Kolosser 3.1-4
Seid ihr nun mit Christo auferstanden, so suchet, was droben ist, da Christus ist, sitzend zu der Rechten Gottes. Trachtet nach dem, das droben ist, nicht nach dem, das auf Erden ist. Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit Christo in Gott. Wenn aber Christus, euer Leben, sich offenbaren wird, dann werdet ihr auch offenbar werden mit ihm in der Herrlichkeit.
Jenen eitlen Übungen, welche die Lügen-Apostel forderten, stellt Paulus die wahren gegenüber, denen obzuliegen den Christen gebührt. Und das ist sehr wichtig. Denn wenn wir recht erkennen, was Gott uns tun heißt, werden wir der Menschenpfündlein leicht verachten. Wenn es aber klar wird, dass, was Gott uns befiehlt, weit höher und herrlicher ist, als was Menschen uns auferlegen, so wächst des Herzens Freudigkeit, ohne Rücksicht auf Menschen Gott zu folgen. Darum hält Paulus den Kolossern hier das himmlische Leben zur Betrachtung vor. Die Gegner wollten sie in den kindischen Elementen festhalten; seine Lehre aber beseitigt die Zeremonien. So schließt sich also die vorliegende mahnende Aussprache nachdrücklich und eng an die vorangehende Belehrung an. Indem der Apostel nämlich die echte Frömmigkeit und die wahre Heiligung des Lebens schildert, macht er jenen eitlen Schein der menschlichen Überlieferungen völlig zunichte. Zugleich kommt er damit jenem Vorwurf zuvor, den die falschen Apostel gegen ihn erheben könnten: Was? Du willst lieber, dass die Menschen faul sind, als sich jener Übungen, wie sie auch seien, befleißigen? Dieser Verleumdung schneidet er den Anlass ab, indem er die Kolosser zu weit größeren Bestrebungen anspornt, und beschuldigt jene zugleich, dass sie durch nichtswürdige Hindernisse den rechten Lauf der Frommen hindern.
Seid ihr nun mit Christo auferstanden. – Der Auferstehung folgt die Himmelfahrt. Sind wir also Christi Glieder, so müssen auch wir zum Himmel aufsteigen, weil Er, von den Toten auferweckt, in den Himmel aufgenommen ward, damit Er uns mit und zu sich hinausziehe. Wir suchen also, was droben ist, wenn wir uns in Wahrheit in dieser Welt als Pilger fühlen und unser Herz nicht an dieselbe binden. Ruft uns nun der Apostel zu ‚trachtet!‘, so will er damit einen ausdauernden und lebendigen Eifer rege machen. ‚Trachten‘ heißt alle Gedanken, den ganzen Sinn und Geist anspannen. Wenn wir übrigens allein nach dem Himmlischen trachten sollen, weil Christus im Himmel ist, wie viel weniger wird sich’s ziemen, Christus selbst auf Erden zu suchen! Vergessen wir nicht, dass unsere Anschauung von Christus nur dann wahr und heilig ist, wenn sie uns in den Himmel emporhebt, damit wir Ihn dort anbeten und unsere Gedanken bei Ihm weilen lassen. Die ‚rechte Gottes‘ ist freilich nicht im Himmel eingeschlossen, sondern erfüllt die ganze Welt. Paulus gebraucht den Ausdruck, um zu erinnern, dass Christus uns mit Seiner Kraft gegenwärtig umfasst. So will er dem Gedanken wehren, dass etwa Christi räumliche Entfernung eine Kluft zwischen Ihm und uns befestige, und will uns zugleich zur Anbetung Seiner himmlischen Majestät stimmen.
Nicht nach dem, das auf Erden ist. – Paulus meint damit nicht, wie bald nachher, die sündlichen Begierden, auch nicht Geld, Acker, Häuser oder was sonst noch dem gegenwärtigen Leben angehört, das wir besitzen sollen, als besäßen wir es nicht; sondern er hat hier noch den Streit gegen die Zeremonien im Auge, die er unter dem Bilde von winzigen Gegenständen vorstellt, die uns zwingen, an der Erde zu kriechen. Christus, sagt er, ruft uns aufwärts zu sich, jene aber führen euch abwärts zurück. So haben wir lediglich eine weitere Anwendung dessen, was vorher über das Ende der Zeremonien durch Christi Tod ausgeführt wurde. Paulus will sagen: Sind die Zeremonien durch Christi Tod für euch abgestorben und ihr ihnen, damit ihr, als Menschen (die Christus zu sich in den Himmel erhob) nur trachtet nach dem, das droben ist, so lasst auch die irdischen Dinge ganz beiseite! Ich werde nicht mit denen streiten, die es anders verstehen; mir aber scheint der Apostel wenigstens zunächst nur um des Gegensatzes zu nichtigen Satzungen willen unsere Augen himmelwärts zu lenken; dann freilich schreitet der Gedanke zu einer erweiterten Betrachtung fort.
Denn ihr seid gestorben. – Auferstehen mit Christus kann nur, wer zuvor mit Ihm gestorben ist. Aus der Auferstehung muss mal also auf den Tod zurückschließen, wie aus der Folge auf die Voraussetzung. Dann ergibt sich: Wir müssen der Welt abgestorben sein, um für Christus zu leben. Warum müssen wir suchen, was droben ist? Weil droben das Leben der Gläubigen ist! Warum dahinten lassen. Was auf Erden ist? Weil wir der Welt gestorben sind! Der Auferstehung geht der Tod voran. Also muss man beides an uns spüren können. Nicht übersehen wollen wir freilich, dass der Apostel sagt ‚euer Leben ist verborgen‘. So dürfen wir nicht seufzen oder uns beklagen, wenn unser Leben unter der Schmach des Kreuzes und unter mancherlei Mühsalen begraben liegt und sich in nichts vom Tode unterscheidet; vielmehr sollen wir in Geduld den Tag erwarten, da es sich offenbaren wird. Und damit uns das Warten nicht schwer werde, beachten wir die Wörtlein ‚in Gott‘ und ‚mit Christo‘, welche anzeigen, dass unser Leben trotz allem gegenteiligen Scheines vor jeder Gefahr geborgen ist. Denn Gott ist treu (2. Timotheus 2.11-13) und wird weder verleugnen noch verlieren, was Er in Seine Verwahrung genommen hat, und die Gemeinschaft mit Christus gewährt uns noch eine größere Sicherheit. Denn was können wir mehr erbitten, als das unser Leben bleibe in der Lebensquelle selber? Darum brauchen wir uns nicht zu fürchten, wenn wir auch rings um uns schauend nirgends Leben erblicken. Zu der Hoffnung sind wir geborgen. Das aber, was schon offen vor Augen liegt, hofft man nicht. Aber Paulus sagt nicht nur, dass unser Leben nach der Welt Meinung verborgen ist, sondern auch nach unserer eigenen Wahrnehmung; denn erst darin muss sich unsere Hoffnung in Wahrheit bewähren, dass wir, rings vom Tode umgeben, unser Leben anderswo als in der Welt suchen.
Wenn aber Christus, euer Leben, sich offenbaren wird. – Welch ein schöner Trost, dass die Wiederkunft Christi unseres Lebens Offenbarung sein wird! Zugleich aber welche Mahnung, doch ja nicht auf eine selige Zukunft zu hoffen, wenn man nicht bereit ist, bis zu jenem Tage stand zu halten! Denn wenn unser Leben in Christus verschlossen ist, muss es auch verborgen sein, bis Er selbst sich offenbaren wird.