Römer 3.27-28
Wo bleibt nun der Ruhm? Er ist ausgeschlossen. Durch welches Gesetz? Durch der Werke Gesetz? Nicht also, sondern durch des Glaubens Gesetz. So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.
Wo bleibt nun der Ruhm? – Gründe zur Zerstörung des falschen Vertrauens auf die Werke waren im bisherigen genug angeführt; jetzt schickt sich der Apostel an, die selbstgefällige Eitelkeit zu schelten. Solche lebhaftere Tonart war nötig: In diesem Stücke reicht die nüchterne Lehrhaftigkeit nicht aus, der Heilige Geist muss unsern Hochmut mit stärkeren Blitzen treffen. Jeder Ruhm muss aber ohne Zweifel deshalb schwinden, weil wir keine Leistung aus unserm eigenen aufweisen können, die wert wäre, von Gott gebilligt und gut befunden zu werden. Es gibt weder ein ganzes noch ein halbes Verdienst, mit welchem wir die Versöhnung mit Gott verdienen könnten. Paulus redet nicht von einem mehr oder weniger, er lässt uns keinen einzigen Tropfen übrig. Der Glaube tilgt alles Verdienst der Werke, und man kann die Lehre vom Glauben nur rein halten, wenn man dem Menschen nichts lässt und alles der Barmherzigkeit Gottes zuschreibt: Also dürfen die Werke gar nichts zu unserer Rechtfertigung beitragen.
Der Werke Gesetz. – Wie kommt der Apostel hier plötzlich zu der Aussage, dass das Gesetz uns keineswegs allen Ruhm nehme, während er doch soeben noch gerade aus dem Gesetz uns unsere Verdammnis nachwies? Wie sollten wir denn noch auf der Bahn des Gesetzes Ruhm finden zu können glauben, wenn uns doch das Todesurteil gesprochen ward? Nimmt uns denn nicht allerdings das Gesetz jeden Ruhm und überhäuft uns mit Vorwürfen? Indessen wollten die früheren Ausführungen zeigen, dass das Urteil des Gesetzes unsere Sünde enthülle, weil wir alle vom Gehorsam abgewichen. Hier aber liegt der Nachdruck auf der Aussage, dass, wenn es überhaupt eine Gerechtigkeit infolge von Gesetzeswerken gäbe, unser Ruhm nicht dahinfallen würde: Nur weil wir alles dem Glauben zuschreiben, behalten wir nichts für uns übrig; denn der Glaube empfängt alles von Gott und bringt ihm nichts außer dem demütigen Bekenntnis der eigenen Leerheit. Dabei will der scharfe Gegensatz von Glaube und Werken wohl beachtet sein: Es ist also an Werke schlechthin zu denken, nicht bloß an Zeremonien oder äußerlichen Schein des Verdienstes, sondern an alles, was das Verdienst einer eigenen Tat begründen könnte.
Des Glaubens Gesetz. – Das ist eine uneigentliche Redeweise. Die Bezeichnung als Gesetz soll die Art des Glaubens durchaus nicht undeutlich machen. Der Apostel will nur zu verstehen geben, dass die eigene Natur und Ordnung des Glaubens jeden Ruhm der Werke niederschlage: Mag das Gesetz die Gerechtigkeit der Werke preisen – der Glaube hat sein eigenes Gesetz, und dieses lässt nicht zu, in irgendwelchen Werken irgendwelche Gerechtigkeit zu finden.
So halten wir nun dafür. – Damit wird der Hauptsatz des Briefes als eine unzweifelhafte Schlussfolgerung ausgesprochen und des Weiteren erläutert. Denn die Rechtfertigung aus Glauben tritt in helles Licht, sobald man den Werken ausdrücklich jedes Verdienst nimmt. Deshalb legen unsere heutigen Gegner ein besonderes Gewicht darauf, in den Glauben noch irgendwie ein Verdienst der Werke einzumischen. Sie sagen, dass der Mensch allerdings durch den Glauben gerechtfertigt werde, aber nicht allein, sondern die Gerechtigkeit, die dem Worte nach dem Glauben gehören soll, käme tatsächlich doch erst durch die Liebe zustande. Paulus dagegen verkündigt hier die freie Gnade in einem Sinne, der jede Bedeutung der Werke ausschließt.
Des Gesetzes Werke. – Gemeint sind, wie schon zu 3.20 dargelegt wurde, nicht bloß Zeremonien oder ein Buchstabendienst ohne Christi Geist, sondern alle Werke, welche ein Verdienst, wie das Gesetz es verspricht, beanspruchen. Lesen wir nun bei Jakobus (2.17 & 2.21), dass der Mensch nicht durch den Glauben allein, sondern durch die Werke gerechtfertigt werde, so steht dies nur in scheinbarem Widerspruch zur Lehre des Paulus. Man muss an beiden Orten auf den Zusammenhang und die Absicht der Rede achten. Hier handelt es sich um die Frage, wie der Mensch vor Gott gerecht werden könne. Jakobus dagegen stellt die ganz andere Frage, wie der Mensch seine Gerechtigkeit beweisen solle. Er kämpft wider die Heuchler, die mit einem leeren Glauben prunken. Handeln nun beide von ganz verschiedenen Dingen, so versteht sich von selbst, dass die Worte „Gerechtigkeit“ und „Glaube“, welche jeder in seiner besonderen Weise gebraucht, gar nicht miteinander in Beziehung gesetzt werden dürfen. Jakobus will – dies zeigt bei ihm der Zusammenhang – nur behaupten, dass ein heuchlerischer und toter Glaube nicht rechtfertige, und dass man keinen für gerecht halten könne, der es nicht mit Werken beweist.