PHILIPPER

Philipper Kapitel 3 Teil II

Philipper 3.7-11

Aber was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden geachtet. Ja, ich achte es noch alles für Schaden gegen die überschwängliche Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, um welches willen ich alles habe für Schaden gerechnet, und achte es für Kot, auf dass ich Christus gewinne, und in ihm alles wiederfinde, indem ich nicht habe die Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz ist, sondern die durch den Glauben an Christus kommt, die von Gott stammt und im Glauben bestehet, zu erkennen ihn, und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden, dass ich seinem Tode ähnlich werde, damit ich entgegenkomme zur Auferstehung der Toten.

 

Aber was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden geachtet. – Als Gewinn schätzt Paulus diese Dinge ein, ehe er Christus erkannt hatte. Denn allein die Unbekanntschaft mit Christus macht es, dass wir in leerem Selbstvertrauen uns überheben. Wo wir also bei einem Menschen eine falsche Schätzung seiner eigenen Tüchtigkeit, Anmaßung und Verachtung anderer finden, können wir gewiss sein, dass er Christus noch nicht erkannt hat. Und andererseits: Sobald Christi Licht aufgeht, schwindet oder verliert wenigstens alles seinen Schein, dessen falscher Glanz unsere Augen zuvor blendete. Was also dem noch blinden Paulus Gewinn war, oder vielmehr, was ihn täuschte, als wäre es Gewinn, das hat er alsbald nach seiner Erleuchtung für Schaden geachtet. Aber warum geradezu für Schaden? Weil es für ihn ein Hindernis war, zu Christus zu kommen. Denn was ist schädlicher als das, was uns von Christus fernhält? Paulus spricht hier vor allem von seiner eigenen Gerechtigkeit; denn zu Christus werden nur solche zugelassen, die nackt sind und frei von eigener Gerechtigkeit. So hat Paulus hat also erkannt, dass für ihn nichts verderblicher war als seine eigene Gerechtigkeit, denn sie trennte ihn von Christus.

Ja, ich achte es noch alles für Schaden. – Er bleibt also bei dieser Schätzung. Oft geschieht es ja, dass die Freude an einer neuen Erfahrung uns hinnimmt und wir darüber alles andere zunächst vergessen, dass wir später aber anderes Sinnes werden. Paulus aber kann versichern, dass er noch immer ebenso gesinnt ist wie damals, als er alle Hindernisse beiseiteschob, um Christus zu besitzen.

Gegen die überschwängliche Erkenntnis Christi Jesu. – So erhebt der Apostel das Evangelium hoch über alle anderen Meinungen, die uns nur täuschen. Mag noch so vieles groß dazustehen scheinen, so erweist sich die Höhe der Erkenntnis Christi doch dermaßen überragend, dass ihr gegenüber alles verächtlich klein wird. Hier können wir die rechte Schätzung der Erkenntnis Christi lernen. Nennt der Apostel Christus „meinen Herrn“, so offenbart sich darin die ganze Glut seiner Liebe.

Um welches willen ich alles habe für Schaden gerechnet. – Wörtlich: Ich habe es wie etwas Schädliches weggeworfen. Dieser Ausdruck ist noch deutlicher. So wirft ein Schiffer, wenn die Gefahr eines Schiffbruchs droht, alles über Bord, um mit dem erleichterten Schiff wohlbehalten zum Hafen zu gelangen. Paulus will also lieber alles dessen, was er hat, beraubt werden, als den einigen Christus verlieren. Aber ist es denn nötig, der Reichtümer, der Ehren, des Adels und der äußeren Gerechtigkeit sich zu entschlagen, um Christi teilhaftig zu werden? Sind dies doch lauter Gaben Gottes, die man an und für sich nicht verachten soll. Ich antworte, dass der Apostel hier nicht so sehr von den Dingen selbst redet, als vielmehr an die Beleuchtung denkt, in welcher wir sie sehen. Es ist ja wahr, dass das Himmelreich einer köstlichen und so wertvollen Perle gleicht, dass niemand Bedenken tragen darf, alles zu verkaufen, um diese zu kaufen (Matthäus 13.46). Indessen sollen wir doch die Dinge selbst von dem vielleicht falschen Werte unterscheiden, den wir ihnen beilegen. Paulus brauchte sich nicht von seinem Stamme zu scheiden noch von dem Geschlechte Abrahams und einem anderen Stamme sich anzuschließen, um Christ zu werden; aber er musste das Vertrauen auf seine Abstammung fahren lassen. Er brauchte nicht aus einem Reinen ein Unreiner, nicht aus einem Nüchternen ein Unmäßiger, nicht aus einem ernsten und ehrenhaften Mann ein zügelloser Mensch zu werden; aber ablegen musste er das falsche Vertrauen auf die eigene Gerechtigkeit und dieser verachten. So sprechen wir auch nicht gegen die Werke selbst, wenn wir von der Gerechtigkeit des Glaubens handeln, sondern gegen den Wert, den die Lehrer der römischen Kirche den Werken beilegen, indem sie behaupten, dass der Mensch durch sie gerecht werde. Paulus gab nicht die guten Werke selbst auf, sondern das Vertrauen auf diese Werke, womit er sich früher gebrüstet hatte. Was nun Reichtum und Ehre betrifft, so werden wir dann, wenn wir von der Liebe zu ihnen frei geworden sind, auch immer bereit sein, diese Dinge selbst hinzugeben, wenn der Herr dies von uns fordern sollte. Und so muss es sein. Es ist nicht durchaus nötig, dass du arm bist, um ein Christ zu sein; aber wenn es dem Herrn gefällt, dann musst du bereit sein, arm zu werden. Kurz, kein Christ darf neben Christus noch etwas haben wollen. Darunter wird alles verstanden, was uns daran hindert, dass Christus nicht unser einziger Ruhm sein und ganz und gar in uns regieren kann.

Und achte es für Kot. – Damit erreicht nicht bloß der Ausdruck, sondern auch die Meinung des Apostels ihre höchste Steigerung. Denn wenn der Schiffer Waren und andere Dinge ins Meer wirft, um gerettet zu werden, so verachtet er darum noch nicht den Reichtum; sondern weil er lieber elend und arm leben will, als mit seinen Gütern zu Grunde gehen, so wirft er dieselben zwar aus, aber er tut es nur ungern und mit Tränen. Ist er der Gefahr entronnen, so wird er seinen Verlust betrauern. Paulus dagegen versichert uns, dass er nicht allein das, was für ihn früher wertvoll war, aufgegeben, sondern dass es jetzt für ihn stinkend sei wie Kot, und wertlos, wie etwas, was man mit Verachtung wegwirft. Und gewiss muss alles für uns stinkend werden, was fremd ist von Christo, weil es vor Gott ein Gräuel ist. Mit vollem Recht wird es seinen Wert verlieren, weil es ja nichts ist, als ein Trugbild.

Auf dass ich Christus gewinne. – Diese Worte deuten an, dass wir Christus nicht anders gewinnen können, als wenn wir all das Unsrige verlieren. Denn Er will, dass wir nur durch Seine Gnade reich sein sollen; Er will für alle Zeiten unsere Seligkeit sein. Es ist schon früher gesagt, in welcher Weise wir alles verlieren müssen, nämlich so, dass nichts uns abzieht von dem Vertrauen auf den einigen Christus. Wenn nun Paulus bei einer unzweifelhaften Reinheit und Unbescholtenheit seines Lebens kein Bedenken trug, seine Gerechtigkeit für Schaden und Kot zu achten, wo wollen dann die Pharisäer unserer Tage bleiben, die, beschmutzt mit Schandtaten aller Art, sich doch nicht scheuen, ihre Verdienste wider Christus zu erheben!

Und in ihm alles wiederfinde. – Die meisten übersehen: „Und in Ihm erfunden werde“, dann wäre der Sinn: Paulus war verloren, bevor er in Christus „erfunden“ wurde – so wie der reiche Kaufmann einem verlorenen Manne gleicht, solange noch sein Schiff mit Gütern beladen ist und erst dann „gefunden“ oder gerettet werden kann, wenn er die Güter über Bord geworfen hat. Indessen lässt der griechische Wortlaut auch die Übersetzung zu: Und in Ihm (alles wieder) finde. So ergibt sich ein tieferer Sinn und eine fruchtbarere Lehre. Paulus hat auf alles verzichtet, um es in Christo wieder zu bekommen. Dieser Gedanke würde sich glatt an das Vorhergehende anschließen: War soeben davon die Rede, das Paulus Christus gewinnen wollte, so fügt er jetzt hinzu, welch allumfassender Gewinn dies ist, da ja Christus alles in sich begreift. Und gewiss, wir leiden keinen Verlust, wenn wir arm und ausgeleert zu Christus kommen, weil wir dann erst anfangen, das in Wahrheit zu besitzen, was wir früher in falscher Einbildung besaßen. So zeigen diese Worte uns noch deutlicher, wie groß Christi Reichtum ist, da wir bei Ihm alles finden und erhalten.

Indem ich nicht habe die Gerechtigkeit. – Diese überaus wichtige Aussage gibt uns eine bestimmte Erklärung der Gerechtigkeit des Glaubens und zeigt, was ihr eigentliches Wesen ist. Paulus stellt eine doppelte Gerechtigkeit einander gegenüber. Von der einen, die er auch Gerechtigkeit des Gesetzes nennt, sagt er, dass sie die eigene Gerechtigkeit des Menschen sei. Von der anderen sagt er, dass sie von Gott stammt, durch den Glauben erlangt wird und auf dem Glauben an Christus beruht. Diese beiden Arten von Gerechtigkeit können niemals miteinander bestehen, eine schließt die andere aus. Zweierlei gilt es hier also zu merken. Erstens: Wer durch den Glauben gerecht sein will, muss die Gesetzesgerechtigkeit fahren lassen und auf sie verzichten. Zweitens: Die Glaubensgerechtigkeit kommt von Gott und ist kein erworbenes Eigentum des Menschen. Wegen beider Punkte haben wir jetzt einen harten Streit mit den Papisten; denn einmal wollen sie nicht zugeben, dass die Glaubensgerechtigkeit ganz von Gott komme, sondern sie schreiben sie zum Teil dem Menschen zu; und dann vermischen sie die beiden Gerechtigkeiten miteinander, als wenn die eine die andere nicht aufhöbe. Deshalb muss man jedes einzelne Wort des Paulus genau beachten; jedes hat sein besonderes Gewicht. Paulus behauptet, dass die Gläubigen keine eigene Gerechtigkeit haben; nun kann aber nicht geleugnet werden, dass die Werkgerechtigkeit eine eigene Gerechtigkeit ist, folglich schließt er die Werkgerechtigkeit vollständig aus. Weshalb er sie Gesetzesgerechtigkeit nennt, sieht man aus Römer 10.5. Sie hat diesen Namen, weil das Gesetz sagt: „Welcher Mensch dies tut, der wird drinnen leben.“ Mithin erklärt das Gesetz den Menschen gerecht aus seinen Werken. So gründet sich die gesetzliche Gerechtigkeit auf das Verdienst der Werke, die andere dagegen ist ein freies Gnadengeschenk Gottes. Werkverdienst im allgemeinsten Sinne (wobei durchaus nicht bloß an die Zeremonien zu denken ist) und Christi Gnade treten einander gegenüber. Denn während das Gesetz die Werke herbeiholt, um dadurch den Menschen gerecht zu machen, bringt der Glaube den Menschen nackt zu Christus, damit er mit Christi Gerechtigkeit bekleidet werde. Wenn es also heißt, dass die Glaubensgerechtigkeit von Gott stammt, so will dies gar nicht bloß besagen, dass der Glaube eine Gabe Gottes ist, sondern dass Gottes Güte uns auch die Gerechtigkeit selbst schenkt. Dass dieselbe im Glauben besteht, gilt insofern, dass wir sie durch den Glauben ergreifen.

Zu erkennen ihn, und die Kraft seiner Auferstehung. – Damit wird die Kraft und das Wesen des Glaubens beschrieben: Glaube ist Erkenntnis Christi, aber keine rein verstandesmäßige oder nur unsicher tastende, sondern eine Erkenntnis, welche die Kraft seiner Auferstehung erfährt. Die Auferstehung als die vollendende Spitze des Erlösungswerkes begreift freilich auch Christi Tod in sich. Weil es aber nicht genügt, nur äußerlich anzuerkennen, dass Christus gekreuzigt und von den Toten erweckt ward, wenn man nicht die Frucht Seines Werkes ergreift, so redet Paulus ausdrücklich von der Kraft der Auferstehung. In rechter Weise erkennen wir Christus nur, wenn wir die Bedeutung Seines Todes und Seiner Auferstehung begreifen und Seine Wirksamkeit in uns erfahren. Dann aber wird sich uns alles in Ihm erschließen: Sühnung und Austilgung der Sünde, Befreiung von der Schuld, Genugtuung, Sieg über den Tod, Erwerb der Gerechtigkeit, Hoffnung des ewigen Lebens.

Und die Gemeinschaft seiner Leiden. – War bisher von der aus Gnaden geschenkten Gerechtigkeit die Rede, welche uns durch Christi Auferstehung erworben ward und die wir im Glauben ergreifen, so folgt nun ein Hinweis auf die Glaubensübungen der Frommen. Damit will der Apostel den Anschein vermeiden, als predigte er einen müßigen Glauben, der fürs Leben keine Früchte bringt. Im Gegensatz gegen das öde Zeremonienwesen der Lügenapostel erinnert Paulus aber an die rechte Schule, in welcher der Herr die Seinen üben will. Wem durch den Glauben alle Güter Christi zu eigen geworden sind, der soll wissen, dass ihn dies verpflichtet, sich während seines ganzen Lebens dem Tode Christi gleichgestalten zu lassen. Übrigens kann die Gemeinschaft mit dem Tode Christi eine doppelte sein. Einmal eine innerlich, welche die Schrift als Abtötung des Fleisches oder Kreuzigung des alten Menschen zu bezeichnen pflegt, von welcher das 6. Kapitel des Römerbriefs handelt. Die andere Form ist eine äußerlich, die sonst wohl Ertötung des äußeren Menschen heißt. Hier handelt es sich um das Erdulden des Kreuzes, wovon Paulus Römer 8.17 ff. spricht. Wahrscheinlich meint der Apostel auch an unserer Stelle diese Form. Dann würde er der Erinnerung an die Kraft der Auferstehung den Hinweis auf den gekreuzigten Christus folgen lassen, um uns zu Seiner Nachfolge durch Anfechtungen und Nöte zu ermuntern. Hören wir (Vers 11) ausdrücklich von der Auferstehung der Toten, so liegt schon darin ein Fingerzeig, dass wir sterben müssen, ehe wir leben können. Diese Betrachtung müssen die Gläubigen immer anstellen, solange sie noch als Pilger auf dieser Erde wallen. Und fürwahr, welch herrlicher Trost für uns, dass wir in allen Leiden Genossen des Kreuzes Christi sind! Sind wir anders Seine Glieder, so müssen uns alle Trübsale nur den Weg zur ewigen Seligkeit öffnen. Wie es an einer anderen Stelle heißt: (Timotheus 2.11): „Sterben wir mit, so werden wir mit leben; dulden wir, so werden wir mit ihm herrschen“. Dazu müssen wir daher alle bereit sein, dass unser ganzes Leben dem Sterben gleiche, bis es endlich den Tod selbst gebiert, so wie auch Christi Leben nichts anderes war als ein Vorspiel Seines Todes. Aber dabei haben wir den Trost, dass das Ende die ewige Seligkeit sein wird. Denn Christi Tod ist mit Seiner Auferstehung unlöslich verbunden. Deshalb sagt auch Paulus, dass er dem Tode Christi ähnlich werde, um zur Herrlichkeit der Auferstehung zu gelangen. Genau wörtlich wäre übrigens nicht zu übersetzen: damit ich entgegenkomme usw., sondern: „ob ich vielleicht entgegenkomme“. Damit will Paulus freilich keinen Zweifel ausdrücken, sondern nur auf die Schwierigkeit der Sache hinweisen, um unseren Eifer rege zu machen. Denn wider eine Unsumme gewaltiger Hindernisse angehen zu müssen, bedeutet keinen leichten Kampf.