VII. Kommt es aber mit uns auf die Spitze, so schonen wir uns selbst nicht, wenn wir wahrlich des Herrn sind, sondern lassen uns über Bord werfen.
Die Schiffsleute haben Jonas freimütiges Bekenntnis vernommen. Sie staunen und fragen: Warum hast du denn solches getan? Sie machen es wie der König Abimelech, der auch den Abraham fragte, obschon er von ihm wusste, dass er ein Prophet sei: Warum hast du uns solches getan? Aber Jona lügt ihnen nichts vor. Hätten sie sich aber doch selbst darüber Vorwürfe machen sollen: Warum haben wir ihn mitgenommen? Als sie aber noch in dem Hafen waren, da dachten sie: Was gehet es uns an, ob er wider den Herrn sündigt und vor ihm flieht? Das hatte ihnen ja Jona doch gesagt. Sie dachten aber: Wir bekommen ein gutes Fährgeld, das Übrige mache er aus mit seinem Gott! Wie denn die Werkheiligen, die von der Welt sind, es immerdar machen, und wenn dann die Not an den Mann kommt, so soll der Heilige Gottes in allen Stücken allein der Sündenbock sein, ihr Geiz aber soll ungestraft bleiben. So wollen denn die Schiffsleute sich des Jona entledigen. „Was sollen wir denn mit dir tun?“, fragen sie ihn, „dass uns das Meer stille werde“. Denn das Meer wollte nicht still werden, sondern fuhr ungestüm, und die Windsbraut erhob sich mit solcher Gewalt, dass Mastbaum, Ruderbank und alles Gebinde krachten. Und da antwortete nun der Prophet Jona, der so eben gesagt: Ich bin ein Hebräer und fürchte Gott, die ewig denkwürdigen Worte: Nehmet mich und werfet mich in das Meer, so wird euch das Meer still werden. Wie? Will Jona einen Selbstmord an sich begehen lassen, um so der allgegenwärtigen Hand Gottes dennoch zu entkommen? Mitnichten, meine Geliebten! Er tat es aber, weil er keine Schuld bei den Leuten suchte, sondern bei sich die Schuld bekannte, damit er sie, die er um seinetwillen in so großer Angst und Not sah, dieser Not überhöbe und sie errettete durch Drangebung seiner selbst. Jona machte es wie David, der, als der Engel des Herrn siebzig Tausend mit Pestilenz niedergeworfen hatte, ausrief: Bin ich es nicht, der das Volk zählen ließ? Ich bin es, der gesündigt und das Übel getan hat; diese Schafe aber, was haben sie getan? Herr mein Gott, lass deine Hand wider mich und meines Vaters Haus und nicht wider dein Volk sein, sie zu plagen. Nicht dass er den Selbstmord gesucht hat. Nicht um Gottes Hand desto sicherer zu entkommen, sondern um die Leute zu erretten, sprach Jona es aus: Werfet mich in’s Meer! Denn er glaubte aus alter Erfahrung, dass er zurecht kommen würde in Gottes Schoß, welch ein armer Sünder er auch wäre. Daran werden am Ende die Kinder Gottes offenbar, wie verschieden sie sind von den Werkheiligen der Welt, dass sie nämlich, wenn es mit ihnen auf die Spitze kommt, ihre Schuld nicht verhehlen, ihre Ungerechtigkeit nicht festhalten, sondern mit ihrer Schuld und Sünde einkommen vor Gott und Menschen. Sie geben sich selbst daran mit alledem, was sie sind, erwarten und haben, und lassen sich über Bord werfen, auf dass Gott und der Nächste von ihnen keine Last haben. Dagegen die Gleißner – sie brechen nie über sich selbst den Stab! Sie rühmen das Evangelium beständig, weil sie wohl müssen, aber vor Gott und Menschen lassen sie ihr gottloses Ninive stehen bleiben! Sie kommen nie ein mit ihrer Schuld, wenn sie auch tausendmal über ihrer Ungerechtigkeit zu Schanden geworden sind! Sie bleiben die Männer im Schiffe, fangen an mit Barmherzigkeit, wollen Liebe beweisen und noch erretten, wie es die Schiffsleute auch machten, die noch erst mit viel Rudern das Land erreichen wollten. Sodann aber, da es ihnen nicht gelingt, statt zu sagen: „So kommen wir mit dir um, denn wir haben auch gesündigt, dass wir den Herrn verachtet, den Götzen gedient und Fährgeld von dir genommen haben – schreie du zu dem Herrn, dass Er dich und uns errette, wir wollen es mit dir wagen“ – so werden sie mit einemmal fromm! Sie beteten zu dem rechten Gott, Er wolle ihnen gnädig sein, dass sie den Jona über Bord warfen und dem Tode preis gaben, sie müssten sich ergeben in Gottes Wege und Willen, denn die Schuld läge ja doch an Jona – und mit diesem Gebetlein werfen dann die Gleißner Christum über Bord, dass sie in dem Schiffe bleiben mögen und Ruhe haben vor der sie verfolgenden Windsbraut.