RÖMER

Römer Kapitel 12 Teil VII

Römer 12.20-21

So nun deinen Feind hungert, so speise ihn; dürstet ihn, so tränke ihn. Wenn du das tust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln. Lass dich nicht das Böse überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.

 

So nun deinen Feind hungert. – Jetzt zeigt der Apostel, wie man das Gebot, sich nicht zu rächen und nicht Böses mit Bösem zu vergelten, in Wahrheit erfüllen kann: So nämlich, dass wir nicht bloß darauf verzichten, Unrecht zu tun, sondern dass wir sogar denen, die uns beleidigen, Wohltaten erweisen. Denn wenn wir ihnen die Wohltaten nicht gönnen wollten, so wäre dies auch nur eine Form sündhafter Wiedervergeltung. Wenn der Apostel fordert, wir sollen unsern Feind speisen und tränken, so begreift er unter diesen Beispielen alle möglichen Leistungen überhaupt. Wir sind also verpflichtet, soweit es irgend in unsern Kräften steht, unserem Feinde und Verfolger, wenn er dessen bedarf, in jeder denkbaren Lage mit unserm Vermögen oder mit Rat und Tat beizustehen. Soll man ihm aber in äußerlichen Dingen helfen, so darf man doch gewiss nicht wider sein Seelenheil beten!

Wenn du das tust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln. – Da niemand gern Kraft und Vermögen ohne Nutzen verschwendet, so zeigt der Apostel auch noch den Erfolg, den wir erzielen können, wenn wir gegen unsere Feinde die Pflichten der Menschlichkeit erfüllen. Bei den feurigen Kohlen denken einige Ausleger an das Verderben, welches wir über das Haupt des Feindes bringen, wenn wir ihm als einem Unwürdigen Wohltaten erweisen und uns so gegen ihn betragen, wie er es nicht verdient; denn dadurch wird seine Schuld verdoppelt. Andere finden hier lieber den Gedanken, dass unsere Wohltaten das Gemüt des Feindes vielleicht erweichen und zur Gegenliebe umstimmen könnten. Ich glaube dagegen, dass der Apostel einfach sagen will, dass der Sinn des Feindes nach irgendeiner Richtung zur Entscheidung getrieben werden muss. Die Wohltaten werden ihn entweder milde stimmen, oder, wenn seine gar zu große Heftigkeit dessen nicht fähig sein sollte, so wird das Zeugnis seines Gewissens so in ihm brennen, dass er wenigstens spüren muss, wie wir mit unserer Güte innerlich über ihn den Sieg davontragen.

Lass dich nicht das Böse überwinden. – Dieser Satz dient nur zur Bestätigung der bisher vorgetragenen Wahrheiten. Denn mit unserm Kampfe wider die Bosheit ist es so bestellt: Wenn wir versuchen, sie zu vergelten, so bekennen wir uns eben damit als von ihr überwunden; vergelten wir dagegen Böses mit Gutem, so beweisen wir damit die unbesiegte Stärke unseres Geistes. Und das ist ohne Zweifel der schönste Sieg, dessen Frucht wir nicht nur im Gemüte spüren, sondern auch tatsächlich sehen werden. Denn wenn Gott es gibt, so werden wir mit unserer Geduld einen Erfolg erringen, wie er schöner gar nicht gedacht werden kann. Wer dagegen versucht, Böses mit Bösem zu überwinden, der mag über seinen Feind vielleicht äußerlich einen Sieg davontragen; aber dies wird tatsächlich zu seinem Verderben ausschlagen, denn er ist damit zu einem Kriegsknecht des Satans geworden.