Römer 13.1-2
Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit ohne von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet. Wer sich nun der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebet Gottes Ordnung; die aber widerstreben, werden über sich ein Urteil empfangen.
Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. – Dass der Apostel diesen Gegenstand in seiner Unterweisung für das christliche Leben so nachdrücklich behandelt, lässt darauf schließen, dass ein besonderer Anlass dafür vorlag. Stets wird ja die Predigt des Evangeliums auch auf diese Frage führen, aber in damaliger Zeit war dies besonders der Fall. Unruhige Geister gibt es immer, welche glauben, dass das Königreich Christi nur dann zu seinem vollen Majestätsrecht kommt, wenn alle irdische Obrigkeit abgeschafft wird, und dass man der Freiheit eines Christenmenschen nur froh werden kann, wenn man jegliches Joch menschlicher Dienstbarkeit abschüttelt. Insbesondere aber steckten die Juden in diesem Irrtum. Ihnen schien es unwürdig, dass Abrahams Nachkommen, die vor der Ankunft des Erlösers einst ein blühendes Königreich ihr eigen nennen durften, jetzt bei Seiner Erscheinung in politischer Abhängigkeit verharren sollten. Und noch ein anderer Grund musste nicht bloß die Christen aus den Juden, sondern auch aus den Heiden ihren Herrschern entfremden. Standen doch alle Obrigkeiten damals jeglicher Frömmigkeit fern, ja sie verfolgten die christliche Religion mit der heftigsten Feindschaft. Es musste also widersinnig erscheinen, dass man diejenigen als rechtmäßige Fürsten und Herrscher anerkennen sollte, welche alles daran setzten, Christus, dem einigen Herrn Himmels und der Erde, Sein Königreich zu entreißen. Diese Anlässe haben den Apostel wahrscheinlich dazu geführt, von der Macht der Obrigkeit mit besonderer Sorgfalt zu handeln. An die Spitze stellt er den Hauptgrundsatz, der alles Folgende bereits in sich schließt. Dann fügt er hinzu, was zur Entfaltung und Bewährung der Hauptvorschrift dienen kann. Er sagt von der Obrigkeit, dass sie Gewalt über uns hat. Er schreibt ihr also nicht die denkbar höchste Vollmacht zu, sondern nur eine tatsächliche Gewalt über die andern. Der Apostel scheint damit den vorwitzigen Fragen begegnen zu wollen, die oft aufgeworfen werden, nämlich, woher die Menschen das Recht haben, über andere zu regieren. Es soll uns genug sein, dass sie eben ihre Gewalt haben. Denn sie sind nicht durch ihre eigne Kraft zu dieser Höhe emporgestiegen, sondern Gottes Hand hat sie dorthin gestellt. Heißt es aber: Jedermann sei untertan, so fällt jegliche Ausnahme. Niemand soll glauben, sich der allgemeinen Unterwerfung entziehen zu dürfen.
Denn es ist keine Obrigkeit ohne von Gott. – Das ist der Grund, weshalb wir der Obrigkeit untertan sein müssen: Sie ward durch Gottes Ordnung eingesetzt. Weil es dem Herrn gefällt, auf diese Weise die Welt zu regieren, so widerstrebt jeder, der die Obrigkeit verachtet, der Ordnung Gottes und damit Gott selbst. Denn die Vorsehung dessen verachten, der auch die staatliche Rechtsordnung geschaffen hat, heißt den Kampf mit Ihm selbst aufnehmen. Übrigens wollen wir ausdrücklich feststellen, dass die Obrigkeit nicht etwa so von Gott kommt wie etwas Pest, Hungersnot, Krieg und sonstige Sündenstrafen. Vielmehr hat Gott die Obrigkeit eingesetzt, damit sie die Welt mit Recht und Gesetz verwalte. Stammen nun auch Gewaltherrschaften und ungerechte Regierungen, bei denen Unruhe und Unordnung herrscht, nicht aus Gottes wohlgeordnetem Regiment, so hat doch Gott die Obrigkeit und die Herrscherrechte an sich zum Besten der Menschheit eingesetzt. Weil also die Obrigkeit dem Kriege wehren und jeglichem Schaden steuern soll, darum will der Apostel, dass wir uns freiwillig und gern ihrem Regiment unterwerfen sollen; denn das frommt dem menschlichen Geschlecht.
Wer sich nun der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebet Gottes Ordnung; die aber widerstreben, werden über sich ein Urteil empfangen. – Weil jeder Widerstand gegen Gott zu unserm Verderben ausschlagen muss, so droht der Apostel, dass auch der nicht ungestraft bleiben wird, welcher in diesem Stück der Vorsehung Gottes widerstrebt. Wir sollen uns also hüten, dass diese Drohung nicht uns treffe! Bei dem Urteil, welches den Widerspenstigen ereilen soll, haben wir nicht bloß an die Strafen zu denken, welche freilich auch die Obrigkeit selbst verhängt, sondern vor allem daran, dass Gott zu Seiner Zeit Sein Gericht wird ergehen lassen. Der Apostel weist darauf hin, was derer wartet, welche den Kampf mit Gott aufnehmen.