RÖMER

Römer Kapitel 4 Teil XI

Römer 4.23-25

Das ist aber nicht geschrieben allein um seinetwillen, dass es ihm zugerechnet ist, sondern auch um unsertwillen, welchen es soll zugerechnet werden, so wir glauben an den, der unsern Herrn Jesu auferweckt hat von den Toten, welcher ist um unsrer Sünden willen dahingegeben und um unsrer Gerechtigkeit willen auferweckt.

 

Das ist aber nicht geschrieben allein um seinetwillen, dass es ihm zugerechnet ist, sondern auch um unsertwillen, welchen es soll zugerechnet werden. – Diese Erinnerung leitet uns an, aus den Exempeln der Schrift rechten Nutzen zu ziehen. Dass die Geschichte die Lehrmeisterin des Lebens sei, haben schon die Heiden mit Recht gesagt, aber wie sie ihre Geschichte erzählen, das wird niemandem viel helfen. Die Schrift allein behauptet die Stelle der rechten Lehrmeisterin. Denn sie zeigt uns die allgemeinen Regeln, nach welchen jede Geschichte behandelt sein will, wenn sie wahren Nutzen schaffen soll. Sie unterscheidet auch klar, was zur Nachahmung und was zur Abschreckung dienen soll. Und endlich kennt die Schrift eine unvergleichliche, alles beherrschende Grundlehre: Sie enthüllt die Vorsehung des Herrn, welche für die Seinen Gerechtigkeit und Güte, für die Verworfenen aber Gericht bedeutet. Was nun von Abraham geschrieben steht, davon sagt Paulus, dass es nicht allein um seinetwillen geschrieben sei. Denn es handelt nicht von der zufälligen Berufung einer einzelnen Persönlichkeit, sondern will das Vorbild für den Erwerb der Gerechtigkeit beschreiben, der immer und überall derselbe ist. So sollen aller Augen auf den Vater der Gläubigen sich richten. Wollen wir überhaupt mit der heiligen Geschichte einen gesunden und frommen Umgang pflegen, so gilt es, in ihr die Frucht einer gewissen Lehre zu finden. Die heilige Geschichte unterweist uns nun, unser Leben recht zu gestalten, unsern Glauben zu stärken und tiefere Gottesfurcht zu erwecken. Zur rechten Lebensgestaltung dient das Vorbild der Heiligen, welches uns Nüchternheit, Zucht, Liebe, Geduld, Bescheidenheit, Verachtung der Welt und andere Tugenden lehrt. Eine Stütze des Glaubens wird uns der Anblick der göttlichen Hilfe gewähren, welche den Heiligen stets gegenwärtig war. Trost in Widerwärtigkeiten wird es uns bringen, wenn wir Gottes Schutz väterlich über den Seinen walten sehen. Die Gerichte und Strafen Gottes über freventliche Sünder werden uns lehren, Gott zu fürchten und in frommer Scheu unser Herz Ihm zu unterwerfen.

Wenn es aber heißt: Nicht allein um seinetwillen, so könnte darin vielleicht liegen, dass, was dort in der Schrift steht, teilweise allerdings auch um Abrahams willen geschrieben ward. So müsste man sagen: Ihm zum Ruhme steht verzeichnet, was er durch Glauben erreichte; denn Gott will Seinen Knechten ein ewiges Gedächtnis stiften, wie Salomo sagt (Sprüche 10.7): „Das Gedächtnis des Gerechten bleibt im Segen.“ Richtiger wird es doch sein, einfach zu sagen: Was die Schrift berichtet, betrifft gar nicht Abraham allein, dessen eigenartige und hervorragende Stellung vielleicht ein sehr unpassendes Beispiel abgeben möchte, sondern beschreibt den allgemeinen Weg, welchen auch wir gehen müssen, um die Rechtfertigung zu empfangen.

So wir glauben an den, der unsern Herrn Jesus auferweckt hat. – Über die Bedeutung derartiger Umschreibungen des Glaubens haben wir früher bereits (zu 4. 5) eine Bemerkung gemacht: Paulus will damit je nach Erfordernis des Gedankenganges den Gegenstand des Glaubens in verschiedener Weise ausdrücken. Dazu gehört als ein wesentliches Stück auch Christi Auferstehung, welche uns zur greifbaren Vergegenwärtigung des ewigen Lebens wird. Hätte der Apostel einfach gesagt, dass wir an Gott glauben, so wäre nicht so deutlich geworden, was denn dies für den Erwerb der Gerechtigkeit austrägt. Tritt aber Christus auf den Plan und gibt uns in Seiner Auferstehung ein gewisses Pfand des Lebens, so sehen wir klar, aus welchem Quell die Zurechnung der Gerechtigkeit fließt.

Welcher ist um unsrer Sünden willen dahingegeben. – Diese schon früher (zu 3.25) berührte Lehre verfolgt und erläutert der Apostel nunmehr des Weiteren. Denn es ist viel daran gelegen, nicht bloß im Allgemeinen den Blick auf Christus zu richten, sondern auch zu wissen, wieso Er uns das Heil erworben hat. Bleibt nun die Schrift, wenn sie sonst von diesen Dingen redet, gewöhnlich allein bei Christi Tod stehen, so führt uns der Apostel hier weiter. Er verzeichnet zwei Stücke, auf welchen unser Heil ruht. Zuerst sagt er, dass der Tod Christi unsere Sünden gesühnt, dann, dass Seine Auferstehung Gerechtigkeit beschafft habe. Insgesamt ergibt sich daraus, dass, wenn man die Frucht des Todes und der Auferstehung Christi zusammennimmt, nichts an der völligen Beschaffung der Gerechtigkeit fehlt. Wenn aber der Apostel Tod und Auferstehung auseinander zu reißen scheint, so liegt dies nur daran, dass seine Rede unserm schwachen Verständnis entgegenkommt. Denn überall sonst steht ja die Wahrheit fest, die auch das nächste Kapitel vorträgt (5.9, 5.18-19), dass der Gehorsam, welchen Christus in Seinem Tode leistete, uns die Gerechtigkeit erwarb. Weil aber erst die Auferstehung offenbar machte, was der Tod erworben, so wird, um die Sache klarzumachen, auch die Unterscheidung nötig: Das Opfer, welches die Sünden sühnte, hat den Anfang, die Auferstehung aber erst die Vollendung des Heils begründet. Denn die Grundlage der Gerechtigkeit ist unsere Versöhnung mit Gott, ihre Krone die Herrschaft des Lebens über den Tod. Paulus lehrt also, dass die Genugtuung für unsere Sünden am Kreuze geleistet ward. Denn wenn Christus uns unter die Gnade des Vaters bringen sollte, so musste Er zuerst unsere Verschuldung beseitigen; und dies vermochte Er nur dadurch, dass Er die Strafe, die wir nicht zahlen konnten, an unserer statt entrichtete. Denn Jesaja (53.5) sagt: „Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten.“ „Dahingegeben“ aber sagt der Apostel lieber als „gestorben“, um anzudeuten, dass die Sühne an dem ewigen Gnadenrat des Gottes hing, der sie selbst gestiftet hat.

Um unsrer Gerechtigkeit willen auferweckt. – Es wäre nicht genug gewesen, dass Christus sich dem Zorn und Gericht Gottes dargestellt und unsern Sündenfluch getragen hätte; Er musste auch als Sieger aus dem Tode kommen, zur himmlischen Herrlichkeit erhöht werden und dort vor dem Angesichte des Vaters unser Fürsprecher sein. Darum heißt es, dass die Auferstehung, welche den Tod verschlungen, die Kraft zur Rechtfertigung birgt. Nicht als ob das Kreuzesopfer, welches die Versöhnung mit Gott gestiftet hat, nichts zu unserer Gerechtigkeit beitrüge; aber in dem neuen Leben leuchtet die Vollendung dieser Gnade noch heller. Übrigens kann ich nicht zustimmen, wenn man dieses zweite Satzglied auf die Lebenserneuerung bezieht, denn erstens ist die Rede des Apostels bei dieser Frage noch nicht angelangt, und zweitens kann unmöglich das zweite Glied von etwas ganz anderem handeln als das Erste. Wie also der Apostel sagt, Christus sei um unsrer Sünden willen gestorben, weil Er uns durch die Zahlung der Sündenschuld in Seinem Tode von dem Elend des Todes erlöst hat; ganz ebenso spricht er aus, Er sei auferweckt um unserer Gerechtigkeit willen, weil Seine Auferstehung der gewisse Grund unseres Lebens ward. Zuerst hat Gottes Hand Ihn geschlagen, damit Er an des Sünders statt das Sündenelend trüge; darauf ward Er in das Reich des Lebens erhoben, um den Seinen Gerechtigkeit und Leben auszuteilen. Der Apostel redet also noch immer von der zugerechneten Gerechtigkeit, wie auch alsbald das nächste Kapitel zeigt.