JONA-PREDIGTEN

1. Jona-Predigt - VIII.

 

VIII. Lassen wir uns aber über Bord werfen, so gibt es freilich eine Höllenfahrt, aber unten sind Arme ewiger Liebe, die uns auffangen.

Versteht es wohl – Jona ist nicht selbst über Bord gesprungen! Er hat sich nicht selbst in das Meer gestürzt! Er hat sich von den Leuten hinein werfen lassen und hat Gott geglaubt, dass Er ihn auch in den tobenden Wellen wieder auffangen könnte, wenn Er Lust an ihm hätte! Aber welch ein Unterschied zwischen Mensch und Men¬schen! Die Schiffsleute fürchteten den Herrn, weil sie einen Mord begangen; taten dem Herrn Opfer und Gelübde, dass Er sie nicht strafen und heimsuchen möchte, weil sie zu ihrer Selbsterhaltung Seinen Propheten in die Tiefe des Meeres geworfen hatten. Und sie bleiben auf ihrem Schiff und treiben bald auf dem spiegelglatten Meere mit vollem Glücke dahin, um schnell ihren Götzen wieder zu dienen, und nach wie vor Fährgeld zu bekommen, bis sie der Tod und das Verderben auf ewig erhascht. Und Jona, der sich drangegeben für der anderen Heil, er ist bald von den Wellen verschlungen und hinuntergesunken auf die Tiefe des Meeres. Kein menschliches Auge sieht ihn mehr, Schilf bedeckt sein Haupt. Gott aber sieht ihn! Welch eine Höllenfahrt war das für den Jona! Aber vergeblich hat er nicht geglaubt, denn da unten sind Arme ewiger Liebe! Und ob sie auch in grässlicher Gestalt erscheinen – denn der Herr verschaffte einen großen Fisch, Jona zu verschlingen – so waren doch eben das die Arme Gottes, die ihn auffingen, und es wurde gerade diese Höllenfahrt, dieses Verschlungenwerden durch ein Ungeheuer des Meeres seine Errettung von dem Angesichte Gottes.

Was sollen wir daraus lernen? Solches, meine Geliebten: Wo Gesetz und Sünde hinter uns her sind, und Gott mit Seinem mächtigen Wind der Bestrafung und mit Seinem Ungewitter auf uns eindringt, dass wir von allen Seiten heimgesucht werden, und nun auch die Menschen sich gegen uns aufmachen, so dass unsere Ungerechtigkeit, weil wir uns unter das Wort von Gnade nicht haben beugen wollen, von allen Seiten genau gesucht wird und wir dran müssen; so sollen wir an Jonas Exempel belehrt sein, dass wir in solcher Lage unserer selbst nicht schonen! Dass wir nicht unsere Ungerechtigkeit und Verdrehtheit behaupten wollen, wodurch wir uns selbst und die Unseren nur um so mehr in das Unglück stürzen, sondern dass wir alsdann Gott und Seinem Gesetze und der Sünde getrost Recht geben, und uns selbst aufgeben und drangeben mit allen unsern Werken und aller Frömmigkeit! Muss es denn da auch heißen: Ja, so habe ich aber nichts mehr, so versinke ich in den Abgrund und in die Hölle, so sollen wir solches Versinken in unsre Verlorenheit, solches Hineingeworfensein in unser Verderben gar nicht scheuen, auf dass Gott und Sein Gesetz, Sein Recht und Seine Wahrheit bleiben und bestehen mögen. Ein solches Verdammen und Wegwerfen seiner selbst, welch eine Höllenfahrt es auch sei, wird seine herrliche Frucht tragen. Denn der Herr wird da eine Errettung uns verschafft haben. Freilich hat diese Errettung anfangs ein schaudererregendes und grausames Ansehen, aber eben darin werden wir das finden, worin wir für die Ewigkeit zu der rechten Erkenntnis Gottes und Seines Christus gelangen werden.

Was für Jona das Seeungeheuer war, welches ihn verschlang, das ist für uns der Übergang aus dem Dienst der toten Werke und der Selbstheiligung unter die Herrschaft der Gnade; zu dienen dem lebendigen Gott! Grässlich sieht es sich für uns an, wenn wir von dem Schiffe des Selbstheiles und des eignen Wollens und Laufens geworfen werden sollen in das Meer der Gnade! Grässlich sieht es sich für uns an, wenn wir ganz umschlossen und wie verschlungen sind von dem Mittel, worin wir allein zur rechten Selbsterkenntnis und Erkenntnis Gottes gelangen können! Denn da befinden wir uns auch gleich als in dem Bauch eines großen Fisches und sehen weder Licht noch Gott. Wir können uns selbst nicht mal mehr sehen, können keine Glieder mehr bewegen und sind von allen Lebendigen und von allem Leben abgeschnitten. Aber eben in solchem Zustande, welcher uns so grässlich deucht, ist der Herr bei uns mit Seinem Himmel und mit Seiner vollen Seligkeit.

Darum: Über Bord mit uns! Ins Meer der göttlichen Gnade! Da taucht man wie ein Wunder wieder auf nach drei Tagen und drei Nächten! Amen.