RÖMER

Römer Kapitel 12 Teil II

Römer 12.3

Denn ich sage durch die Gnade, die mir gegeben ist, jedermann unter euch, dass niemand sich höhere Gedanken mache, denn sich´ s gebührt zu denken, sondern dass er von sich mäßig halte, ein jeglicher, nach dem Gott ausgeteilt hat das Maß des Glaubens.

 

Die Anknüpfung mit denn zeigt, dass diese Mahnung eng mit der vorigen Aussage zusammenhängt. Wollte Paulus unsern ganzen Eifer auf die Erkenntnis des Willens Gottes lenken, so war das nächste Erfordernis, dass er uns unsere hochmütigen und eigenwilligen Gedanken austreibe. Dabei stützt er seine Forderung mit der ganzen Autorität seines Amtes:

Ich sage durch die Gnade, die mir gegeben ist. – Des Apostels Wort soll als Gottes Wort gehört werden. Denn er redet nicht aus sich selbst, sondern aus Gottes Auftrag und Offenbarung. Er hat seinen apostolischen Dienst nicht willkürlich an sich gerissen, sondern durch Gottes Berufung und Gnade empfangen (vergleiche dazu 1.5). Mit diesem Hinweis auf seine Autorität zwingt der Apostel seine Leser geradezu, seinem Worte sich zu unterwerfen, wenn anders sie nicht den Gott verachten wollten, der durch ihn redete. Die nun folgende Mahnung will auch uns zurückhalten, Dinge zu erforschen, welche dem Geist nur vergebliche Unruhe, aber keine Erbauung bringen. Niemand soll höheren und weiteren Gedanken nachhängen, als sein Verstand fassen kann und seine Berufung ihm erlaubt. Darin liegt zugleich beschlossen, dass wir unser Dichten und Trachten nur auf Dinge richten sollen, die uns in der Demut und Nüchternheit erhalten. Ich glaube nämlich, dass dieses Verständnis unserer Worte besser mit dem Urtext und dem Zusammenhang der Rede sich verträgt als die gewöhnliche Übersetzung: „Dass niemand weiter von sich halte, denn sich´ s gebührt zu halten.“ Man macht sich höhere Gedanken, denn sich´ s gebührt zu denken, wenn man seine Gedanken mit Dingen beschäftigt, die außerhalb unseres Berufes liegen und die uns nichts angehen. Man bescheidet sich in seinen Gedanken, wenn man sich auf seinen zugewiesenen Kreis beschränkt und sich dadurch zur Anspruchslosigkeit immer wieder anleiten lässt.

Ein jeglicher, nach dem Gott ausgeteilt hat das Maß des Glaubens. – Das heißt wie einem jeglichen Gott ausgeteilt hat. Damit gibt der Apostel den Grund dafür an, weshalb wir uns in nüchterner Weisheit selbst beschränken sollen. Gott hat große Gaben verschieden ausgeteilt; und das Maß unserer Pläne und Ansprüche soll sich danach bemessen, dass wir die Grenzen einhalten, die Gottes Wohlgefallen uns gesteckt hat und die Er uns im Glauben erkennen lässt. Unsere Gedanken greifen also nicht bloß dann zu weit, wenn sie sich mit gänzlich überflüssigen und unnützen Dingen beschäftigen, sondern auch dann, wenn sie sich auf Gegenstände richten, die zu wissen und zu treiben an sich gut sein kann, bei denen wir aber nicht fragen, ob sie uns anvertraut sind – wobei wir dann mit Vorwitz und Selbstüberhebung das Maß dessen überschreiten, was wir bedenken sollen. Solche Anmaßung wird Gott nie ungestraft lassen. Sieht man doch nur zu oft, dass Leute, deren törichter Ehrgeiz über die gewiesenen Grenzen hinausgreift, schließlich in lauter Torheiten umgetrieben werden. In Summa: Auch das gehört zu unserm vernünftigen Gottesdienst, dass ein jeder in Sanftmut und Nachgiebigkeit sich von Gott lenken und leiten lasse. Nicht unsere eigenen Gedanken sollen entscheiden, sondern der Glaube, welcher jeden an sein eignes, bescheidenes Maß bindet.