PHILIPPER

Philipper Kapitel 3 Teil IV

Philipper 3.18-21

Denn viele wandeln, von welchen ich euch oft gesagt habe, nun aber sage ich auch mit Weinen, dass sie sind die Feinde des Kreuzes Christi, welcher Ende ist die Verdammnis, welchen der Bauch ihr Gott ist, und ihre Ehre zu Schanden wird, derer, die irdisch gesinnt sind. Unser Wandel aber ist im Himmel, von dannen wir auch warten des Heilands Jesu Christi, des Herrn, welcher unsern nichtigen Leib verklären wird, dass er ähnlich werde seinem verklärten Leibe nach der Wirkung, damit er kann auch alle Dinge sich untätig machen.

 

Denn viele wandeln. – Was Paulus sagen will, ist in Kürze der Satz: „Viele wandeln, die irdisch gesinnt sind.“ Womit er meint, dass es viele gibt, die im Staube kriechen und von der Kraft des Gottesreiches nichts wissen. Eingeschoben werden dann die Merkmale, an welchen sich solche Leute erkennen lassen. Wir werden sie sofort im Einzelnen erwägen. Irdisch gesinnt sein heißt hier schwerlich an zeremoniellen Äußerlichkeiten hängen, welche die wahre Frömmigkeit in den Hintergrund drängen. Vielmehr wird an einen fleischlichen Sinn zu denken sein: Wer nicht durch Gottes Geist neu geboren wird, kennt ja nur weltliche Gedanken und Interessen. Dass eben dies die Entrüstung des Apostels hervorruft, zeigen die weiteren Ausdrücke: Übertriebene Ehrsucht und Hang zu Bequemlichkeit und Genusssucht sind es, um derentwillen die Betreffenden die Erbauung der Gemeinde vernachlässigen.

Von welchen ich euch oft gesagt habe. – Daraus ersieht man, dass öftere Erinnerungen keineswegs überflüssig waren; denn Paulus sieht sich gezwungen, schriftlich zu wiederholen, was er früher mündlich gesagt hatte. Sagt er es aber jetzt mit Weinen, so mag man daraus abnehmen, dass ihn nicht Eifersucht oder persönlicher Hass, nicht Schmähsucht noch Mutwille treibt, sondern lediglich frommer Eifer; sieht er doch, wie solch schändliches Treiben die Gemeinde elend zu Grunde richtet. Das ist die rechte Stimmung, dass wir mit Seufzern und Tränen unser Mitgefühl mit dem Jammer der Kirche ausdrücken, wenn wir sehen, dass lasterhafte und nichtswürdige Leute als ihre Hirten dastehen! Wichtig ist auch, sich klarzumachen, von welcherlei Menschen Paulus eigentlich redet: Nicht von offenen Feinden, die absichtlich die Lehre zu verkehren trachteten, sondern von hohlen und unklaren Geistern, die aus Ehrgeiz oder um ihres Bauches willen die Kraft des Evangeliums preisgeben. Und gewiss schaden solche, die um ihres Vorteils willen die Kraft des Amtes verraten, oft mehr als andere, die offen gegen Christus ankämpfen. Es gilt, solche Leute durchaus nicht zu schonen, sondern mit Fingern auf sie zu weisen, so oft es nottut. Mögen sie nachher so viel, wie sie wollen, über unsere Rücksichtslosigkeit klagen, wenn sie uns nur nichts vorwerfen dürfen, was wir nicht mit des Paulus Beispiel decken können!

Die Feinde des Kreuzes Christi. – Die einen verstehen unter „Kreuz“ das ganze Geheimnis der Erlösung und lassen dann den Paulus davon reden, dass die betreffenden Leute mit ihrer Gesetzespredigt die Wohltat des Todes Christi ihrer Wirkung beraubten. Andere denken daran, dass sie das Kreuz flohen und sich nicht Gefahren für Christus aussetzen wollten. Zutreffend wird nur ein ganz allgemeines Verständnis sein: Die Betreffenden geben sich als Freunde des Evangeliums aus und sind doch seine schlimmsten Feinde. Die gesamte Predigt des Evangeliums als „Kreuz“ zusammenfassend zu bezeichnen, ist ja dem Apostel ganz geläufig (vergleiche 1. Korinther 1.18).

Welcher Ende ist die Verdammnis. – Dies fügt der Apostel hinzu, um seinen Lesern die ernste Gefahr des Verderbens vor Augen zu stellen und sie damit von jeder Verbindung mit jenen Leuten abzuschrecken. Weil aber diese Schwindelgeister es nur zu gut verstanden, mit prahlerischem Wesen und sonstigen Künsten die Augen harmloser Leute derartig zu blenden, dass man sie womöglich über die besten Diener Christi stellte, so verkündet Paulus mit großer Zuversicht, dass ihre Ehre, in welcher sie sich gegenwärtig blähen, zu Schanden wird.

Welchen der Bauch ihr Gott ist. – Hielten sie also auf die Beschneidung und andere Zeremonien, so taten sie das nicht aus ehrlichem Gesetzeseifer, sondern um sich Menschengunst zu gewinnen, damit sie ruhig und ohne Belästigung leben könnten. Denn sie sahen, dass die Juden in wilder Wut gegen Paulus und seine Gesinnungsgenossen entbrannt waren, und sie wussten, dass auch sie, wenn sie Christus lauter verkündigen würden, dieselbe Wut gegen sich erregen mussten; deshalb entstellten sie aus Besorgnis für ihre Ruhe und ihre Sicherheit das Evangelium, um dadurch die Gegner zu besänftigen.

Aber unser Wandel ist im Himmel. – Dieser Satz zerstört allen eitlen Glanz, mit dem falsche Diener des Evangeliums sich zu schmücken pflegen, und fällt voller Abscheu ein Urteil über ihr ganzes Treiben, weil sie im Staube wühlen und ihre Gedanken nicht zum Himmel erheben. Denn er lehrt, dass man außer Gottes geistlichem Reiche alles für nichts achten soll, weil die Gläubigen in dieser Welt ein himmlisches Leben führen müssen. Paulus will sagen: Jene denken nur an das Irdische; daher müssen wir uns von ihnen absondern, weil unser Wandel im Himmel ist. Nun sind wir hier ja mit den Ungläubigen und Heuchlern vermischt. Ja, auf der Tenne des Herrn ist mehr Spreu als Weizen. Wir teilen mit ihnen dieselben irdischen Sorgen, essen dieselbe Speise und trinken denselben Trank, haben auch sonst dieselben Bedürfnisse wie sie. Aber doch ist es nötig, dass wir mit unserem Geiste und mit unserem Herzen im Himmel weilen, denn wir müssen bald aus diesem Leben scheiden, sollen auch dieser Welt abgestorben sein, damit Christus in uns lebe und wir für Ihn. Den Reichtum christlicher Anregungen, welchen dieser Spruch in sich birgt, mag jeder für sich ausschöpfen.

Von dannen wir auch warten des Heilands Jesu Christi, des Herrn. – Diese Verbindung, in der wir mit Christus stehen, muss zum Beweise dafür dienen, dass unser Wandel im Himmel ist; denn Glieder dürfen sich nicht von ihrem Haupte loslösen. Ist also Christus im Himmel, so muss unsere Seele jenseits der Welt ihre Heimat suchen, wenn sie mit Ihm verbunden bleiben will. Weiter (Matthäus 6.21): Wo unser Schatz ist, da ist unser Herz. Christus, unsere Seligkeit und unser Ruhm, ist im Himmel, darum soll unsere Seele mit Ihm dort oben wohnen. So nennt Ihn der Apostel auch ausdrücklich den Heiland. Denn aus dem Himmel kommt uns das Heil, woher Christus, der Heiland, kam. Dann ist es aber sinnwidrig, dass wir unsere Gedanken an die Erde fesseln. So passt sich diese Bezeichnung Christi trefflich dem Zusammenhange an; dass unsere Seele im Himmel weilt, lässt sich darum sagen, weil von dorther das Licht der Heilshoffnung uns aufging. Für die Gottlosen ist Christi Wiederkunft ein Schrecken; sie treibt daher ihre Gedanken vielmehr vom Himmel hinweg, als dass sie dieselben hinanzöge: Denn den Richter, den auch sie aus dem Himmel erwarten müssen, fliehen sie, so viel irgend möglich. Fromme Gemüter indessen schöpfen aus diesen Worten des Apostels einen süßen Trost; hören sie doch, dass sie auf die Wiederkunft Christi hoffen dürfen, weil Er kommen wird, sie zu erlösen. Dagegen ist es ein Zeichen des Unglaubens, wenn jemand, so oft hiervon die Rede ist, in Schrecken gerät. Lies Römer 8.31 ff.! Im Übrigen will Paulus, dass die Gläubigen an Christus allein sich genügen lassen, während die Anderen durch ihre eitlen Wünsche bald hierhin, bald dorthin gezogen werden. Auch lernen wir aus dieser Stelle, dass wir uns Christus nicht irgendwie in niedriger, irdischer Weise vorstellig machen dürfen: Paulus befiehlt uns, gen Himmel zu blicken, um Ihn dort zu suchen. Wenn man aber nun in spitzfindigen Spekulationen ausführt, dass Christus nicht im Himmel verschlossen und dort etwa in irgendeinem Winkel zu finden sei, und damit beweisen will, dass Sein Leib allgegenwärtig sei und Himmel und Erde erfülle, so verficht man eine vollkommen haltlose Halbheit. Denn so wie es einerseits gewagt und töricht sein würde, über die Himmel hinauszugehen, um dort dem Herrn Christus einen Platz anzuweisen, wo Er sitzt oder umherwandelt, so ist es andererseits ein törichter und verderblicher Irrtum, Ihn mit fleischlichen Gedanken aus dem Himmel herabzuholen, um Ihn hier auf Erden zu suchen. Also die Herzen empor, damit sie bei Gott weilen!

Welcher unseren nichtigen Leib verklären wird. – Um die Philipper noch mehr aufzumuntern, dass sie ihre Herzen zum Himmel erheben, damit sie Christus ganz anhangen, weist Paulus sie darauf hin, dass der Leib, den wir tragen, kein bleibendes Haus ist, sondern eine hinfällige Hütte, die bald zerfallen wird. Weiter ist unser Leib so vielen Leiden ausgesetzt und so vielen zerstörenden Krankheiten unterworfen, dass er mit Recht „nichtig“ und verächtlich heißt. Woher erwarten wir nun seine Wiederherstellung? Vom Himmel her durch Christi Wiederkunft. So gibt es keinen Teil von uns, der nicht mit ganzem Verlangen nach dem Himmel trachten müsste. Die gegenwärtige Niedrigkeit unseres Leibes sehen wir sowohl im Leben als vor allem im Sterben. Die Herrlichkeit dagegen, in welcher Christus unseren Leib seinem verklärten Leibe ähnlich machen wird, ist uns noch unbegreiflich. Denn wenn die Jünger den geringen Vorgeschmack, den sie davon bei der Verklärung Christi empfingen, nicht vertragen konnten, wer von uns mag dann die Vollendung der Herrlichkeit fassen? So wollen wir uns für die Gegenwart mit der Gewissheit zufrieden geben, dass wir Gottes Kinder sind, welchen sich der Reichtum ihres Erbes erst völlig erschließen wird, wenn sie es einst genießen können.

Nach der Wirkung, damit er kann auch alle Dinge sich untätig machen. – Nichts dünkt den Menschen unglaublicher, nichts widerstrebt so sehr unseren fleischlichen Sinnen, als die Auferstehung. Darum möchte Paulus jeden Zweifel verscheuchen, indem er uns Gottes unermessliche Macht vor Augen stellt. Denn in diesen Stücken kommt der zweifelnde Unglaube immer nur daher, dass wir den dürftigen Maßstab unseres Begreifens anlegen. Und der Apostel sagt nicht bloß, dass Gott kann alle Dinge sich untertänig machen, sondern redet absichtlich von seiner tatsächlichen „Wirkung“, die sich lebendig erwiesen hat. Sobald wir daran denken, dass der Gott, der Alles aus dem Nichts erschaffen hat, der Erde und den anderen Elementen befehlen kann, dass sie das, was ihnen anvertraut worden ist, wiederum zurückzugeben, so wird unser Geist alsbald zu einer festen Hoffnung, ja sogar zu einem geistlichen Anschauen der Auferstehung erhoben. Übersehen wollen wir endlich nicht, dass Paulus das Recht und die Macht, Tote zu erwecken, überhaupt alles nach seinem Willen zu tun, Christus übertragen denkt. Welch ein glänzender Beweis für Christi gottheitliche Majestät! Wir schließen daraus auch, dass die Welt durch Ihn erschaffen ward; denn allein der Schöpfer kann alle Dinge sich untertänig machen.