Philipper 1.22-26
Sintemal aber im Fleisch leben dient mehr Frucht zu schaffen, so weiß ich nicht, welches ich erwählen soll, denn es liegt mir beides hart an: ich habe Lust, abzuscheiden und bei Christus zu sein, welches auch viel besser wäre; aber es ist nötiger, im Fleisch bleiben um euretwillen. Und in guter Zuversicht weiß ich, dass ich bleiben und bei euch allen sein werde, euch zur Förderung und Freude des Glaubens, auf dass ihr euch sehr rühmen möget in Christo Jesu an mir, wenn ich wieder zu euch komme.
Sintemal aber im Fleisch leben dient mehr Frucht zu schaffen, so weiß ich nicht, welches ich erwählen soll. – In der Verzweiflung sind die Menschen oft unschlüssig, ob sie länger mit ihren Sorgen fortleben oder durch den Tod sich von den Sorgen frei machen sollen. Wenn aber Paulus sagt, dass er mit demselben Gleichmut das Leben oder den Tod wählen würde, so steht dahinter ein ganz anderer Sinn: Ihm ist die Wahl zweifelhaft, weil für die Gläubigen beides, Leben und Sterben, das gleiche Glück in sich birgt. Wenn aber das Leben im Fleische, wie Paulus im Vergleich zum besseren Leben fast wegwerfend sagt, dienet mehr Frucht zu schaffen, so lässt sich nicht von vornherein sagen, wohin die Wage sich neigen muss.
Denn es liegt mir beides hart an. – Paulus wünscht aus keinem anderen Grunde zu leben, als um durch seinen Dienst Christum zu verherrlichen und den Brüdern zu nützen. Daher sieht er sein Leben nur insofern als nützlich an, als es den Brüdern zum Heile dient. Für seine eigene Person würde es ihm das Beste dünken, bald zu sterben, weil er dann bei Christo sein wird. Welch Zeugnis aber seiner brennenden Liebe ist es, dass er anders wählt! Es handelt sich nicht um irdische Vorteile, sondern um das geistliche Gut, nach welchem die Frommen mit Recht vor allem verlangen. Dennoch vergisst Paulus dabei völlig sich selbst: Er teilt nicht etwa nur gleichmäßig zwischen sich und den Philippern, sondern kommt zu dem Schluss, dass in seinem Herzen die Rücksicht auf sie das Übergewicht haben soll. Das heißt in Wahrheit für Christus leben und sterben, wenn wir, ohne an uns selbst zu denken, uns dahin treiben und ziehen lassen, wohin Christus uns ruft.
Ich habe Lust, abzuscheiden und bei Christo zu sein. – Diese beiden Stücke müssen zusammen genommen werden. An und für sich ist der Tod niemals begehrenswert. Ein solches Verlangen widerspricht unserem natürlichen Gefühl. Der Tod wird also nur im Zusammenhang mit einem anderen Grunde begehrenswert. Ein verzweifelter Mensch sucht ihn aus Überdruss am Leben. Die Gläubigen dagegen gehen ihm getrost entgegen, weil er für sie die Erlösung ist vom Sklavendienst der Sünde und der Übergang ins Himmelreich. So sagt auch Paulus hier: Ich wünsche zu sterben, weil ich dadurch zur Vereinigung mit Christo gelange. Indessen hören die Gläubigen nicht auf, vor dem Tode zurückzuschrecken; da sie aber ihre Augen auf jenes Leben, das auf den Tod folgt, richten, so überwinden sie mit diesem Troste leicht den Schrecken des Todes. Gewiss, wer an Christum glaubt, muss so gesinnt sein, dass er bei Erwähnung des Todes das Haupt emporhebt, erfreut durch die Botschaft seiner Erlösung. Aber hier zeigt es sich, dass die meisten nur Namenchristen sind. Sobald sie das Wort „Tod“ hören, erschrecken sie nicht nur, sondern sie werden fast tot vor Angst, als wenn sie noch nie ein Wort von Christo gehört hätten. O gutes Gewissen, wie stark und mächtig bist du! Die Grundlage eines guten Gewissens ist aber der Glaube. Ja der Glaube ist selbst das gute Gewissen. Bemerkenswert erscheint der Ausdruck: „abzuscheiden“, wörtlich: „losgelöst zu werden“. Die Weltkinder nennen den Tod eine Vernichtung des Menschen, als wenn der ganze Mensch im Tode unterginge. Paulus dagegen lehrt uns hier, dass der Tod eine Scheidung der Seele vom Körper ist. Gleich darauf beschreibt er den Zustand der Gläubigen nach dem Tode noch genauer. Er sagt, dass sie bei Christo wohnen werden. Wir sind auch in diesem Leben mit Christo vereinigt, insofern das Reich des Herrn in uns ist: Christus wohnt durch den Glauben in uns, da Er versprochen hat, bei uns zu bleiben bis zum Ende der Welt. Aber diese Gemeinschaft mit Ihm besitzen wir eben nur im Glauben; denn wenn wir auf das Sichtbare sehen, so sind wir von Ihm geschieden (vergleiche 2. Korinther 5.6). Übrigens bietet unsere Stelle einen Beweis gegen die irrtümliche Annahme, dass die Seelen nach ihrer Trennung vom Körper schlafen. Denn Paulus bezeugt hier ausdrücklich, dass wir gleich nach unserem Tode Christi Gegenwart genießen werden.
Und in guter Zuversicht weiß ich, dass ich bleiben und bei euch allen sein werde, euch zur Förderung und Freude des Glaubens. – Da einige es für widersinnig halten, einzugestehen, dass Paulus sich in dieser Erwartung getäuscht habe, so meinen sie, Paulus sei später aus der Gefangenschaft befreit worden und habe noch viele Länder der Erde durchwandert. Aber dieses Bedenken ist unbegründet; denn die Gläubigen richten sich in ihren Hoffnungen nach dem Worte Gottes, so dass sie nicht mehr in ihren Herzen hoffen, als Gott ihnen verheißt. Wo sie ein sicheres Zeugnis dafür haben, dass das, worauf sie hoffen, Gottes Willen gemäß ist, da hegen sie auch eine feste Zuversicht von der fortdauernden Vergebung der Sünden, von dem Beistande des Geistes, um in der Gnade bis ans Ende zu verharren, und von der Auferstehung des Fleisches. Eine solche Gewissheit hatten auch die Propheten in Bezug auf ihre Weissagungen. Sonst aber ist die Hoffnung der Gläubigen nicht unbedingt, sondern bedingt, so dass sie den Ausgang der Vorsehung Gottes überlassen, da sie überzeugt sind, dass Gott bessere Einsicht hat als sie.
Auf dass ihr euch sehr rühmen möget in Christo Jesu an mir, wenn ich wieder zu euch komme. – D. h. in einer Weise, welche Christus billigen würde, also auf wahrhaft christliche und heilige Art. Sonst wird uns befohlen, dass wir uns nur in Gott rühmen sollen. Daher hätten übelwollende Leute es tadeln können, wenn Paulus den Philippern erlaubt und zumutet: Rühmt euch an mir! Um solchen Vorwurf die Spitze abzubrechen, sagt eben der Apostel, dass man durchaus Christi Willen gemäß handeln wird, wenn man sich seines Dieners zu Gottes Ehre rühmt. Natürlich muss solches Rühmen mehr die Lehre als die Person im Auge haben. Dann wird es eine Richtung wider die falschen Apostel bekommen; wie auch David gerade im Widerspiel zu den Heuchlern die eigene Gerechtigkeit rühmt (Psalm 7.9).