkommenheit der Heiligen handelt. Hier aber erinnert er mit doppeltem Worte, wie fest und unbeweglich unsere Liebe sein soll. Zeigen sich doch viele nur oberflächlich von der Liebe berührt; bei ihnen aber wird die Liebe bald schwinden und verwehen, weil sie nicht tiefe Wurzel hat. Darum soll sie vielmehr tief in die Gemüter dringen, damit sie feststehe wie ein wohlgegründetes Haus oder wie eine tiefe Pflanzung. Unsere Worte wollen besagen, dass in unseren Herzen eine so festgewurzelte und gegründete Liebe wohnen soll, dass niemand sie entwurzeln kann. Es ist aber töricht, daraus den Schluss zu ziehen, dass also die Liebe Grund und Wurzel unserer Seligkeit sei. Denn offensichtlich redet der Apostel hier nicht von dem Grunde des Heils, sondern einfach davon, wie fest und stark unsere Liebe sein soll.

Auf dass ihr begreifen möget. Dieses ist die zweite Frucht, dass die Epheser erkennen, wie groß die Liebe Christi zu den Menschen ist. Diese Erkenntnis kommt aus dem Glauben. Wenn ihnen dabei der Apostel alle Heiligen als Genossen zugesellt, so will er damit ausdrücken, dass es ein herrliches Gut und eine höhere Weisheit, nach welcher ja auch alle Kinder Gottes sich sehnen, in diesem Leben nicht geben kann. Denn was wir begreifen sollen, ist die Breite und die Länge und die Tiefe und die Höhe. Wenn unsere Weisheit sich nach allen Richtungen ausdehnt, wird sie noch nicht die Grenzen der Liebe Christi erreichen. Jede Wahrheit der Heilslehre will auf diese Liebe bezogen sein, welche für Menschen, die Christus lieben, alle Weisheit in sich birgt. So empfangen wir eine höchst nötige Erinnerung, dass wir unser Forschen nicht an wertlose Dinge verschwenden sollen: Was uns zu wissen nötig ist, und in dessen Betrachtung von oben und unten, von vorn und hinten wir uns üben sollen, ist Christi Liebe, die Gott uns vor Augen gestellt hat, damit wir sie Tag und Nacht anschauen. In sie mögen wir uns versenken; denn wer sie besitzt hat genug. Außer ihr gibt es nichts, das gewiss, unentbehrlich oder auch nur recht und gesund wäre. Mag man Himmel, Erde und Meere durchstreifen, so wird man darüber nicht hinauskommen, wenn man nicht gewillt ist, alle Schranken unseres Wissens zu durchbrechen.

Von dieser Liebe Christi heißt es nun, dass sie doch alle Erkenntnis übertrifft. Ähnlich lesen wir auch in Philipper 4.7, dass der Friede Gottes höher ist denn alle Vernunft. Denn der Mensch, der zu Gott kommen will, muss sich über sich selbst und die Welt erheben. Das ist ja auch der Grund, weshalb die römische Schultheologie nicht zulassen will, dass wir der Gnade Gottes gewiss sein dürfen; man zwängt eben den Glauben in das Maß des menschlichen Begreifens. Während Paulus hier eine Gewissheit eröffnet, die über alles menschliche Erkennen geht. Und so ist es in der Tat; denn wenn hier menschliches Vermögen ausreichte, brauchte ja der Apostel nicht um Gottes Gabe zu bitten. So wollen wir uns einprägen, dass die Glaubensgewissheit ein Wissen ist, welches man in der Schule des Heiligen Geistes, nicht aber durch eigenen Scharfsinn erwirbt.

Auf dass ihr erfüllt werdet mit allerlei Gottesfülle. Ein einziges Wort fast jetzt zusammen, was zuvor als Breite und Länge usw. beschrieben war: Wer Christus hat, hat ja alles, was Gott als Fülle und Vollkommenheit an uns sehen will. Dies meint nämlich der Ausdruck ‚Gottesfülle‘. Sonst bilden die Menschen sich oft ein, dass sie alles in sich selbst besitzen. Das ist aber nur eitle Aufgeblasenheit. Übrigens darf man die ‚Gottesfülle‘ nicht (wie manche Schwärmer wollen) als Erfüllung mit Gottes Wesenheit verstehen, als wenn die Menschen Gott gleich würden!